Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.

Bild:
<< vorherige Seite
Johannis Angeli
78. Warumb wenig zur Thür deß Lebens
eingehn.
Daß nach der Himmelthür so wenig Menschen greiffen!
Es wil jhm keiner dran den alten Balg abstreiffen.
79. Am Creutz am sichersten.
Man ligt am seeligsten in Leyden Creutz und Pein:
Wo aber sind die gern auf disem Bette sein?
80. Die armut ist am reichsten.
Die Armuth ist ein Schatz dem keine Schätze gleichen:
Der ärmste Mensch im Geist hat mehr als alle Reichen.
81. Jm Reinen erscheinet Gott.
Mensch denkstu Gott zuschaun/ dort oder hier auf
Erden:
So muß dein Hertz zu vorein reiner Spiegel werden.
82. Am Creutz ist die lieb' am Liebsten.
Sag wo die Liebe wird am liebesten gefunden?
Am Creutz/ wenn sie umb deß geliebten willn gebunden.
83. Freud' und Leid beysamen.
Ein Christ erfreuet sich in Leyden Creutz und Pein:
So kan ja freud' und Leyd gar wol bey sammen sein.
84. Eins wissen hat den Preyß.
Viel wissen blähet auf: dem geb ich lob und preyß/
Der den Gekreutzigen in seiner Seele weiß.
85. Wer nichts weiß/ ist geruhig.
Hätt' Adam nie vom Baum der wissenschafften gessen'
Er wär' im Paradeiß in ewger Ruh gesessen.
86. Der Schöpffer im Geschöpffe.
Die Schöpffung ist ein Buch: Wer's weißlich lesen
kan:
Dem wird darinn gar fein der Schöpffer kundt gethan.
87. Eins
Johannis Angeli
78. Warumb wenig zur Thuͤr deß Lebens
eingehn.
Daß nach der Him̃elthuͤr ſo wenig Menſchen greiffen!
Es wil jhm keiner dran den alten Balg abſtreiffen.
79. Am Creutz am ſicherſten.
Man ligt am ſeeligſten in Leyden Creutz und Pein:
Wo aber ſind die gern auf diſem Bette ſein?
80. Die armut iſt am reichſten.
Die Armuth iſt ein Schatz dem keine Schaͤtze gleichen:
Der aͤrmſte Menſch im Geiſt hat mehr als alle Reichẽ.
81. Jm Reinen erſcheinet Gott.
Menſch denkſtu Gott zuſchaun/ dort oder hier auf
Erden:
So muß dein Hertz zu vorein reiner Spiegel werden.
82. Am Creutz iſt die lieb’ am Liebſten.
Sag wo die Liebe wird am liebeſten gefunden?
Am Creutz/ wenn ſie umb deß geliebten willn gebundẽ.
83. Freud’ und Leid beyſamen.
Ein Chriſt erfreuet ſich in Leyden Creutz und Pein:
So kan ja freud’ und Leyd gar wol bey ſammen ſein.
84. Eins wiſſen hat den Preyß.
Viel wiſſen blaͤhet auf: dem geb ich lob und preyß/
Der den Gekreutzigen in ſeiner Seele weiß.
85. Wer nichts weiß/ iſt geruhig.
Haͤtt’ Adam nie vom Baum der wiſſenſchafftẽ geſſen’
Er waͤr’ im Paradeiß in ewger Ruh geſeſſen.
86. Der Schoͤpffer im Geſchoͤpffe.
Die Schoͤpffung iſt ein Buch: Wer’s weißlich leſen
kan:
Dem wird dariñ gar fein der Schoͤpffer kundt gethan.
87. Eins
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0162" n="158[156]"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Johannis Angeli</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">78. Warumb wenig zur Thu&#x0364;r deß Lebens<lb/>
eingehn.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Daß nach der Him&#x0303;elthu&#x0364;r &#x017F;o wenig Men&#x017F;chen greiffen!</l><lb/>
            <l>Es wil jhm keiner dran den alten Balg ab&#x017F;treiffen.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">79. Am Creutz am &#x017F;icher&#x017F;ten.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Man ligt am &#x017F;eelig&#x017F;ten in Leyden Creutz und Pein:</l><lb/>
            <l>Wo aber &#x017F;ind die gern auf di&#x017F;em Bette &#x017F;ein?</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">80. Die armut i&#x017F;t am reich&#x017F;ten.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Die Armuth i&#x017F;t ein Schatz dem keine Scha&#x0364;tze gleichen:</l><lb/>
            <l>Der a&#x0364;rm&#x017F;te Men&#x017F;ch im Gei&#x017F;t hat mehr als alle Reiche&#x0303;.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">81. Jm Reinen er&#x017F;cheinet Gott.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Men&#x017F;ch denk&#x017F;tu Gott zu&#x017F;chaun/ dort oder hier auf</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Erden:</hi> </l><lb/>
            <l>So muß dein Hertz zu vorein reiner Spiegel werden.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">82. Am Creutz i&#x017F;t die lieb&#x2019; am Lieb&#x017F;ten.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Sag wo die Liebe wird am liebe&#x017F;ten gefunden?</l><lb/>
            <l>Am Creutz/ wenn &#x017F;ie umb deß geliebten willn gebunde&#x0303;.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">83. Freud&#x2019; und Leid bey&#x017F;amen.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Ein Chri&#x017F;t erfreuet &#x017F;ich in Leyden Creutz und Pein:</l><lb/>
            <l>So kan ja freud&#x2019; und Leyd gar wol bey &#x017F;ammen &#x017F;ein.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">84. Eins wi&#x017F;&#x017F;en hat den Preyß.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Viel wi&#x017F;&#x017F;en bla&#x0364;het auf: dem geb ich lob und preyß/</l><lb/>
            <l>Der den Gekreutzigen in &#x017F;einer Seele weiß.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">85. Wer nichts weiß/ i&#x017F;t geruhig.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Ha&#x0364;tt&#x2019; Adam nie vom Baum der wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaffte&#x0303; ge&#x017F;&#x017F;en&#x2019;</l><lb/>
            <l>Er wa&#x0364;r&#x2019; im Paradeiß in ewger Ruh ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">86. Der Scho&#x0364;pffer im Ge&#x017F;cho&#x0364;pffe.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Die Scho&#x0364;pffung i&#x017F;t ein Buch: Wer&#x2019;s weißlich le&#x017F;en</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">kan:</hi> </l><lb/>
            <l>Dem wird darin&#x0303; gar fein der Scho&#x0364;pffer kundt gethan.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">87. Eins</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158[156]/0162] Johannis Angeli 78. Warumb wenig zur Thuͤr deß Lebens eingehn. Daß nach der Him̃elthuͤr ſo wenig Menſchen greiffen! Es wil jhm keiner dran den alten Balg abſtreiffen. 79. Am Creutz am ſicherſten. Man ligt am ſeeligſten in Leyden Creutz und Pein: Wo aber ſind die gern auf diſem Bette ſein? 80. Die armut iſt am reichſten. Die Armuth iſt ein Schatz dem keine Schaͤtze gleichen: Der aͤrmſte Menſch im Geiſt hat mehr als alle Reichẽ. 81. Jm Reinen erſcheinet Gott. Menſch denkſtu Gott zuſchaun/ dort oder hier auf Erden: So muß dein Hertz zu vorein reiner Spiegel werden. 82. Am Creutz iſt die lieb’ am Liebſten. Sag wo die Liebe wird am liebeſten gefunden? Am Creutz/ wenn ſie umb deß geliebten willn gebundẽ. 83. Freud’ und Leid beyſamen. Ein Chriſt erfreuet ſich in Leyden Creutz und Pein: So kan ja freud’ und Leyd gar wol bey ſammen ſein. 84. Eins wiſſen hat den Preyß. Viel wiſſen blaͤhet auf: dem geb ich lob und preyß/ Der den Gekreutzigen in ſeiner Seele weiß. 85. Wer nichts weiß/ iſt geruhig. Haͤtt’ Adam nie vom Baum der wiſſenſchafftẽ geſſen’ Er waͤr’ im Paradeiß in ewger Ruh geſeſſen. 86. Der Schoͤpffer im Geſchoͤpffe. Die Schoͤpffung iſt ein Buch: Wer’s weißlich leſen kan: Dem wird dariñ gar fein der Schoͤpffer kundt gethan. 87. Eins

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk erschien 1675 in einer zweiten, um ei… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/162
Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 158[156]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/162>, abgerufen am 18.12.2024.