Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.Sievers Briefe sten Jurten, ließ ein Schaaf schlachten, ließ Milchbran-tewein destilliren und nach ihrer Art Thee kochen. Diese Völker schlachten das Vieh nicht wie wir, sondern indem einer das Thier auf einen Filz zur Erde wirft, und dar- auf kniet, so macht er ihm mit einem langen Messer in der Herzgrube, durch Haut und Zwerchfell einen Ein- schnitt, fährt mit der Hand hinein, und reißt mit dem Finger die große Hohlader durch, worauf die äußere Wunde, um das Blut nicht auszulassen, mit dem Stiel des Messers zugehalten wird. Alles Blut sammlet sich nun in der Brusthöhle, und das Fleisch soll, nach dem Vor- geben der Mongolen, dadurch weit schmackhafter werden, welches ich auch selbst erfahren habe. Nachdem das Thier todt ist, welches sehr bald erfolgt, wird das Fell abgezo- gen, und darauf das Eingeweide ausgenommen, und dann das Geblüt mit den Händen ausgeschöpft, in ei- nem besondern Geschirr gesammelt, mit etwas kalten Wassers zum rinnen gebracht, und als eine Ehrenspeise für Gäste, in dem Zwölffingerdarm zur Wurst gemacht. Wenn nun das Fell abgezogen ist, so werden sogleich das Herz, die Nieren, Stücken von Leber und Lungen, der Brustknochen mit der aufsitzenden fetten Haut, die Milch- drüse, und dergleichen Kleinigkeiten mehr, an reinen, zugespitzten, dünnen und Ellenlangen Stöckerchen, so warm, wie sie vom geschlachteten Thier kommen, am Feuer gebraten, welches kaum zehn Minuten erfordert. Dieses macht die besten Leckerbissen aus, und wird nur unter die Vornehmern ausgetheilt. Auch mir schmeckten diese, aus dem Stegreif gebratnen Sachen außerordent- lich
Sievers Briefe ſten Jurten, ließ ein Schaaf ſchlachten, ließ Milchbran-tewein deſtilliren und nach ihrer Art Thee kochen. Dieſe Voͤlker ſchlachten das Vieh nicht wie wir, ſondern indem einer das Thier auf einen Filz zur Erde wirft, und dar- auf kniet, ſo macht er ihm mit einem langen Meſſer in der Herzgrube, durch Haut und Zwerchfell einen Ein- ſchnitt, faͤhrt mit der Hand hinein, und reißt mit dem Finger die große Hohlader durch, worauf die aͤußere Wunde, um das Blut nicht auszulaſſen, mit dem Stiel des Meſſers zugehalten wird. Alles Blut ſammlet ſich nun in der Bruſthoͤhle, und das Fleiſch ſoll, nach dem Vor- geben der Mongolen, dadurch weit ſchmackhafter werden, welches ich auch ſelbſt erfahren habe. Nachdem das Thier todt iſt, welches ſehr bald erfolgt, wird das Fell abgezo- gen, und darauf das Eingeweide ausgenommen, und dann das Gebluͤt mit den Haͤnden ausgeſchoͤpft, in ei- nem beſondern Geſchirr geſammelt, mit etwas kalten Waſſers zum rinnen gebracht, und als eine Ehrenſpeiſe fuͤr Gaͤſte, in dem Zwoͤlffingerdarm zur Wurſt gemacht. Wenn nun das Fell abgezogen iſt, ſo werden ſogleich das Herz, die Nieren, Stuͤcken von Leber und Lungen, der Bruſtknochen mit der aufſitzenden fetten Haut, die Milch- druͤſe, und dergleichen Kleinigkeiten mehr, an reinen, zugeſpitzten, duͤnnen und Ellenlangen Stoͤckerchen, ſo warm, wie ſie vom geſchlachteten Thier kommen, am Feuer gebraten, welches kaum zehn Minuten erfordert. Dieſes macht die beſten Leckerbiſſen aus, und wird nur unter die Vornehmern ausgetheilt. Auch mir ſchmeckten dieſe, aus dem Stegreif gebratnen Sachen außerordent- lich
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Sievers Briefe
ſten Jurten, ließ ein Schaaf ſchlachten, ließ Milchbran-
tewein deſtilliren und nach ihrer Art Thee kochen. Dieſe
Voͤlker ſchlachten das Vieh nicht wie wir, ſondern indem
einer das Thier auf einen Filz zur Erde wirft, und dar-
auf kniet, ſo macht er ihm mit einem langen Meſſer in
der Herzgrube, durch Haut und Zwerchfell einen Ein-
ſchnitt, faͤhrt mit der Hand hinein, und reißt mit dem
Finger die große Hohlader durch, worauf die aͤußere
Wunde, um das Blut nicht auszulaſſen, mit dem Stiel
des Meſſers zugehalten wird. Alles Blut ſammlet ſich nun
in der Bruſthoͤhle, und das Fleiſch ſoll, nach dem Vor-
geben der Mongolen, dadurch weit ſchmackhafter werden,
welches ich auch ſelbſt erfahren habe. Nachdem das Thier
todt iſt, welches ſehr bald erfolgt, wird das Fell abgezo-
gen, und darauf das Eingeweide ausgenommen, und
dann das Gebluͤt mit den Haͤnden ausgeſchoͤpft, in ei-
nem beſondern Geſchirr geſammelt, mit etwas kalten
Waſſers zum rinnen gebracht, und als eine Ehrenſpeiſe
fuͤr Gaͤſte, in dem Zwoͤlffingerdarm zur Wurſt gemacht.
Wenn nun das Fell abgezogen iſt, ſo werden ſogleich das
Herz, die Nieren, Stuͤcken von Leber und Lungen, der
Bruſtknochen mit der aufſitzenden fetten Haut, die Milch-
druͤſe, und dergleichen Kleinigkeiten mehr, an reinen,
zugeſpitzten, duͤnnen und Ellenlangen Stoͤckerchen, ſo
warm, wie ſie vom geſchlachteten Thier kommen, am
Feuer gebraten, welches kaum zehn Minuten erfordert.
Dieſes macht die beſten Leckerbiſſen aus, und wird nur
unter die Vornehmern ausgetheilt. Auch mir ſchmeckten
dieſe, aus dem Stegreif gebratnen Sachen außerordent-
lich
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