Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Sievers Briefe
kühlern Nacht, indem wir die beyden Flüßchen Sara-
üsük
(gelb) und Chara-üsük (Schwarz-Wasser) pas-
sirten. Der Weg war angenehm und wenig bergig.

Den 20sten Jun. Da es vortheilhafter ist, sich
eigene Pferde und Kameele zu kaufen, so blieb ich den
ganzen Tag hier liegen, um dieses Geschäft zu beendi-
gen. Für ein Kameel zahlte ich für 20 Rbl. Waaren,
und für ein Pferd, zu 10 - bis 24 Rbl. je nachdem es
mehr oder weniger schön und brauchbar war. Der
Kirgise bey dem ich logirte, ein freundlicher, gutherziger,
reicher und angesehener Mann, Namens Chaial, trat
bey mir als Wegweiser, für 12 Rubel monatlich, in
Dienste; dieses ist eine unumgänglich nothwendige. Sa-
che, man erwirbt sich dadurch bei den übrigen Kirgisen
Hochachtung und Ansehen, und dieses um so mehr, je
vornehmer der Wegweiser ist. Mit diesem also, und
11 Bauern, 4 Kosacken, dem chirurgischen Lehrling
Salessoff, einem Kaufmann, einem Dollmetscher, einem
kirgisischen Arbeiter und einem tobolskischen Tataren, war
ich 22 Mann stark; eine Anzahl, die, gehörig bewaff-
net, hinlänglich ist, im Fall eines Ueberfalls bis 200
Kirgifen zu widerstehen. Denn das Feuergewehr ist
ihnen besonders fürchterlich: Sie sind wohl Räuber aber
keine Krieger.

Den 21. Jun. Da nun alles zum Weiterreisen
fertig war, so verließ ich Morgens früh die Wollost,
und sezte meinen Weg längst dem Ulanbalack aufwärts
fort. Wir giengen an zwey kirgisischen Kirchhöfen, die
ohne Umzäunung waren, vorbey. Die Grabhügel wa-

ren

Sievers Briefe
kuͤhlern Nacht, indem wir die beyden Fluͤßchen Sara-
uͤſuͤk
(gelb) und Chara-uͤſuͤk (Schwarz-Waſſer) paſ-
ſirten. Der Weg war angenehm und wenig bergig.

Den 20ſten Jun. Da es vortheilhafter iſt, ſich
eigene Pferde und Kameele zu kaufen, ſo blieb ich den
ganzen Tag hier liegen, um dieſes Geſchaͤft zu beendi-
gen. Fuͤr ein Kameel zahlte ich fuͤr 20 Rbl. Waaren,
und fuͤr ein Pferd, zu 10 - bis 24 Rbl. je nachdem es
mehr oder weniger ſchoͤn und brauchbar war. Der
Kirgiſe bey dem ich logirte, ein freundlicher, gutherziger,
reicher und angeſehener Mann, Namens Chaial, trat
bey mir als Wegweiſer, fuͤr 12 Rubel monatlich, in
Dienſte; dieſes iſt eine unumgaͤnglich nothwendige. Sa-
che, man erwirbt ſich dadurch bei den uͤbrigen Kirgiſen
Hochachtung und Anſehen, und dieſes um ſo mehr, je
vornehmer der Wegweiſer iſt. Mit dieſem alſo, und
11 Bauern, 4 Koſacken, dem chirurgiſchen Lehrling
Saleſſoff, einem Kaufmann, einem Dollmetſcher, einem
kirgiſiſchen Arbeiter und einem tobolskiſchen Tataren, war
ich 22 Mann ſtark; eine Anzahl, die, gehoͤrig bewaff-
net, hinlaͤnglich iſt, im Fall eines Ueberfalls bis 200
Kirgifen zu widerſtehen. Denn das Feuergewehr iſt
ihnen beſonders fuͤrchterlich: Sie ſind wohl Raͤuber aber
keine Krieger.

Den 21. Jun. Da nun alles zum Weiterreiſen
fertig war, ſo verließ ich Morgens fruͤh die Wolloſt,
und ſezte meinen Weg laͤngſt dem Ulanbalack aufwaͤrts
fort. Wir giengen an zwey kirgiſiſchen Kirchhoͤfen, die
ohne Umzaͤunung waren, vorbey. Die Grabhuͤgel wa-

ren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0122" n="114"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sievers Briefe</hi></fw><lb/>
ku&#x0364;hlern Nacht, indem wir die beyden Flu&#x0364;ßchen <hi rendition="#fr">Sara-<lb/>
u&#x0364;&#x017F;u&#x0364;k</hi> (gelb) und <hi rendition="#fr">Chara-u&#x0364;&#x017F;u&#x0364;k</hi> (Schwarz-Wa&#x017F;&#x017F;er) pa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;irten. Der Weg war angenehm und wenig bergig.</p><lb/>
            <p>Den 20&#x017F;ten Jun. Da es vortheilhafter i&#x017F;t, &#x017F;ich<lb/>
eigene Pferde und Kameele zu kaufen, &#x017F;o blieb ich den<lb/>
ganzen Tag hier liegen, um die&#x017F;es Ge&#x017F;cha&#x0364;ft zu beendi-<lb/>
gen. Fu&#x0364;r ein Kameel zahlte ich fu&#x0364;r 20 Rbl. Waaren,<lb/>
und fu&#x0364;r ein Pferd, zu 10 - bis 24 Rbl. je nachdem es<lb/>
mehr oder weniger &#x017F;cho&#x0364;n und brauchbar war. Der<lb/>
Kirgi&#x017F;e bey dem ich logirte, ein freundlicher, gutherziger,<lb/>
reicher und ange&#x017F;ehener Mann, Namens Chaial, trat<lb/>
bey mir als Wegwei&#x017F;er, fu&#x0364;r 12 Rubel monatlich, in<lb/>
Dien&#x017F;te; die&#x017F;es i&#x017F;t eine unumga&#x0364;nglich nothwendige. Sa-<lb/>
che, man erwirbt &#x017F;ich dadurch bei den u&#x0364;brigen Kirgi&#x017F;en<lb/>
Hochachtung und An&#x017F;ehen, und die&#x017F;es um &#x017F;o mehr, je<lb/>
vornehmer der Wegwei&#x017F;er i&#x017F;t. Mit die&#x017F;em al&#x017F;o, und<lb/>
11 Bauern, 4 Ko&#x017F;acken, dem chirurgi&#x017F;chen Lehrling<lb/>
Sale&#x017F;&#x017F;off, einem Kaufmann, einem Dollmet&#x017F;cher, einem<lb/>
kirgi&#x017F;i&#x017F;chen Arbeiter und einem tobolski&#x017F;chen Tataren, war<lb/>
ich 22 Mann &#x017F;tark; eine Anzahl, die, geho&#x0364;rig bewaff-<lb/>
net, hinla&#x0364;nglich i&#x017F;t, im Fall eines Ueberfalls bis 200<lb/>
Kirgifen zu wider&#x017F;tehen. Denn das Feuergewehr i&#x017F;t<lb/>
ihnen be&#x017F;onders fu&#x0364;rchterlich: Sie &#x017F;ind wohl Ra&#x0364;uber aber<lb/>
keine Krieger.</p><lb/>
            <p>Den 21. Jun. Da nun alles zum Weiterrei&#x017F;en<lb/>
fertig war, &#x017F;o verließ ich Morgens fru&#x0364;h die Wollo&#x017F;t,<lb/>
und &#x017F;ezte meinen Weg la&#x0364;ng&#x017F;t dem <hi rendition="#fr">Ulanbalack</hi> aufwa&#x0364;rts<lb/>
fort. Wir giengen an zwey kirgi&#x017F;i&#x017F;chen Kirchho&#x0364;fen, die<lb/>
ohne Umza&#x0364;unung waren, vorbey. Die Grabhu&#x0364;gel wa-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ren</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0122] Sievers Briefe kuͤhlern Nacht, indem wir die beyden Fluͤßchen Sara- uͤſuͤk (gelb) und Chara-uͤſuͤk (Schwarz-Waſſer) paſ- ſirten. Der Weg war angenehm und wenig bergig. Den 20ſten Jun. Da es vortheilhafter iſt, ſich eigene Pferde und Kameele zu kaufen, ſo blieb ich den ganzen Tag hier liegen, um dieſes Geſchaͤft zu beendi- gen. Fuͤr ein Kameel zahlte ich fuͤr 20 Rbl. Waaren, und fuͤr ein Pferd, zu 10 - bis 24 Rbl. je nachdem es mehr oder weniger ſchoͤn und brauchbar war. Der Kirgiſe bey dem ich logirte, ein freundlicher, gutherziger, reicher und angeſehener Mann, Namens Chaial, trat bey mir als Wegweiſer, fuͤr 12 Rubel monatlich, in Dienſte; dieſes iſt eine unumgaͤnglich nothwendige. Sa- che, man erwirbt ſich dadurch bei den uͤbrigen Kirgiſen Hochachtung und Anſehen, und dieſes um ſo mehr, je vornehmer der Wegweiſer iſt. Mit dieſem alſo, und 11 Bauern, 4 Koſacken, dem chirurgiſchen Lehrling Saleſſoff, einem Kaufmann, einem Dollmetſcher, einem kirgiſiſchen Arbeiter und einem tobolskiſchen Tataren, war ich 22 Mann ſtark; eine Anzahl, die, gehoͤrig bewaff- net, hinlaͤnglich iſt, im Fall eines Ueberfalls bis 200 Kirgifen zu widerſtehen. Denn das Feuergewehr iſt ihnen beſonders fuͤrchterlich: Sie ſind wohl Raͤuber aber keine Krieger. Den 21. Jun. Da nun alles zum Weiterreiſen fertig war, ſo verließ ich Morgens fruͤh die Wolloſt, und ſezte meinen Weg laͤngſt dem Ulanbalack aufwaͤrts fort. Wir giengen an zwey kirgiſiſchen Kirchhoͤfen, die ohne Umzaͤunung waren, vorbey. Die Grabhuͤgel wa- ren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/122
Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/122>, abgerufen am 23.11.2024.