Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.aus Sibirien. welchen die Einwohuer kein Mittel kenuen, muß ich nocheiner besonderen Brannteweins Destillirerey erwähnen, die bey den hiesigen Bauern gänge und gebe ist und wo- durch sie Gelegenheit erhalten sich an hohen Festtagen eben so lustig zu machen, wie die Rheinbewohner an ih- rem schönen Wein. Ein Weib gießet auf ein Pud Ro- ckenmehl die gehörige Menge heiß Wasser, setzet diesem zum Gähren das dicke Nachbleibsel vom Bierkochen und etwas Hopfen zu und läßt das Ganze nun gähren, wel- ches binnen 24 Stunden beendiget ist. Nun wird hie- von ein großer eiserner Grapen angefüllt, ein hölzerner, weiter 2 Fuß hoher oben engerer Cylinder mit Teig dar- auf gekleistert, auf diesen ein mit kaltem Wasser angefülle- ter Kessel, anstatt Refrigeratorium, gleichfalls verschmiert und angefeuert. Ueber den Rand des eisernen Grapens ist in dem hölzernen Cylinder eine offne Röhre angebracht, wodurch nun der Geist in eine untergesetzte Schale ab- läuft. Das Wasser im Refrigeratorio wird oft mit kal- tem verwechselt. Hieraus erhält der Bauer nun einige Quartiere Getränk, welches frisch verzehrt wird, wobey es dann an weisen Gesprächen nicht fehlt. Den 30. May konnte ich dann meinen Weg wei- er
aus Sibirien. welchen die Einwohuer kein Mittel kenuen, muß ich nocheiner beſonderen Brannteweins Deſtillirerey erwaͤhnen, die bey den hieſigen Bauern gaͤnge und gebe iſt und wo- durch ſie Gelegenheit erhalten ſich an hohen Feſttagen eben ſo luſtig zu machen, wie die Rheinbewohner an ih- rem ſchoͤnen Wein. Ein Weib gießet auf ein Pud Ro- ckenmehl die gehoͤrige Menge heiß Waſſer, ſetzet dieſem zum Gaͤhren das dicke Nachbleibſel vom Bierkochen und etwas Hopfen zu und laͤßt das Ganze nun gaͤhren, wel- ches binnen 24 Stunden beendiget iſt. Nun wird hie- von ein großer eiſerner Grapen angefuͤllt, ein hoͤlzerner, weiter 2 Fuß hoher oben engerer Cylinder mit Teig dar- auf gekleiſtert, auf dieſen ein mit kaltem Waſſer angefuͤlle- ter Keſſel, anſtatt Refrigeratorium, gleichfalls verſchmiert und angefeuert. Ueber den Rand des eiſernen Grapens iſt in dem hoͤlzernen Cylinder eine offne Roͤhre angebracht, wodurch nun der Geiſt in eine untergeſetzte Schale ab- laͤuft. Das Waſſer im Refrigeratorio wird oft mit kal- tem verwechſelt. Hieraus erhaͤlt der Bauer nun einige Quartiere Getraͤnk, welches friſch verzehrt wird, wobey es dann an weiſen Geſpraͤchen nicht fehlt. Den 30. May konnte ich dann meinen Weg wei- er
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aus Sibirien.
welchen die Einwohuer kein Mittel kenuen, muß ich noch
einer beſonderen Brannteweins Deſtillirerey erwaͤhnen,
die bey den hieſigen Bauern gaͤnge und gebe iſt und wo-
durch ſie Gelegenheit erhalten ſich an hohen Feſttagen
eben ſo luſtig zu machen, wie die Rheinbewohner an ih-
rem ſchoͤnen Wein. Ein Weib gießet auf ein Pud Ro-
ckenmehl die gehoͤrige Menge heiß Waſſer, ſetzet dieſem
zum Gaͤhren das dicke Nachbleibſel vom Bierkochen und
etwas Hopfen zu und laͤßt das Ganze nun gaͤhren, wel-
ches binnen 24 Stunden beendiget iſt. Nun wird hie-
von ein großer eiſerner Grapen angefuͤllt, ein hoͤlzerner,
weiter 2 Fuß hoher oben engerer Cylinder mit Teig dar-
auf gekleiſtert, auf dieſen ein mit kaltem Waſſer angefuͤlle-
ter Keſſel, anſtatt Refrigeratorium, gleichfalls verſchmiert
und angefeuert. Ueber den Rand des eiſernen Grapens
iſt in dem hoͤlzernen Cylinder eine offne Roͤhre angebracht,
wodurch nun der Geiſt in eine untergeſetzte Schale ab-
laͤuft. Das Waſſer im Refrigeratorio wird oft mit kal-
tem verwechſelt. Hieraus erhaͤlt der Bauer nun einige
Quartiere Getraͤnk, welches friſch verzehrt wird, wobey
es dann an weiſen Geſpraͤchen nicht fehlt.
Den 30. May konnte ich dann meinen Weg wei-
ter fortſetzen. Vier Werſte weiter von Korotkofskoi
uͤbernachtete ich in einem Doͤrfchen, Bolſchakowa, und
kehrte bey dem Erbauer deſſelben gleiches Namens, ei-
nem Mann von 100 Jahren ein. Dieſer war einer von
vorhin erwaͤhnten reichen Einſiedlern. Ohnerachtet ſei-
nes hohen Alters war er doch noch voller Kraͤfte, raſch
und munter. Einen Ritt von 30 bis 40 Werſt verrichtete
er
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