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Ernst, George: Das Training des Trabers. Wien, 1883.

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Aeussersten anzuspannen, aber ersetzen
kann sie die Ausdauer nie. Häufig hört
man auch sagen: "Schnelligkeit ersetzt Aus-
dauer", doch dies streift schon nahe an
Unsinn. Freilich solange ein sehr schnelles
Pferd nur gegen ein viel langsameres, wenn
auch ausdauernderes zu kämpfen hat, wird
sich ein Mangel an Ausdauer nicht so sehr
fühlbar machen, der einem halbwegs gleich
schnellen Pferde gegenüber sofort schwer
in die Wagschale fällt. Die Fähigkeit, mo-
mentan eine grosse Schnelligkeit zu ent-
wickeln, ist aber von einem anderen Ge-
sichtspunkte aus sehr wichtig; sie befähigt
ein Pferd, gleich vom Start weg vorzugehen,
den Theil der Bahn zu nehmen, der ihm
am besten zusagt und das andere Pferd
dadurch zu entmuthigen und aufzureiben.
Wenige Pferde haben das nöthige Herz
und Temperament, um hinter einem anderen
in ihrer grössten Schnelligkeit zu gehen,
ohne in Galopp zu fallen. Darum kann
selbst ein sehr ausdauerndes und zähes
Pferd einspringen, wenn es vom Start weg
gleich zurückgelassen wird; ist dann der
Fahrer gezwungen, es zu verhalten, so kann
das andere Pferd gleich einen solchen Vor-
sprung gewinnen, dass es dem ausdauernden

Aeussersten anzuspannen, aber ersetzen
kann sie die Ausdauer nie. Häufig hört
man auch sagen: „Schnelligkeit ersetzt Aus-
dauer“, doch dies streift schon nahe an
Unsinn. Freilich solange ein sehr schnelles
Pferd nur gegen ein viel langsameres, wenn
auch ausdauernderes zu kämpfen hat, wird
sich ein Mangel an Ausdauer nicht so sehr
fühlbar machen, der einem halbwegs gleich
schnellen Pferde gegenüber sofort schwer
in die Wagschale fällt. Die Fähigkeit, mo-
mentan eine grosse Schnelligkeit zu ent-
wickeln, ist aber von einem anderen Ge-
sichtspunkte aus sehr wichtig; sie befähigt
ein Pferd, gleich vom Start weg vorzugehen,
den Theil der Bahn zu nehmen, der ihm
am besten zusagt und das andere Pferd
dadurch zu entmuthigen und aufzureiben.
Wenige Pferde haben das nöthige Herz
und Temperament, um hinter einem anderen
in ihrer grössten Schnelligkeit zu gehen,
ohne in Galopp zu fallen. Darum kann
selbst ein sehr ausdauerndes und zähes
Pferd einspringen, wenn es vom Start weg
gleich zurückgelassen wird; ist dann der
Fahrer gezwungen, es zu verhalten, so kann
das andere Pferd gleich einen solchen Vor-
sprung gewinnen, dass es dem ausdauernden

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[119/0135] Aeussersten anzuspannen, aber ersetzen kann sie die Ausdauer nie. Häufig hört man auch sagen: „Schnelligkeit ersetzt Aus- dauer“, doch dies streift schon nahe an Unsinn. Freilich solange ein sehr schnelles Pferd nur gegen ein viel langsameres, wenn auch ausdauernderes zu kämpfen hat, wird sich ein Mangel an Ausdauer nicht so sehr fühlbar machen, der einem halbwegs gleich schnellen Pferde gegenüber sofort schwer in die Wagschale fällt. Die Fähigkeit, mo- mentan eine grosse Schnelligkeit zu ent- wickeln, ist aber von einem anderen Ge- sichtspunkte aus sehr wichtig; sie befähigt ein Pferd, gleich vom Start weg vorzugehen, den Theil der Bahn zu nehmen, der ihm am besten zusagt und das andere Pferd dadurch zu entmuthigen und aufzureiben. Wenige Pferde haben das nöthige Herz und Temperament, um hinter einem anderen in ihrer grössten Schnelligkeit zu gehen, ohne in Galopp zu fallen. Darum kann selbst ein sehr ausdauerndes und zähes Pferd einspringen, wenn es vom Start weg gleich zurückgelassen wird; ist dann der Fahrer gezwungen, es zu verhalten, so kann das andere Pferd gleich einen solchen Vor- sprung gewinnen, dass es dem ausdauernden

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Zitationshilfe: Ernst, George: Das Training des Trabers. Wien, 1883, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silberer_traber_1883/135>, abgerufen am 28.04.2024.