Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Sibirien.
mir von einem hohen Schiefer-Hügel schon eine mit
Schnee bedeckte Bergspitze des noch sehr entfernten Ta-
rabagatai.

Den 27sten Juni. Mein Tatar hatte sich von der
Carawane verirrt; ich mußte also 2 Kirgisen aussenden
um ihn suchen zu lassen, welches mir 16 Stunden weg-
nahm. Unterdessen vertrieb ich mir die Zeit mit Bota-
nisiren und mein Kaufmann mit Handeln. Diese Ge-
gend empfahl sich uns um desto mehr, weil uns keine
Mücken und Moschki quälten, deren es in der Steppe
sonst überflüßig genug giebt. Eben deswegen war hier
auch alles voller Kirgisen, die dieses Teufelsgeschmeis
mehr fürchten, wie den Satan selbst. So ist gleichfalls
Ueberfluß an schönem Graßwuchs. Nichts fehlt hier als
Waldung.

Nachmittags packten wir auf und zogen weiter, lies-
sen den Chuß-Murren linker Hand und passirten eine
Strecke über große, in mächtige Tafeln abgetheilte, der-
be Granitblöcke die denen bey Kolywan völlig ähnlich
sind. Hin und wieder lagen solcher Tafeln bis zu sechs
über einander; einige pyramidenförmig aufgethürmt.
Gegen Mitternacht fanden wir gutes Wasser und über-
nachteten.

Den 28sten Juni. Vor Sonnenaufgang giengs
weiter und immer noch über und zwischen durch die vor-
hererwähnten Granittafeln, die weiter hin ansehnliche
Berge ausmachten. Sie mögen wohl seit Jahrtausen-
den mit keiner Dammerde bedeckt gewesen seyn, daher sie
dann auch durch Frost, Sonnenhitze, Regen, Luft und

Wet-
J

aus Sibirien.
mir von einem hohen Schiefer-Huͤgel ſchon eine mit
Schnee bedeckte Bergſpitze des noch ſehr entfernten Ta-
rabagatai.

Den 27ſten Juni. Mein Tatar hatte ſich von der
Carawane verirrt; ich mußte alſo 2 Kirgiſen ausſenden
um ihn ſuchen zu laſſen, welches mir 16 Stunden weg-
nahm. Unterdeſſen vertrieb ich mir die Zeit mit Bota-
niſiren und mein Kaufmann mit Handeln. Dieſe Ge-
gend empfahl ſich uns um deſto mehr, weil uns keine
Muͤcken und Moſchki quaͤlten, deren es in der Steppe
ſonſt uͤberfluͤßig genug giebt. Eben deswegen war hier
auch alles voller Kirgiſen, die dieſes Teufelsgeſchmeis
mehr fuͤrchten, wie den Satan ſelbſt. So iſt gleichfalls
Ueberfluß an ſchoͤnem Graßwuchs. Nichts fehlt hier als
Waldung.

Nachmittags packten wir auf und zogen weiter, lieſ-
ſen den Chuß-Murren linker Hand und paſſirten eine
Strecke uͤber große, in maͤchtige Tafeln abgetheilte, der-
be Granitbloͤcke die denen bey Kolywan voͤllig aͤhnlich
ſind. Hin und wieder lagen ſolcher Tafeln bis zu ſechs
uͤber einander; einige pyramidenfoͤrmig aufgethuͤrmt.
Gegen Mitternacht fanden wir gutes Waſſer und uͤber-
nachteten.

Den 28ſten Juni. Vor Sonnenaufgang giengs
weiter und immer noch uͤber und zwiſchen durch die vor-
hererwaͤhnten Granittafeln, die weiter hin anſehnliche
Berge ausmachten. Sie moͤgen wohl ſeit Jahrtauſen-
den mit keiner Dammerde bedeckt geweſen ſeyn, daher ſie
dann auch durch Froſt, Sonnenhitze, Regen, Luft und

Wet-
J
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0137" n="129"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">aus Sibirien.</hi></fw><lb/>
mir von einem hohen Schiefer-Hu&#x0364;gel &#x017F;chon eine mit<lb/>
Schnee bedeckte Berg&#x017F;pitze des noch &#x017F;ehr entfernten Ta-<lb/>
rabagatai.</p><lb/>
            <p>Den 27&#x017F;ten Juni. Mein Tatar hatte &#x017F;ich von der<lb/>
Carawane verirrt; ich mußte al&#x017F;o 2 Kirgi&#x017F;en aus&#x017F;enden<lb/>
um ihn &#x017F;uchen zu la&#x017F;&#x017F;en, welches mir 16 Stunden weg-<lb/>
nahm. Unterde&#x017F;&#x017F;en vertrieb ich mir die Zeit mit Bota-<lb/>
ni&#x017F;iren und mein Kaufmann mit Handeln. Die&#x017F;e Ge-<lb/>
gend empfahl &#x017F;ich uns um de&#x017F;to mehr, weil uns keine<lb/>
Mu&#x0364;cken und Mo&#x017F;chki qua&#x0364;lten, deren es in der Steppe<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t u&#x0364;berflu&#x0364;ßig genug giebt. Eben deswegen war hier<lb/>
auch alles voller Kirgi&#x017F;en, die die&#x017F;es Teufelsge&#x017F;chmeis<lb/>
mehr fu&#x0364;rchten, wie den Satan &#x017F;elb&#x017F;t. So i&#x017F;t gleichfalls<lb/>
Ueberfluß an &#x017F;cho&#x0364;nem Graßwuchs. Nichts fehlt hier als<lb/>
Waldung.</p><lb/>
            <p>Nachmittags packten wir auf und zogen weiter, lie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en den <hi rendition="#fr">Chuß-Murren</hi> linker Hand und pa&#x017F;&#x017F;irten eine<lb/>
Strecke u&#x0364;ber große, in ma&#x0364;chtige Tafeln abgetheilte, der-<lb/>
be Granitblo&#x0364;cke die denen bey Kolywan vo&#x0364;llig a&#x0364;hnlich<lb/>
&#x017F;ind. Hin und wieder lagen &#x017F;olcher Tafeln bis zu &#x017F;echs<lb/>
u&#x0364;ber einander; einige pyramidenfo&#x0364;rmig aufgethu&#x0364;rmt.<lb/>
Gegen Mitternacht fanden wir gutes Wa&#x017F;&#x017F;er und u&#x0364;ber-<lb/>
nachteten.</p><lb/>
            <p>Den 28&#x017F;ten Juni. Vor Sonnenaufgang giengs<lb/>
weiter und immer noch u&#x0364;ber und zwi&#x017F;chen durch die vor-<lb/>
hererwa&#x0364;hnten Granittafeln, die weiter hin an&#x017F;ehnliche<lb/>
Berge ausmachten. Sie mo&#x0364;gen wohl &#x017F;eit Jahrtau&#x017F;en-<lb/>
den mit keiner Dammerde bedeckt gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, daher &#x017F;ie<lb/>
dann auch durch Fro&#x017F;t, Sonnenhitze, Regen, Luft und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J</fw><fw place="bottom" type="catch">Wet-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0137] aus Sibirien. mir von einem hohen Schiefer-Huͤgel ſchon eine mit Schnee bedeckte Bergſpitze des noch ſehr entfernten Ta- rabagatai. Den 27ſten Juni. Mein Tatar hatte ſich von der Carawane verirrt; ich mußte alſo 2 Kirgiſen ausſenden um ihn ſuchen zu laſſen, welches mir 16 Stunden weg- nahm. Unterdeſſen vertrieb ich mir die Zeit mit Bota- niſiren und mein Kaufmann mit Handeln. Dieſe Ge- gend empfahl ſich uns um deſto mehr, weil uns keine Muͤcken und Moſchki quaͤlten, deren es in der Steppe ſonſt uͤberfluͤßig genug giebt. Eben deswegen war hier auch alles voller Kirgiſen, die dieſes Teufelsgeſchmeis mehr fuͤrchten, wie den Satan ſelbſt. So iſt gleichfalls Ueberfluß an ſchoͤnem Graßwuchs. Nichts fehlt hier als Waldung. Nachmittags packten wir auf und zogen weiter, lieſ- ſen den Chuß-Murren linker Hand und paſſirten eine Strecke uͤber große, in maͤchtige Tafeln abgetheilte, der- be Granitbloͤcke die denen bey Kolywan voͤllig aͤhnlich ſind. Hin und wieder lagen ſolcher Tafeln bis zu ſechs uͤber einander; einige pyramidenfoͤrmig aufgethuͤrmt. Gegen Mitternacht fanden wir gutes Waſſer und uͤber- nachteten. Den 28ſten Juni. Vor Sonnenaufgang giengs weiter und immer noch uͤber und zwiſchen durch die vor- hererwaͤhnten Granittafeln, die weiter hin anſehnliche Berge ausmachten. Sie moͤgen wohl ſeit Jahrtauſen- den mit keiner Dammerde bedeckt geweſen ſeyn, daher ſie dann auch durch Froſt, Sonnenhitze, Regen, Luft und Wet- J

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/137
Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/137>, abgerufen am 23.11.2024.