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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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gemeinsamen Eigenschaft, in der Reaktion erblicken wollte, die das
empfindende Subjekt an die Gegenstände knüpft; wenn die Schönheit
des Gebäudes und die Schönheit des Menschen vergleichbar sein
sollen nach dem Mass von Beglückung, das wir bei der Betrachtung
des einen und der des anderen empfinden: so würde auch hier, unter
abweichendem Scheine, eine Gleichheit von Qualitäten ausgesprochen
sein. Denn die Gleichheit der Wirkung, an demselben Subjekt
hervortretend
, bedeutet unmittelbar die Gleichheit der Objekte in
der hier fraglichen Beziehung Zwei völlig verschiedene Er-
scheinungen, die demselben Subjekt die gleiche Freude bereiten, haben
unter aller ihrer Verschiedenheit eine Gleichheit der Kraft oder des
Verhältnisses zu jenem Subjekt, wie ein Windstoss und eine mensch-
liche Hand, wenn sie beide einen Baumzweig brechen, unter aller Un-
vergleichbarkeit ihrer Qualitäten, dennoch eine Gleichheit der Energie
beweisen. So mag der Geldstoff und alles, dessen Wert man mit ihm
misst, einander noch so unähnlich sein, aber in dem Punkte, dass beide
Wert haben, müssen sie übereinstimmen; und selbst wenn der Wert
überhaupt nichts anderes ist, als ein subjektives Fühlen, mit dem wir
auf die Eindrücke der Dinge antworten, so muss wenigstens diejenige --
wenngleich nicht isolierbare -- Qualität, durch welche sie überhaupt
sozusagen auf den Wertsinn der Menschen wirken, bei beiden dieselbe
sein. So soll wegen der Thatsache, dass es mit Werten verglichen
wird, d. h. in eine quantitative Gleichung mit ihnen eintritt, das Geld
die Wertqualität nicht entbehren können.

Dieser Überlegungsreihe stelle ich eine andere mit abweichendem
Resultate gegenüber. Wir können allerdings in dem obigen Beispiel die
Kraft des Windes, der den Baumzweig bricht, mit der der Hand, die
dasselbe thut, nur insofern vergleichen, als diese Kraft in beiden quali-
tativ gleich vorhanden ist. Allein wir können die Kraft des Windes
auch an der Dicke des Zweiges messen, den er geknickt hat. Zwar
drückt der geknickte Zweig nicht an und für sich schon das Energie-
quantum des Windes in demselben Sinne aus, wie der Kraftaufwand
der Hand es ausdrücken mag; allein das Stärkeverhältnis zwischen
zwei Windstössen und damit die relative Stärke des einzelnen ist wohl
daran zu messen, dass der eine einen Zweig zerbrochen hat, den der
andere noch nicht verletzen konnte. Und ganz entscheidend scheint
mir das folgende Beispiel. Die ungleichartigsten Objekte, die wir
überhaupt kennen, die Pole des Weltbildes, die aufeinander zu redu-
zieren weder der Metaphysik noch der Naturwissenschaft gelungen ist --
sind materielle Bewegungen und Bewusstseinserscheinungen. Die reine
Extensität der einen, die reine Intensität der anderen haben bisher

gemeinsamen Eigenschaft, in der Reaktion erblicken wollte, die das
empfindende Subjekt an die Gegenstände knüpft; wenn die Schönheit
des Gebäudes und die Schönheit des Menschen vergleichbar sein
sollen nach dem Maſs von Beglückung, das wir bei der Betrachtung
des einen und der des anderen empfinden: so würde auch hier, unter
abweichendem Scheine, eine Gleichheit von Qualitäten ausgesprochen
sein. Denn die Gleichheit der Wirkung, an demselben Subjekt
hervortretend
, bedeutet unmittelbar die Gleichheit der Objekte in
der hier fraglichen Beziehung Zwei völlig verschiedene Er-
scheinungen, die demselben Subjekt die gleiche Freude bereiten, haben
unter aller ihrer Verschiedenheit eine Gleichheit der Kraft oder des
Verhältnisses zu jenem Subjekt, wie ein Windstoſs und eine mensch-
liche Hand, wenn sie beide einen Baumzweig brechen, unter aller Un-
vergleichbarkeit ihrer Qualitäten, dennoch eine Gleichheit der Energie
beweisen. So mag der Geldstoff und alles, dessen Wert man mit ihm
miſst, einander noch so unähnlich sein, aber in dem Punkte, daſs beide
Wert haben, müssen sie übereinstimmen; und selbst wenn der Wert
überhaupt nichts anderes ist, als ein subjektives Fühlen, mit dem wir
auf die Eindrücke der Dinge antworten, so muſs wenigstens diejenige —
wenngleich nicht isolierbare — Qualität, durch welche sie überhaupt
sozusagen auf den Wertsinn der Menschen wirken, bei beiden dieselbe
sein. So soll wegen der Thatsache, daſs es mit Werten verglichen
wird, d. h. in eine quantitative Gleichung mit ihnen eintritt, das Geld
die Wertqualität nicht entbehren können.

Dieser Überlegungsreihe stelle ich eine andere mit abweichendem
Resultate gegenüber. Wir können allerdings in dem obigen Beispiel die
Kraft des Windes, der den Baumzweig bricht, mit der der Hand, die
dasselbe thut, nur insofern vergleichen, als diese Kraft in beiden quali-
tativ gleich vorhanden ist. Allein wir können die Kraft des Windes
auch an der Dicke des Zweiges messen, den er geknickt hat. Zwar
drückt der geknickte Zweig nicht an und für sich schon das Energie-
quantum des Windes in demselben Sinne aus, wie der Kraftaufwand
der Hand es ausdrücken mag; allein das Stärkeverhältnis zwischen
zwei Windstöſsen und damit die relative Stärke des einzelnen ist wohl
daran zu messen, daſs der eine einen Zweig zerbrochen hat, den der
andere noch nicht verletzen konnte. Und ganz entscheidend scheint
mir das folgende Beispiel. Die ungleichartigsten Objekte, die wir
überhaupt kennen, die Pole des Weltbildes, die aufeinander zu redu-
zieren weder der Metaphysik noch der Naturwissenschaft gelungen ist —
sind materielle Bewegungen und Bewuſstseinserscheinungen. Die reine
Extensität der einen, die reine Intensität der anderen haben bisher

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[89/0113] gemeinsamen Eigenschaft, in der Reaktion erblicken wollte, die das empfindende Subjekt an die Gegenstände knüpft; wenn die Schönheit des Gebäudes und die Schönheit des Menschen vergleichbar sein sollen nach dem Maſs von Beglückung, das wir bei der Betrachtung des einen und der des anderen empfinden: so würde auch hier, unter abweichendem Scheine, eine Gleichheit von Qualitäten ausgesprochen sein. Denn die Gleichheit der Wirkung, an demselben Subjekt hervortretend, bedeutet unmittelbar die Gleichheit der Objekte in der hier fraglichen Beziehung Zwei völlig verschiedene Er- scheinungen, die demselben Subjekt die gleiche Freude bereiten, haben unter aller ihrer Verschiedenheit eine Gleichheit der Kraft oder des Verhältnisses zu jenem Subjekt, wie ein Windstoſs und eine mensch- liche Hand, wenn sie beide einen Baumzweig brechen, unter aller Un- vergleichbarkeit ihrer Qualitäten, dennoch eine Gleichheit der Energie beweisen. So mag der Geldstoff und alles, dessen Wert man mit ihm miſst, einander noch so unähnlich sein, aber in dem Punkte, daſs beide Wert haben, müssen sie übereinstimmen; und selbst wenn der Wert überhaupt nichts anderes ist, als ein subjektives Fühlen, mit dem wir auf die Eindrücke der Dinge antworten, so muſs wenigstens diejenige — wenngleich nicht isolierbare — Qualität, durch welche sie überhaupt sozusagen auf den Wertsinn der Menschen wirken, bei beiden dieselbe sein. So soll wegen der Thatsache, daſs es mit Werten verglichen wird, d. h. in eine quantitative Gleichung mit ihnen eintritt, das Geld die Wertqualität nicht entbehren können. Dieser Überlegungsreihe stelle ich eine andere mit abweichendem Resultate gegenüber. Wir können allerdings in dem obigen Beispiel die Kraft des Windes, der den Baumzweig bricht, mit der der Hand, die dasselbe thut, nur insofern vergleichen, als diese Kraft in beiden quali- tativ gleich vorhanden ist. Allein wir können die Kraft des Windes auch an der Dicke des Zweiges messen, den er geknickt hat. Zwar drückt der geknickte Zweig nicht an und für sich schon das Energie- quantum des Windes in demselben Sinne aus, wie der Kraftaufwand der Hand es ausdrücken mag; allein das Stärkeverhältnis zwischen zwei Windstöſsen und damit die relative Stärke des einzelnen ist wohl daran zu messen, daſs der eine einen Zweig zerbrochen hat, den der andere noch nicht verletzen konnte. Und ganz entscheidend scheint mir das folgende Beispiel. Die ungleichartigsten Objekte, die wir überhaupt kennen, die Pole des Weltbildes, die aufeinander zu redu- zieren weder der Metaphysik noch der Naturwissenschaft gelungen ist — sind materielle Bewegungen und Bewuſstseinserscheinungen. Die reine Extensität der einen, die reine Intensität der anderen haben bisher

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/113>, abgerufen am 20.04.2024.