Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.Fünfftes Buch. 344. Die Armuth ist im Geist. Die Armut steht im Geist: ich kan ein Kaiser werden/ Und doch so Arm sein/ als ein Heiliger auf Erden. 345. Wer inn Wunden Christi wohnt. Der Geist der voller Freud' in Leiden wird gefunden/ Und ruhe hat in Pein/ der wohnt in Christi Wunden. 346. Den Kindern gebühret Milch. Den Männern giebet GOtt zu trinken starken Wein: Dieweil du noch ein Kind/ flöst Er dir süsses ein. 347. Wer eine tieffe mit GOtt. Der Geist/ der nunmehr ist mit Gott ein Einges Ein/ Muß eben solcher Höh'/ und solcher tieffe sein. 348. Wie GOtt zumessen. Unmeßlich ist zwar Gott: jedoch kanstu Jhn messen/ Wo du mein Hertze mißt: denn's ist von Jhm besessen. 349. Du must der Gnade Lufft machen. Räum weg/ und mache Lufft: daß Fünklein ligt in dir: Du flammest es leicht auf mit heilger Liebsbegiehr. 350. Du must dich selbst ermuntern. Mein Christ du must dich selbst durch GOtt vom Schlaf erwekken: Ermunterst du dich nicht/ du bleibst im Traume stekken. 351. Jm jnnern sind alle Sinnen ein Sinn. Die Sinnen sind im Geist all' ein Sinn und gebrauch: Wer GOtt beschaut/ der schmäkt/ fühlt/ reucht/ und hört Jhn auch. 352. Was daß süsseste und seeligste. Nichts süssers ist als Gott ein Menschen Kind zusehn: Richts Seelgers als in sich fühln die Geburt ge- schehn. 353. Daß
Fuͤnfftes Buch. 344. Die Armuth iſt im Geiſt. Die Armut ſteht im Geiſt: ich kan ein Kaiſer werden/ Und doch ſo Arm ſein/ als ein Heiliger auf Erden. 345. Wer inn Wunden Chriſti wohnt. Der Geiſt der voller Freud’ in Leiden wird gefundẽ/ Und ruhe hat in Pein/ der wohnt in Chriſti Wundẽ. 346. Den Kindern gebuͤhret Milch. Den Maͤnnern giebet GOtt zu trinken ſtarken Wein: Dieweil du noch ein Kind/ floͤſt Er dir ſüſſes ein. 347. Wer eine tieffe mit GOtt. Der Geiſt/ der nunmehr iſt mit Gott ein Einges Ein/ Muß eben ſolcher Hoͤh’/ und ſolcher tieffe ſein. 348. Wie GOtt zumeſſen. Unmeßlich iſt zwar Gott: jedoch kanſtu Jhn meſſen/ Wo du mein Hertze mißt: denn’s iſt von Jhm beſeſſẽ. 349. Du muſt der Gnade Lufft machen. Raͤum weg/ uñ mache Lufft: daß Fuͤnklein ligt in dir: Du flammeſt es leicht auf mit heilger Liebsbegiehr. 350. Du muſt dich ſelbſt ermuntern. Mein Chriſt du muſt dich ſelbſt durch GOtt vom Schlaf erwekken: Ermunterſt du dich nicht/ du bleibſt im Traume ſtekkẽ. 351. Jm jñern ſind alle Siñen ein Siñ. Die Sinnen ſind im Geiſt all’ ein Sinn uñ gebrauch: Wer GOtt beſchaut/ der ſchmaͤkt/ fuͤhlt/ reucht/ und hoͤrt Jhn auch. 352. Was daß ſuͤſſeſte und ſeeligſte. Nichts ſüſſers iſt als Gott ein Menſchen Kind zuſehn: Richts Seelgers als in ſich fuͤhln die Geburt ge- ſchehn. 353. Daß
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Fuͤnfftes Buch.
344. Die Armuth iſt im Geiſt.
Die Armut ſteht im Geiſt: ich kan ein Kaiſer werden/
Und doch ſo Arm ſein/ als ein Heiliger auf Erden.
345. Wer inn Wunden Chriſti wohnt.
Der Geiſt der voller Freud’ in Leiden wird gefundẽ/
Und ruhe hat in Pein/ der wohnt in Chriſti Wundẽ.
346. Den Kindern gebuͤhret Milch.
Den Maͤnnern giebet GOtt zu trinken ſtarken Wein:
Dieweil du noch ein Kind/ floͤſt Er dir ſüſſes ein.
347. Wer eine tieffe mit GOtt.
Der Geiſt/ der nunmehr iſt mit Gott ein Einges Ein/
Muß eben ſolcher Hoͤh’/ und ſolcher tieffe ſein.
348. Wie GOtt zumeſſen.
Unmeßlich iſt zwar Gott: jedoch kanſtu Jhn meſſen/
Wo du mein Hertze mißt: denn’s iſt von Jhm beſeſſẽ.
349. Du muſt der Gnade Lufft machen.
Raͤum weg/ uñ mache Lufft: daß Fuͤnklein ligt in dir:
Du flammeſt es leicht auf mit heilger Liebsbegiehr.
350. Du muſt dich ſelbſt ermuntern.
Mein Chriſt du muſt dich ſelbſt durch GOtt vom
Schlaf erwekken:
Ermunterſt du dich nicht/ du bleibſt im Traume ſtekkẽ.
351. Jm jñern ſind alle Siñen ein Siñ.
Die Sinnen ſind im Geiſt all’ ein Sinn uñ gebrauch:
Wer GOtt beſchaut/ der ſchmaͤkt/ fuͤhlt/ reucht/ und
hoͤrt Jhn auch.
352. Was daß ſuͤſſeſte und ſeeligſte.
Nichts ſüſſers iſt als Gott ein Menſchen Kind zuſehn:
Richts Seelgers als in ſich fuͤhln die Geburt ge-
ſchehn.
353. Daß
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Zitationshilfe: | Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 189[186]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/193>, abgerufen am 16.02.2025. |