Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.aus Sibirien. ein kriechendes Gesträuch recht lustig hermachten undmit außerordentlicher Begierde verzehrten. Um es nä- her zu sehen, rannte ich zu, jagte die Thiere aus einander, und erhielt noch mit genauer Noth einige Zweige der von mir hieselbst zum erstenmale gesehenen Nitraria Schobe- ri. Es ist doch sonderbar, ohnweit davon waren meh- rere Salzpflanzen im besten Wachsthum, wie z. B. A- triplex sibirica et pedunculata und verschiedene Salsola; aber nie habe ich, so wenig hier, als anderswo, ge- merkt, daß sie vom Viehe gefressen würden; um so auf- fallender, da letztere meiner Empfindung gemäß ange- nehmer vom Geschmack sind, als die Nitraria. Den 22sten Jul. Endlich dann heute früh nahm ich höcke- M 3
aus Sibirien. ein kriechendes Geſtraͤuch recht luſtig hermachten undmit außerordentlicher Begierde verzehrten. Um es naͤ- her zu ſehen, rannte ich zu, jagte die Thiere aus einander, und erhielt noch mit genauer Noth einige Zweige der von mir hieſelbſt zum erſtenmale geſehenen Nitraria Schobe- ri. Es iſt doch ſonderbar, ohnweit davon waren meh- rere Salzpflanzen im beſten Wachsthum, wie z. B. A- triplex ſibirica et pedunculata und verſchiedene Salſola; aber nie habe ich, ſo wenig hier, als anderswo, ge- merkt, daß ſie vom Viehe gefreſſen wuͤrden; um ſo auf- fallender, da letztere meiner Empfindung gemaͤß ange- nehmer vom Geſchmack ſind, als die Nitraria. Den 22ſten Jul. Endlich dann heute fruͤh nahm ich hoͤcke- M 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0189" n="181"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">aus Sibirien.</hi></fw><lb/> ein kriechendes Geſtraͤuch recht luſtig hermachten und<lb/> mit außerordentlicher Begierde verzehrten. Um es naͤ-<lb/> her zu ſehen, rannte ich zu, jagte die Thiere aus einander,<lb/> und erhielt noch mit genauer Noth einige Zweige der von<lb/> mir hieſelbſt zum erſtenmale geſehenen <hi rendition="#aq">Nitraria Schobe-<lb/> ri.</hi> Es iſt doch ſonderbar, ohnweit davon waren meh-<lb/> rere Salzpflanzen im beſten Wachsthum, wie z. B. <hi rendition="#aq">A-<lb/> triplex ſibirica et pedunculata</hi> und verſchiedene <hi rendition="#aq">Salſola;</hi><lb/> aber nie habe ich, ſo wenig hier, als anderswo, ge-<lb/> merkt, daß ſie vom Viehe gefreſſen wuͤrden; um ſo auf-<lb/> fallender, da letztere meiner Empfindung gemaͤß ange-<lb/> nehmer vom Geſchmack ſind, als die <hi rendition="#aq">Nitraria.</hi></p><lb/> <p>Den 22ſten Jul. Endlich dann heute fruͤh nahm ich<lb/> mit meinen Begleitern von unſern braven Wirthen Ab-<lb/> ſchied, wobey denn freylich keine franzoͤſiſche Complimen-<lb/> te und Capriolen geſchnitten wurden; ein bloßer Haͤnde-<lb/> druck und Großerdank war alles, was nach kirgiſiſcher<lb/> Gewohnheit dabey noͤthig war. Begleitet von einer<lb/> zwey junge Kameele fuͤhrenden Frau, einigen Soͤhnen<lb/> des <hi rendition="#fr">Sarembet,</hi> dem alten <hi rendition="#fr">Saͤnduͤck,</hi> nebſt ſeinen Rei-<lb/> ſegefaͤhrten, giengen wir uͤber daſſelbe Jaſpisgebirge,<lb/> worauf ich geſtern botaniſirt hatte. Der Weg gieng in<lb/> einem grasreichen, allmaͤhlig ſich erhebenden Thale, ohne<lb/> uns beſchwerlich zu ſeyn, uͤber und zwiſchen den hoͤch-<lb/> ſten Koppen hindurch, bis wir, etwa 8 Werſt heruͤber,<lb/> uns in eine außerordentlich duͤrre ſalzige Steppe herun-<lb/> terließen. Hier verließen uns die Soͤhne des Sarem-<lb/> bet, und wir ſetzten nun unſern Weg nordoſtlich fort.<lb/> Rechts blieben fuͤnf ſich einander ſehr aͤhnliche, iſolirte,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">M 3</fw><fw place="bottom" type="catch">hoͤcke-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [181/0189]
aus Sibirien.
ein kriechendes Geſtraͤuch recht luſtig hermachten und
mit außerordentlicher Begierde verzehrten. Um es naͤ-
her zu ſehen, rannte ich zu, jagte die Thiere aus einander,
und erhielt noch mit genauer Noth einige Zweige der von
mir hieſelbſt zum erſtenmale geſehenen Nitraria Schobe-
ri. Es iſt doch ſonderbar, ohnweit davon waren meh-
rere Salzpflanzen im beſten Wachsthum, wie z. B. A-
triplex ſibirica et pedunculata und verſchiedene Salſola;
aber nie habe ich, ſo wenig hier, als anderswo, ge-
merkt, daß ſie vom Viehe gefreſſen wuͤrden; um ſo auf-
fallender, da letztere meiner Empfindung gemaͤß ange-
nehmer vom Geſchmack ſind, als die Nitraria.
Den 22ſten Jul. Endlich dann heute fruͤh nahm ich
mit meinen Begleitern von unſern braven Wirthen Ab-
ſchied, wobey denn freylich keine franzoͤſiſche Complimen-
te und Capriolen geſchnitten wurden; ein bloßer Haͤnde-
druck und Großerdank war alles, was nach kirgiſiſcher
Gewohnheit dabey noͤthig war. Begleitet von einer
zwey junge Kameele fuͤhrenden Frau, einigen Soͤhnen
des Sarembet, dem alten Saͤnduͤck, nebſt ſeinen Rei-
ſegefaͤhrten, giengen wir uͤber daſſelbe Jaſpisgebirge,
worauf ich geſtern botaniſirt hatte. Der Weg gieng in
einem grasreichen, allmaͤhlig ſich erhebenden Thale, ohne
uns beſchwerlich zu ſeyn, uͤber und zwiſchen den hoͤch-
ſten Koppen hindurch, bis wir, etwa 8 Werſt heruͤber,
uns in eine außerordentlich duͤrre ſalzige Steppe herun-
terließen. Hier verließen uns die Soͤhne des Sarem-
bet, und wir ſetzten nun unſern Weg nordoſtlich fort.
Rechts blieben fuͤnf ſich einander ſehr aͤhnliche, iſolirte,
hoͤcke-
M 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/189 |
Zitationshilfe: | Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/189>, abgerufen am 16.02.2025. |