Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Sibirien.
Pferde beym Zaum leiten mußte, wobey es nicht selten
geschah daß das Pferd auf den Führer stürzte. Eine
große Menge Angelica Archangelica, etwas Rheum si-
biricum, Pinus Abies, Lathyrus, Ribes nigrum, Salix
alnoides, Serratula coronaria, Veratrum album, Aco-
nitum pyrenaicum
fanden sich hier herum häufig. --
Endlich trafen wir denn auch in einem langen bewalde-
ten Thale die großen Pferdeheerden der weiter weg woh-
nenden Kirgisen, wo wir denn den lang entbehrten Kü-
müß wieder mit langen Zügen einschlürften. Das Nacht-
lager nahmen wir am Fuß des Saratan, des höchsten
Berges dieser Gegend, welcher sein stolzes, mit Schnee
fleckweise bedecktes Haupt über alle andere emporstreckte.
War es vielleicht daß ich seit 2 Monathen keinen Wald
gesehen hatte, oder fand sichs in der That so, mir dünkte
die hiesige Gegend göttlich schön.

August den 1 sten. Nach vortreflich hingebrachter
Nacht fertigte ich 2 Kirgisen nach einem im Gebirge lie-
genden See Marcha-Küll, wo eine besondere Art
Rhabarber wachsen sollte. Jch durfte mich dort schon
nicht zeigen, weil schon die Jäger der Oronchoi dort
herum ihre Herbstjagd angefangen hatten. Jch hatte
dermalen noch keine Lust mich in chinesische Gefangen-
schaft zu begeben. Jndessen saß ich nicht müßig: auf
der Spitze unsers Saratau hofte ich die entzückendste
Aussicht. Mit zweyen Begleitern ritt ich also hinauf;
dreymal mußten wir den Pferden Ruhe geben. Etwa
in der Mitte des Berges endigte sich aller Wald, wel-
cher hier allenthalben nur aus Lärichen bestand, wenige

Fichten

aus Sibirien.
Pferde beym Zaum leiten mußte, wobey es nicht ſelten
geſchah daß das Pferd auf den Fuͤhrer ſtuͤrzte. Eine
große Menge Angelica Archangelica, etwas Rheum ſi-
biricum, Pinus Abies, Lathyrus, Ribes nigrum, Salix
alnoides, Serratula coronaria, Veratrum album, Aco-
nitum pyrenaicum
fanden ſich hier herum haͤufig. —
Endlich trafen wir denn auch in einem langen bewalde-
ten Thale die großen Pferdeheerden der weiter weg woh-
nenden Kirgiſen, wo wir denn den lang entbehrten Kuͤ-
muͤß wieder mit langen Zuͤgen einſchluͤrften. Das Nacht-
lager nahmen wir am Fuß des Saratan, des hoͤchſten
Berges dieſer Gegend, welcher ſein ſtolzes, mit Schnee
fleckweiſe bedecktes Haupt uͤber alle andere emporſtreckte.
War es vielleicht daß ich ſeit 2 Monathen keinen Wald
geſehen hatte, oder fand ſichs in der That ſo, mir duͤnkte
die hieſige Gegend goͤttlich ſchoͤn.

Auguſt den 1 ſten. Nach vortreflich hingebrachter
Nacht fertigte ich 2 Kirgiſen nach einem im Gebirge lie-
genden See Marcha-Kuͤll, wo eine beſondere Art
Rhabarber wachſen ſollte. Jch durfte mich dort ſchon
nicht zeigen, weil ſchon die Jaͤger der Oronchoi dort
herum ihre Herbſtjagd angefangen hatten. Jch hatte
dermalen noch keine Luſt mich in chineſiſche Gefangen-
ſchaft zu begeben. Jndeſſen ſaß ich nicht muͤßig: auf
der Spitze unſers Saratau hofte ich die entzuͤckendſte
Ausſicht. Mit zweyen Begleitern ritt ich alſo hinauf;
dreymal mußten wir den Pferden Ruhe geben. Etwa
in der Mitte des Berges endigte ſich aller Wald, wel-
cher hier allenthalben nur aus Laͤrichen beſtand, wenige

Fichten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0213" n="205"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">aus Sibirien.</hi></fw><lb/>
Pferde beym Zaum leiten mußte, wobey es nicht &#x017F;elten<lb/>
ge&#x017F;chah daß das Pferd auf den Fu&#x0364;hrer &#x017F;tu&#x0364;rzte. Eine<lb/>
große Menge <hi rendition="#aq">Angelica Archangelica,</hi> etwas <hi rendition="#aq">Rheum &#x017F;i-<lb/>
biricum, Pinus Abies, Lathyrus, Ribes nigrum, Salix<lb/>
alnoides, Serratula coronaria, Veratrum album, Aco-<lb/>
nitum pyrenaicum</hi> fanden &#x017F;ich hier herum ha&#x0364;ufig. &#x2014;<lb/>
Endlich trafen wir denn auch in einem langen bewalde-<lb/>
ten Thale die großen Pferdeheerden der weiter weg woh-<lb/>
nenden Kirgi&#x017F;en, wo wir denn den lang entbehrten Ku&#x0364;-<lb/>
mu&#x0364;ß wieder mit langen Zu&#x0364;gen ein&#x017F;chlu&#x0364;rften. Das Nacht-<lb/>
lager nahmen wir am Fuß des <hi rendition="#fr">Saratan,</hi> des ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Berges die&#x017F;er Gegend, welcher &#x017F;ein &#x017F;tolzes, mit Schnee<lb/>
fleckwei&#x017F;e bedecktes Haupt u&#x0364;ber alle andere empor&#x017F;treckte.<lb/>
War es vielleicht daß ich &#x017F;eit 2 Monathen keinen Wald<lb/>
ge&#x017F;ehen hatte, oder fand &#x017F;ichs in der That &#x017F;o, mir du&#x0364;nkte<lb/>
die hie&#x017F;ige Gegend go&#x0364;ttlich &#x017F;cho&#x0364;n.</p><lb/>
          <p>Augu&#x017F;t den 1 &#x017F;ten. Nach vortreflich hingebrachter<lb/>
Nacht fertigte ich 2 Kirgi&#x017F;en nach einem im Gebirge lie-<lb/>
genden See <hi rendition="#fr">Marcha-Ku&#x0364;ll,</hi> wo eine be&#x017F;ondere Art<lb/>
Rhabarber wach&#x017F;en &#x017F;ollte. Jch durfte mich dort &#x017F;chon<lb/>
nicht zeigen, weil &#x017F;chon die Ja&#x0364;ger der <hi rendition="#fr">Oronchoi</hi> dort<lb/>
herum ihre Herb&#x017F;tjagd angefangen hatten. Jch hatte<lb/>
dermalen noch keine Lu&#x017F;t mich in chine&#x017F;i&#x017F;che Gefangen-<lb/>
&#x017F;chaft zu begeben. Jnde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;aß ich nicht mu&#x0364;ßig: auf<lb/>
der Spitze un&#x017F;ers <hi rendition="#fr">Saratau</hi> hofte ich die entzu&#x0364;ckend&#x017F;te<lb/>
Aus&#x017F;icht. Mit zweyen Begleitern ritt ich al&#x017F;o hinauf;<lb/>
dreymal mußten wir den Pferden Ruhe geben. Etwa<lb/>
in der Mitte des Berges endigte &#x017F;ich aller Wald, wel-<lb/>
cher hier allenthalben nur aus La&#x0364;richen be&#x017F;tand, wenige<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Fichten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0213] aus Sibirien. Pferde beym Zaum leiten mußte, wobey es nicht ſelten geſchah daß das Pferd auf den Fuͤhrer ſtuͤrzte. Eine große Menge Angelica Archangelica, etwas Rheum ſi- biricum, Pinus Abies, Lathyrus, Ribes nigrum, Salix alnoides, Serratula coronaria, Veratrum album, Aco- nitum pyrenaicum fanden ſich hier herum haͤufig. — Endlich trafen wir denn auch in einem langen bewalde- ten Thale die großen Pferdeheerden der weiter weg woh- nenden Kirgiſen, wo wir denn den lang entbehrten Kuͤ- muͤß wieder mit langen Zuͤgen einſchluͤrften. Das Nacht- lager nahmen wir am Fuß des Saratan, des hoͤchſten Berges dieſer Gegend, welcher ſein ſtolzes, mit Schnee fleckweiſe bedecktes Haupt uͤber alle andere emporſtreckte. War es vielleicht daß ich ſeit 2 Monathen keinen Wald geſehen hatte, oder fand ſichs in der That ſo, mir duͤnkte die hieſige Gegend goͤttlich ſchoͤn. Auguſt den 1 ſten. Nach vortreflich hingebrachter Nacht fertigte ich 2 Kirgiſen nach einem im Gebirge lie- genden See Marcha-Kuͤll, wo eine beſondere Art Rhabarber wachſen ſollte. Jch durfte mich dort ſchon nicht zeigen, weil ſchon die Jaͤger der Oronchoi dort herum ihre Herbſtjagd angefangen hatten. Jch hatte dermalen noch keine Luſt mich in chineſiſche Gefangen- ſchaft zu begeben. Jndeſſen ſaß ich nicht muͤßig: auf der Spitze unſers Saratau hofte ich die entzuͤckendſte Ausſicht. Mit zweyen Begleitern ritt ich alſo hinauf; dreymal mußten wir den Pferden Ruhe geben. Etwa in der Mitte des Berges endigte ſich aller Wald, wel- cher hier allenthalben nur aus Laͤrichen beſtand, wenige Fichten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/213
Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/213>, abgerufen am 23.11.2024.