Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.Sievers Briefe sem Briefe alles auf einmal zu sagen, was ich zu bemer-ken Gelegenheit hatte. Die hier wohnenden Katschinzi sind meistentheils Völle-
Sievers Briefe ſem Briefe alles auf einmal zu ſagen, was ich zu bemer-ken Gelegenheit hatte. Die hier wohnenden Katſchinzi ſind meiſtentheils Voͤlle-
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Sievers Briefe
ſem Briefe alles auf einmal zu ſagen, was ich zu bemer-
ken Gelegenheit hatte.
Die hier wohnenden Katſchinzi ſind meiſtentheils
wohl gebauet, ſprechen eine Sprache die groͤßtentheils
auf dem alten kaſaniſch-tatariſchen Fundamente ſtehet
ſich aber in der Ausſprache mehr der Jacutiſchen naͤhert.
Gleichfalls hat ſie viele kalmuͤckiſche Woͤrter in ſich. Und
ſo kann man die Stufenfolge machen wie ſich dieſe alte
Sprache immer mehr und mehr von ihrem Urſprunge
entfernt. Jn Kaſan wird ſie ſehr rein geſprochen; dann
folgen die Bucharen, die von ihren Perſianiſchen Nach-
barn viel angenommen haben, dann die Kirgiſen, als-
dann die Tataren welche laͤngſt dem Jeniſei oberhalb
Krasnojarsk wohnen und ſo weiter die entfernteſten Ja-
cuten. Jch war in Ruͤckſicht der Gaſtfreyheit und Ar-
tigkeit mit meinen Tataren wohl zufrieden. Sie ſind
die ſorgenloſeſten Leute von der Welt, die von ihren aͤuſ-
ſerſt zahlreichen Heerden alles im Ueberfluß beſitzen was
ihnen noͤthig iſt und ſo weit ich ſie habe kennen lernen
ohne Falſch. Man kann daher ſehr ſicher unter ihnen
reiſen. Sie haben weder Schrift noch Buͤcher; einige
haben ruſſiſch ſchreiben und leſen gelernt. Sie ſind aber
die groͤßten Trunkenbolde die vielleicht außer den Kam-
tſchadalen in Sibirien exiſtiren. Jhre Weiber ſind be-
ſtaͤndig mit Milchbrannteweins-Deſtillationen beſchaͤfti-
get; und ſobald in einer Jurte eine Quantitaͤt vorraͤthig
iſt, ſo kommen die Nachbaren herzu und dann trinkt
Mann und Weib. Man ſieht daher, wenigſtens im
Sommer, ſelten einen nuͤchternen Menſchen; aber dieſe
Voͤlle-
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