Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.Sievers Briefe und die hohen Gebirge die alle dick mit Nadelhölzernbesetzt sind und zürnte wieder mit dem Schnee in den Thälern Hier fand ich nun freylich außer Cryptogami- sten, worunter besonders das schöne Polypodium fra- grans, das mir öfters meinen Thee, der nicht der beßte war, verbessern mußte, nichts Merkwürdigers, wie Gentiana aquatica, Lycopodium rupestre, einige vorig- jährige Stengel von der Monotropa Hypopitys, wel- ches seinen schönen Geruch noch bis jetzt erhalten hatte, Berberis sibirica, und eine ungeheure Menge von dem in voller Blüthe stehenden Rhododendro daurico; ver- weilte jedoch hiebey über eine halbe Stunde, und ergötzte mich an dem unbeschreiblich schönen Anblick, den hier Quadrillionenweise auf ein bis drey Ellen hohen Bäum- chens, unter hohen Fichten (Pinus Sylvestris) geöffnete Purpurrothe Blumen gewährten. Auch für die Nase war gesorgt, denn die Atmosphäre duftete wie von Tube- rosen oder Narcissen. Auf den schönen Wiesen blühten Viola pinnata und primulaefolia, Ornithogalum mini- mum, Androsace septemtrionalis, Primula farinosa, Anemone patens, Pulsatilla und pratensis, Iris verna *). Gegen Abend kam ich nach meinem Standquartier, wor- auf es dann auch ganz lustig zu schneyen anfieng und die halbe Nacht anhielt. Ehe ich dieses Dorf verlasse, in welchem ich an den Beinen von drey Bauren recht schlimm aussehende inflammirte eiternde Wunden sah, die der Gordius filiformis oder aquaticus gemacht hatte, wider welchen *) Die Kühe fressen zur Blutreinigung die A. patens, die
Schaafe hingegen die Pulsatilla. Sievers Briefe und die hohen Gebirge die alle dick mit Nadelhoͤlzernbeſetzt ſind und zuͤrnte wieder mit dem Schnee in den Thaͤlern Hier fand ich nun freylich außer Cryptogami- ſten, worunter beſonders das ſchoͤne Polypodium fra- grans, das mir oͤfters meinen Thee, der nicht der beßte war, verbeſſern mußte, nichts Merkwuͤrdigers, wie Gentiana aquatica, Lycopodium rupeſtre, einige vorig- jaͤhrige Stengel von der Monotropa Hypopitys, wel- ches ſeinen ſchoͤnen Geruch noch bis jetzt erhalten hatte, Berberis ſibirica, und eine ungeheure Menge von dem in voller Bluͤthe ſtehenden Rhododendro daurico; ver- weilte jedoch hiebey uͤber eine halbe Stunde, und ergoͤtzte mich an dem unbeſchreiblich ſchoͤnen Anblick, den hier Quadrillionenweiſe auf ein bis drey Ellen hohen Baͤum- chens, unter hohen Fichten (Pinus Sylveſtris) geoͤffnete Purpurrothe Blumen gewaͤhrten. Auch fuͤr die Naſe war geſorgt, denn die Atmoſphaͤre duftete wie von Tube- roſen oder Narciſſen. Auf den ſchoͤnen Wieſen bluͤhten Viola pinnata und primulaefolia, Ornithogalum mini- mum, Androſace ſeptemtrionalis, Primula farinoſa, Anemone patens, Pulſatilla und pratenſis, Iris verna *). Gegen Abend kam ich nach meinem Standquartier, wor- auf es dann auch ganz luſtig zu ſchneyen anfieng und die halbe Nacht anhielt. Ehe ich dieſes Dorf verlaſſe, in welchem ich an den Beinen von drey Bauren recht ſchlimm ausſehende inflammirte eiternde Wunden ſah, die der Gordius filiformis oder aquaticus gemacht hatte, wider welchen *) Die Kuͤhe freſſen zur Blutreinigung die A. patens, die
Schaafe hingegen die Pulſatilla. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0052" n="44"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sievers Briefe</hi></fw><lb/> und die hohen Gebirge die alle dick mit Nadelhoͤlzern<lb/> beſetzt ſind und zuͤrnte wieder mit dem Schnee in den<lb/> Thaͤlern Hier fand ich nun freylich außer Cryptogami-<lb/> ſten, worunter beſonders das ſchoͤne <hi rendition="#aq">Polypodium fra-<lb/> grans,</hi> das mir oͤfters meinen Thee, der nicht der beßte<lb/> war, verbeſſern mußte, nichts Merkwuͤrdigers, wie<lb/><hi rendition="#aq">Gentiana aquatica, Lycopodium rupeſtre,</hi> einige vorig-<lb/> jaͤhrige Stengel von der <hi rendition="#aq">Monotropa Hypopitys,</hi> wel-<lb/> ches ſeinen ſchoͤnen Geruch noch bis jetzt erhalten hatte,<lb/><hi rendition="#aq">Berberis ſibirica,</hi> und eine ungeheure Menge von dem in<lb/> voller Bluͤthe ſtehenden <hi rendition="#aq">Rhododendro daurico;</hi> ver-<lb/> weilte jedoch hiebey uͤber eine halbe Stunde, und ergoͤtzte<lb/> mich an dem unbeſchreiblich ſchoͤnen Anblick, den hier<lb/> Quadrillionenweiſe auf ein bis drey Ellen hohen Baͤum-<lb/> chens, unter hohen Fichten <hi rendition="#aq">(Pinus Sylveſtris)</hi> geoͤffnete<lb/> Purpurrothe Blumen gewaͤhrten. Auch fuͤr die Naſe<lb/> war geſorgt, denn die Atmoſphaͤre duftete wie von Tube-<lb/> roſen oder Narciſſen. Auf den ſchoͤnen Wieſen bluͤhten<lb/><hi rendition="#aq">Viola pinnata</hi> und <hi rendition="#aq">primulaefolia, Ornithogalum mini-<lb/> mum, Androſace ſeptemtrionalis, Primula farinoſa,<lb/> Anemone patens, Pulſatilla</hi> und <hi rendition="#aq">pratenſis, Iris verna</hi> <note place="foot" n="*)">Die Kuͤhe freſſen zur Blutreinigung die <hi rendition="#aq">A. patens,</hi> die<lb/> Schaafe hingegen die <hi rendition="#aq">Pulſatilla.</hi></note>.<lb/> Gegen Abend kam ich nach meinem Standquartier, wor-<lb/> auf es dann auch ganz luſtig zu ſchneyen anfieng und die<lb/> halbe Nacht anhielt. Ehe ich dieſes Dorf verlaſſe, in<lb/> welchem ich an den Beinen von drey Bauren recht ſchlimm<lb/> ausſehende inflammirte eiternde Wunden ſah, die der<lb/><hi rendition="#aq">Gordius filiformis</hi> oder <hi rendition="#aq">aquaticus</hi> gemacht hatte, wider<lb/> <fw place="bottom" type="catch">welchen</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0052]
Sievers Briefe
und die hohen Gebirge die alle dick mit Nadelhoͤlzern
beſetzt ſind und zuͤrnte wieder mit dem Schnee in den
Thaͤlern Hier fand ich nun freylich außer Cryptogami-
ſten, worunter beſonders das ſchoͤne Polypodium fra-
grans, das mir oͤfters meinen Thee, der nicht der beßte
war, verbeſſern mußte, nichts Merkwuͤrdigers, wie
Gentiana aquatica, Lycopodium rupeſtre, einige vorig-
jaͤhrige Stengel von der Monotropa Hypopitys, wel-
ches ſeinen ſchoͤnen Geruch noch bis jetzt erhalten hatte,
Berberis ſibirica, und eine ungeheure Menge von dem in
voller Bluͤthe ſtehenden Rhododendro daurico; ver-
weilte jedoch hiebey uͤber eine halbe Stunde, und ergoͤtzte
mich an dem unbeſchreiblich ſchoͤnen Anblick, den hier
Quadrillionenweiſe auf ein bis drey Ellen hohen Baͤum-
chens, unter hohen Fichten (Pinus Sylveſtris) geoͤffnete
Purpurrothe Blumen gewaͤhrten. Auch fuͤr die Naſe
war geſorgt, denn die Atmoſphaͤre duftete wie von Tube-
roſen oder Narciſſen. Auf den ſchoͤnen Wieſen bluͤhten
Viola pinnata und primulaefolia, Ornithogalum mini-
mum, Androſace ſeptemtrionalis, Primula farinoſa,
Anemone patens, Pulſatilla und pratenſis, Iris verna *).
Gegen Abend kam ich nach meinem Standquartier, wor-
auf es dann auch ganz luſtig zu ſchneyen anfieng und die
halbe Nacht anhielt. Ehe ich dieſes Dorf verlaſſe, in
welchem ich an den Beinen von drey Bauren recht ſchlimm
ausſehende inflammirte eiternde Wunden ſah, die der
Gordius filiformis oder aquaticus gemacht hatte, wider
welchen
*) Die Kuͤhe freſſen zur Blutreinigung die A. patens, die
Schaafe hingegen die Pulſatilla.
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