keinen Punkt entdecken lassen, der allgemein überzeugend als ihre Einheit gälte. Dennoch kann der Psychophysiker nach den Ände- rungen der äusseren Bewegungen, die als Reize unsere Sinnesapparate treffen, die relativen Stärkeänderungen der bewussten Empfindungen messen. Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des anderen Faktors ein konstantes Verhältnis besteht, bestimmen die Grössen des einen die relativen Grössen des anderen, ohne dass irgend eine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Thatsache seines eigenen Wertes abhängig zu machen schien. Das ist freilich richtig: vergleichen kann man die Quanten verschiedener Objekte nur, wenn sie von einer und derselben Qualität sind; wo also das Messen nur durch unmittelbare Gleichung zwischen zwei Quanten geschehen kann, da setzt es Qualitätsgleichheit voraus. Wo aber eine Änderung, eine Differenz oder das Verhältnis je zweier Quanten gemessen werden soll, da genügt es, dass die Proportionen der messenden Substanzen sich in denen der gemessenen spiegeln, um diese völlig zu bestimmen, ohne dass zwischen den Substanzen selbst irgend eine Wesensgleichheit zu bestehen brauchte. Es lassen sich also nicht zwei Dinge gleich setzen, die qualitativ verschieden sind, wohl aber zwei Proportionen zwischen je zwei qualitativ verschiedenen Dingen. Die beiden Objekte m und n mögen in irgend einer Beziehung stehen, die aber absolut nicht die der Qualitätsgleichheit ist, so dass unmittelbar keine von ihnen zum Massstab für die andere dienen kann; die zwischen ihnen be- stehende Beziehung mag die der Ursache und Wirkung, oder der Symbolik, oder des gemeinsamen Verhältnisses zu einem dritten oder was sonst sein. Es sei nun das Objekt a gegeben, von dem ich weiss, dass es 1/4 m ist; es sei ferner das Objekt b gegeben, von dem man nur weiss, dass es irgend ein Teilquantum von n ist. Wenn nun eine Beziehung zwischen a und b entsteht, welche der zwischen m und n entspricht, so folgt daraus, dass b gleich 1/4 n sein muss. Trotz aller Qualitätsungleichheit und Unmöglichkeit eines direkten Vergleiches zwischen a und b ist es so doch möglich, die Quantität des einen nach der des anderen zu bestimmen. So besteht z. B. zwischen einem gewissen Quantum von Speisen und dem momentanen Nahrungsbedürf- nis, zu dessen völliger Stillung es ausreichen würde, gewiss kein Gleichungsverhältnis; allein wenn so viel Speisen gegeben sind, dass gerade die Hälfte jenes Bedürfnisses dadurch befriedigt wird, so kann ich demnach unmittelbar bestimmen, dass dieses verfügbare Quantum gleich der Hälfte jenes ersteren ist. Unter solchen Umständen genügt
keinen Punkt entdecken lassen, der allgemein überzeugend als ihre Einheit gälte. Dennoch kann der Psychophysiker nach den Ände- rungen der äuſseren Bewegungen, die als Reize unsere Sinnesapparate treffen, die relativen Stärkeänderungen der bewuſsten Empfindungen messen. Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des anderen Faktors ein konstantes Verhältnis besteht, bestimmen die Gröſsen des einen die relativen Gröſsen des anderen, ohne daſs irgend eine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Thatsache seines eigenen Wertes abhängig zu machen schien. Das ist freilich richtig: vergleichen kann man die Quanten verschiedener Objekte nur, wenn sie von einer und derselben Qualität sind; wo also das Messen nur durch unmittelbare Gleichung zwischen zwei Quanten geschehen kann, da setzt es Qualitätsgleichheit voraus. Wo aber eine Änderung, eine Differenz oder das Verhältnis je zweier Quanten gemessen werden soll, da genügt es, daſs die Proportionen der messenden Substanzen sich in denen der gemessenen spiegeln, um diese völlig zu bestimmen, ohne daſs zwischen den Substanzen selbst irgend eine Wesensgleichheit zu bestehen brauchte. Es lassen sich also nicht zwei Dinge gleich setzen, die qualitativ verschieden sind, wohl aber zwei Proportionen zwischen je zwei qualitativ verschiedenen Dingen. Die beiden Objekte m und n mögen in irgend einer Beziehung stehen, die aber absolut nicht die der Qualitätsgleichheit ist, so daſs unmittelbar keine von ihnen zum Maſsstab für die andere dienen kann; die zwischen ihnen be- stehende Beziehung mag die der Ursache und Wirkung, oder der Symbolik, oder des gemeinsamen Verhältnisses zu einem dritten oder was sonst sein. Es sei nun das Objekt a gegeben, von dem ich weiſs, daſs es ¼ m ist; es sei ferner das Objekt b gegeben, von dem man nur weiſs, daſs es irgend ein Teilquantum von n ist. Wenn nun eine Beziehung zwischen a und b entsteht, welche der zwischen m und n entspricht, so folgt daraus, daſs b gleich ¼ n sein muſs. Trotz aller Qualitätsungleichheit und Unmöglichkeit eines direkten Vergleiches zwischen a und b ist es so doch möglich, die Quantität des einen nach der des anderen zu bestimmen. So besteht z. B. zwischen einem gewissen Quantum von Speisen und dem momentanen Nahrungsbedürf- nis, zu dessen völliger Stillung es ausreichen würde, gewiſs kein Gleichungsverhältnis; allein wenn so viel Speisen gegeben sind, daſs gerade die Hälfte jenes Bedürfnisses dadurch befriedigt wird, so kann ich demnach unmittelbar bestimmen, daſs dieses verfügbare Quantum gleich der Hälfte jenes ersteren ist. Unter solchen Umständen genügt
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keinen Punkt entdecken lassen, der allgemein überzeugend als ihre
Einheit gälte. Dennoch kann der Psychophysiker nach den Ände-
rungen der äuſseren Bewegungen, die als Reize unsere Sinnesapparate
treffen, die relativen Stärkeänderungen der bewuſsten Empfindungen
messen. Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des
anderen Faktors ein konstantes Verhältnis besteht, bestimmen
die Gröſsen des einen die relativen Gröſsen des anderen, ohne daſs
irgend eine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu
existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das
die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Thatsache seines
eigenen Wertes abhängig zu machen schien. Das ist freilich richtig:
vergleichen kann man die Quanten verschiedener Objekte nur, wenn
sie von einer und derselben Qualität sind; wo also das Messen nur
durch unmittelbare Gleichung zwischen zwei Quanten geschehen
kann, da setzt es Qualitätsgleichheit voraus. Wo aber eine Änderung,
eine Differenz oder das Verhältnis je zweier Quanten gemessen werden
soll, da genügt es, daſs die Proportionen der messenden Substanzen
sich in denen der gemessenen spiegeln, um diese völlig zu bestimmen,
ohne daſs zwischen den Substanzen selbst irgend eine Wesensgleichheit
zu bestehen brauchte. Es lassen sich also nicht zwei Dinge gleich
setzen, die qualitativ verschieden sind, wohl aber zwei Proportionen
zwischen je zwei qualitativ verschiedenen Dingen. Die beiden Objekte
m und n mögen in irgend einer Beziehung stehen, die aber absolut
nicht die der Qualitätsgleichheit ist, so daſs unmittelbar keine von ihnen
zum Maſsstab für die andere dienen kann; die zwischen ihnen be-
stehende Beziehung mag die der Ursache und Wirkung, oder der Symbolik,
oder des gemeinsamen Verhältnisses zu einem dritten oder was sonst
sein. Es sei nun das Objekt a gegeben, von dem ich weiſs, daſs es
¼ m ist; es sei ferner das Objekt b gegeben, von dem man nur
weiſs, daſs es irgend ein Teilquantum von n ist. Wenn nun eine
Beziehung zwischen a und b entsteht, welche der zwischen m und n
entspricht, so folgt daraus, daſs b gleich ¼ n sein muſs. Trotz aller
Qualitätsungleichheit und Unmöglichkeit eines direkten Vergleiches
zwischen a und b ist es so doch möglich, die Quantität des einen
nach der des anderen zu bestimmen. So besteht z. B. zwischen einem
gewissen Quantum von Speisen und dem momentanen Nahrungsbedürf-
nis, zu dessen völliger Stillung es ausreichen würde, gewiſs kein
Gleichungsverhältnis; allein wenn so viel Speisen gegeben sind, daſs
gerade die Hälfte jenes Bedürfnisses dadurch befriedigt wird, so kann
ich demnach unmittelbar bestimmen, daſs dieses verfügbare Quantum
gleich der Hälfte jenes ersteren ist. Unter solchen Umständen genügt
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/114>, abgerufen am 21.11.2024.
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