Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.Sievers Briefe der Körper ruhete, der wahrscheinlich in seinem Lebenkein gemeiner Mann gewesen seyn mußte. Nicht weit von diesen passirte ich 2 kirgisische Kirchhöfe, davon je- der 2 Mausolea, wie vorhin gedacht, in russischer Bau- art hatten. Es scheint als wenn die Kirgisen sich gern in der Nähe von tschudischen Gräbern ihre Grabstätte wählen. Als wir um 3 Uhr Nachmittags unterhalb dem Ursprunge des Flüßchen Bugaß in der Wollost Chara- girei Chodshinbet ankamen, so gefiel es meinem Füh- rer Chaial mich um Erlaubniß zu bitten, hier übernach- ten zu dürfen, um seine Freunde zu besuchen; dieses war mir nun freylich nicht sehr lieb, indessen durfte ich's nicht absagen, um mich keinen Verdrüßlichkeiten aus- zusetzen. Denn nun war ich weit von der russischen Grän- ze und ganz in den Händen der windigen Kirgisen. Diesem zufolge also ließ ich mein Zelt aufschlagen Jemehr ich mit den Kirgisen bekannt werde, jemehr schen
Sievers Briefe der Koͤrper ruhete, der wahrſcheinlich in ſeinem Lebenkein gemeiner Mann geweſen ſeyn mußte. Nicht weit von dieſen paſſirte ich 2 kirgiſiſche Kirchhoͤfe, davon je- der 2 Mauſolea, wie vorhin gedacht, in ruſſiſcher Bau- art hatten. Es ſcheint als wenn die Kirgiſen ſich gern in der Naͤhe von tſchudiſchen Graͤbern ihre Grabſtaͤtte waͤhlen. Als wir um 3 Uhr Nachmittags unterhalb dem Urſprunge des Fluͤßchen Bugaß in der Wolloſt Chara- girei Chodſhinbet ankamen, ſo gefiel es meinem Fuͤh- rer Chaial mich um Erlaubniß zu bitten, hier uͤbernach- ten zu duͤrfen, um ſeine Freunde zu beſuchen; dieſes war mir nun freylich nicht ſehr lieb, indeſſen durfte ich’s nicht abſagen, um mich keinen Verdruͤßlichkeiten aus- zuſetzen. Denn nun war ich weit von der ruſſiſchen Graͤn- ze und ganz in den Haͤnden der windigen Kirgiſen. Dieſem zufolge alſo ließ ich mein Zelt aufſchlagen Jemehr ich mit den Kirgiſen bekannt werde, jemehr ſchen
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Sievers Briefe
der Koͤrper ruhete, der wahrſcheinlich in ſeinem Leben
kein gemeiner Mann geweſen ſeyn mußte. Nicht weit
von dieſen paſſirte ich 2 kirgiſiſche Kirchhoͤfe, davon je-
der 2 Mauſolea, wie vorhin gedacht, in ruſſiſcher Bau-
art hatten. Es ſcheint als wenn die Kirgiſen ſich gern
in der Naͤhe von tſchudiſchen Graͤbern ihre Grabſtaͤtte
waͤhlen. Als wir um 3 Uhr Nachmittags unterhalb dem
Urſprunge des Fluͤßchen Bugaß in der Wolloſt Chara-
girei Chodſhinbet ankamen, ſo gefiel es meinem Fuͤh-
rer Chaial mich um Erlaubniß zu bitten, hier uͤbernach-
ten zu duͤrfen, um ſeine Freunde zu beſuchen; dieſes
war mir nun freylich nicht ſehr lieb, indeſſen durfte ich’s
nicht abſagen, um mich keinen Verdruͤßlichkeiten aus-
zuſetzen. Denn nun war ich weit von der ruſſiſchen Graͤn-
ze und ganz in den Haͤnden der windigen Kirgiſen.
Dieſem zufolge alſo ließ ich mein Zelt aufſchlagen
und das Mittagseſſen zurichten. Nicht weit von unſe-
rer Wolloſt ſtehet der Sultan Buͤkoͤ, der, als er vor
drey Jahren in Petersburg war, von Jhro Kayſerli-
chen Majeſtaͤt das Patent als Ruſſiſcher Kapitaͤn be-
kam. Unſer Fluͤßchen ernaͤhrt kleine Hechte und Grim-
pen. Achtzig Werſt weiter unten, ohnweit ſeines Ein-
falls in den Noorſaiſſan, in einer Ebene, ſtehet die Chi-
neſiſche Graͤnzwacht, Boͤrroͤ-Taßtagan. Vor mir
habe ich einen merkwuͤrdigen ungeheuern Granitfels,
den Chaſil-Taß (rother Stein).
Jemehr ich mit den Kirgiſen bekannt werde, jemehr
uͤberzeuge ich mich, daß ſie keine Trunkenbolde ſind; ſie
unterſcheiden ſich alſo dadurch von allen uͤbrigen aſiati-
ſchen
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