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Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675.

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Geistr. Sinn- und schlußr.
152. Was ein Heiliger hat/ das ist der
andern auch.
Was hier die Heiligen mit grosser müh erlangt/
Wird in der Seeligkeit mir alls umb sonst geschankt.
153. Ein jeder im Himmel freuet sich ob
dem andern.
Der gröste Heilige wird sich so hoch erfreun
Ob mir; als sehr ob jhm ich werde frölich seyn.
154. Wer friede sucht muß vil übers[e]hn.
Mensch wenn du so genau das deine wilt beschützen/
So wirstu nimmermehr im wahren friede sitzen.
155. Christus ist der erste und letzte Mensch.
Der erst und letzte Mensch ist Christus selbst allein/
Weil all'auß jhm entstehn/ in jhm beschlossen seyn.
156. Wer viel begehrt dem mangelt vil.
Wer gnugsam reich/ hat alls. Wer viel begehrt und wil/
Der giebet zu verstehn daß jhm noch mangeit viel.
157. Der Reiche ist wahrhafftig arm.
Der Reiche wann er viel von seiner Armuth spricht/
So glaub es ihm nur gern: er leugt warhafftig nicht.
158. Die abgestorbenheit ist eine Wittib.
Die abgestorbenheit muß eine Wittib seyn;
Denn sie hat keinen Mann/ und gehet stäts allein.
159. Das Leiden Christi ist noch nicht gar
vollbracht.
Das Leiden Christi ist am Creutz nicht gar vollbracht:
Er leidet heute noch bey Tag und auch bey Nacht.
160. Der
Geiſtr. Sinn- und ſchlußr.
152. Was ein Heiliger hat/ das iſt der
andern auch.
Was hier die Heiligen mit groſſer muͤh erlangt/
Wird in der Seeligkeit mir alls umb ſonſt geſchankt.
153. Ein jeder im Himmel freuet ſich ob
dem andern.
Der groͤſte Heilige wird ſich ſo hoch erfreun
Ob mir; als ſehr ob jhm ich werde froͤlich ſeyn.
154. Wer friede ſucht muß vil uͤberſ[e]hn.
Menſch wenn du ſo genau das deine wilt beſchuͤtzen/
So wirſtu nimmermehr im wahren friede ſitzen.
155. Chriſtus iſt der erſte und letzte Menſch.
Der erſt und letzte Menſch iſt Chriſtus ſelbſt allein/
Weil all’auß jhm entſtehn/ in jhm beſchloſſen ſeyn.
156. Wer viel begehrt dem mangelt vil.
Wer gnugſam reich/ hat alls. Wer viel begehrt und wil/
Der giebet zu verſtehn daß jhm noch mangeit viel.
157. Der Reiche iſt wahrhafftig arm.
Der Reiche wann er viel von ſeiner Armuth ſpricht/
So glaub es ihm nur gern: er leugt warhafftig nicht.
158. Die abgeſtorbenheit iſt eine Wittib.
Die abgeſtorbenheit muß eine Wittib ſeyn;
Denn ſie hat keinen Mann/ und gehet ſtaͤts allein.
159. Das Leiden Chriſti iſt noch nicht gar
vollbracht.
Das Leiden Chriſti iſt am Creutz nicht gar vollbracht:
Er leidet heute noch bey Tag und auch bey Nacht.
160. Der
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[194[183]/0189] Geiſtr. Sinn-und ſchlußr. 152. Was ein Heiliger hat/ das iſt der andern auch. Was hier die Heiligen mit groſſer muͤh erlangt/ Wird in der Seeligkeit mir alls umb ſonſt geſchankt. 153. Ein jeder im Himmel freuet ſich ob dem andern. Der groͤſte Heilige wird ſich ſo hoch erfreun Ob mir; als ſehr ob jhm ich werde froͤlich ſeyn. 154. Wer friede ſucht muß vil uͤberſehn. Menſch wenn du ſo genau das deine wilt beſchuͤtzen/ So wirſtu nimmermehr im wahren friede ſitzen. 155. Chriſtus iſt der erſte und letzte Menſch. Der erſt und letzte Menſch iſt Chriſtus ſelbſt allein/ Weil all’auß jhm entſtehn/ in jhm beſchloſſen ſeyn. 156. Wer viel begehrt dem mangelt vil. Wer gnugſam reich/ hat alls. Wer viel begehrt und wil/ Der giebet zu verſtehn daß jhm noch mangeit viel. 157. Der Reiche iſt wahrhafftig arm. Der Reiche wann er viel von ſeiner Armuth ſpricht/ So glaub es ihm nur gern: er leugt warhafftig nicht. 158. Die abgeſtorbenheit iſt eine Wittib. Die abgeſtorbenheit muß eine Wittib ſeyn; Denn ſie hat keinen Mann/ und gehet ſtaͤts allein. 159. Das Leiden Chriſti iſt noch nicht gar vollbracht. Das Leiden Chriſti iſt am Creutz nicht gar vollbracht: Er leidet heute noch bey Tag und auch bey Nacht. 160. Der

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Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675, S. 194[183]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675/189>, abgerufen am 27.04.2024.