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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881.

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Erdkruste in Folge der Erkaltung und Zusammenziehung ihres Kerns
nicht nur in früheren Perioden, wo die Abkühlung wegen der geringen
Dicke der Kruste schneller von Statten ging, die jetzige Gestal-

kräften, die durch theilweise Aufhebung des Gegendruckes des flüssigen
Erdinnern in der Erdrinde auftreten, ganz unerheblich ist.
Die Druckfestigkeit, oder der Widerstand, den die Körper dem Zer-
drücktwerden entgegensetzen, bildet noch einen ziemlich dunklen Abschnitt
der Mechanik. Es ist weder das Wesen der thätigen widerstehenden
Kräfte bestimmt definirt, noch liegen zuverlässige, nach derselben Methode
an demselben Material angestellte Versuche vor, aus denen sich ein Verhältniss
oder Zusammenhang zwischen der absoluten und rückwirkenden Festigkeit
herleiten liesse. Die vorhandenen Versuche zur Bestimmung der rückwir-
kenden Festigkeit der Gesteine sind zum Theil ganz unrichtig angestellt.
So sind in dem geologischen Lehrbuche von Pfaff Versuche angeführt*),
welche eine ganz exorbitante Festigkeit der Gesteine ergaben. Kalkstein
sollte danach einen Druck von 21800 Atmosphären ertragen können. Der
Fehler lag darin, dass der zu zerdrückende Stein eine viel grössere Fläche
hatte als der drückende Stempel, dass also die Kraft, welche nöthig war,
um das umgebende, nicht gedrückte Material zn zersprengen, nicht berück-
sichtigt ward.
Bekanntlich setzen elastische Körper einer geringen Ausdehnung und
Zusammendrückung innerhalb ihrer Elasticitätsgrenze gleichen Widerstand
entgegen. Dies macht es wahrscheinlich, dass ein wesentlicher Unter-
schied auch da nicht besteht, wo die Elasticitätsgrenze überschritten wird,
wo der Körper also reisst oder zerdrückt wird. Man kann sich nun die
Aufgabe stellen, die Last zu bestimmen, welche ein möglichst günstig be-
lasteter Cylinder in der Richtung seiner Achse zu tragen im Stade ist,
wenn nur die Kraft, mit der die Massentheilchen aneinander haften, also
nur die absolute Festigkeit als wirksam angesehen wird.
Es sei AB eine sehr dünne, cylindrische Scheibe aus festem, homoge-
nem und elastischem Material, welche ohne Reibung auf einer festen,
ebenen Fläche liegt; der Coefficient der absoluten Festigkeit des Materials
der Scheibe sei a. Wird ein concentrischer Ring derselben vom inneren
Radius x und dem äusseren Radius x + dx gleichmässig belastet, so wird
er sich comprimiren und einen der Belastung entsprechenden Seitendruck
nach aussen und innen ausüben. Der erstere wird den umgebenden Ring
zersprengen, wenn der Druck auf die Durchschnittsfläche des ganzen Rin-
ges grösser wird als die absolute Festigkeit der Ringwand. Für das Gleich-
gewicht wäre also, da die Höhe des Ringes aus der Rechnung fällt, wenn
z den für das Gleichgewicht erforderlichen Druck auf die Flächeneinheit
des Ringes bezeichnet,
*) Allgemeine Geologie als exacte Wissenschaft von Dr. Friedr. Pfaff S. 302.

Erdkruste in Folge der Erkaltung und Zusammenziehung ihres Kerns
nicht nur in früheren Perioden, wo die Abkühlung wegen der geringen
Dicke der Kruste schneller von Statten ging, die jetzige Gestal-

kräften, die durch theilweise Aufhebung des Gegendruckes des flüssigen
Erdinnern in der Erdrinde auftreten, ganz unerheblich ist.
Die Druckfestigkeit, oder der Widerstand, den die Körper dem Zer-
drücktwerden entgegensetzen, bildet noch einen ziemlich dunklen Abschnitt
der Mechanik. Es ist weder das Wesen der thätigen widerstehenden
Kräfte bestimmt definirt, noch liegen zuverlässige, nach derselben Methode
an demselben Material angestellte Versuche vor, aus denen sich ein Verhältniss
oder Zusammenhang zwischen der absoluten und rückwirkenden Festigkeit
herleiten liesse. Die vorhandenen Versuche zur Bestimmung der rückwir-
kenden Festigkeit der Gesteine sind zum Theil ganz unrichtig angestellt.
So sind in dem geologischen Lehrbuche von Pfaff Versuche angeführt*),
welche eine ganz exorbitante Festigkeit der Gesteine ergaben. Kalkstein
sollte danach einen Druck von 21800 Atmosphären ertragen können. Der
Fehler lag darin, dass der zu zerdrückende Stein eine viel grössere Fläche
hatte als der drückende Stempel, dass also die Kraft, welche nöthig war,
um das umgebende, nicht gedrückte Material zn zersprengen, nicht berück-
sichtigt ward.
Bekanntlich setzen elastische Körper einer geringen Ausdehnung und
Zusammendrückung innerhalb ihrer Elasticitätsgrenze gleichen Widerstand
entgegen. Dies macht es wahrscheinlich, dass ein wesentlicher Unter-
schied auch da nicht besteht, wo die Elasticitätsgrenze überschritten wird,
wo der Körper also reisst oder zerdrückt wird. Man kann sich nun die
Aufgabe stellen, die Last zu bestimmen, welche ein möglichst günstig be-
lasteter Cylinder in der Richtung seiner Achse zu tragen im Stade ist,
wenn nur die Kraft, mit der die Massentheilchen aneinander haften, also
nur die absolute Festigkeit als wirksam angesehen wird.
Es sei AB eine sehr dünne, cylindrische Scheibe aus festem, homoge-
nem und elastischem Material, welche ohne Reibung auf einer festen,
ebenen Fläche liegt; der Coefficient der absoluten Festigkeit des Materials
der Scheibe sei a. Wird ein concentrischer Ring derselben vom inneren
Radius x und dem äusseren Radius x + dx gleichmässig belastet, so wird
er sich comprimiren und einen der Belastung entsprechenden Seitendruck
nach aussen und innen ausüben. Der erstere wird den umgebenden Ring
zersprengen, wenn der Druck auf die Durchschnittsfläche des ganzen Rin-
ges grösser wird als die absolute Festigkeit der Ringwand. Für das Gleich-
gewicht wäre also, da die Höhe des Ringes aus der Rechnung fällt, wenn
z den für das Gleichgewicht erforderlichen Druck auf die Flächeneinheit
des Ringes bezeichnet,
*) Allgemeine Geologie als exacte Wissenschaft von Dr. Friedr. Pfaff S. 302.
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[461/0483] Erdkruste in Folge der Erkaltung und Zusammenziehung ihres Kerns nicht nur in früheren Perioden, wo die Abkühlung wegen der geringen Dicke der Kruste schneller von Statten ging, die jetzige Gestal- 1) 1) kräften, die durch theilweise Aufhebung des Gegendruckes des flüssigen Erdinnern in der Erdrinde auftreten, ganz unerheblich ist. Die Druckfestigkeit, oder der Widerstand, den die Körper dem Zer- drücktwerden entgegensetzen, bildet noch einen ziemlich dunklen Abschnitt der Mechanik. Es ist weder das Wesen der thätigen widerstehenden Kräfte bestimmt definirt, noch liegen zuverlässige, nach derselben Methode an demselben Material angestellte Versuche vor, aus denen sich ein Verhältniss oder Zusammenhang zwischen der absoluten und rückwirkenden Festigkeit herleiten liesse. Die vorhandenen Versuche zur Bestimmung der rückwir- kenden Festigkeit der Gesteine sind zum Theil ganz unrichtig angestellt. So sind in dem geologischen Lehrbuche von Pfaff Versuche angeführt *), welche eine ganz exorbitante Festigkeit der Gesteine ergaben. Kalkstein sollte danach einen Druck von 21800 Atmosphären ertragen können. Der Fehler lag darin, dass der zu zerdrückende Stein eine viel grössere Fläche hatte als der drückende Stempel, dass also die Kraft, welche nöthig war, um das umgebende, nicht gedrückte Material zn zersprengen, nicht berück- sichtigt ward. Bekanntlich setzen elastische Körper einer geringen Ausdehnung und Zusammendrückung innerhalb ihrer Elasticitätsgrenze gleichen Widerstand entgegen. Dies macht es wahrscheinlich, dass ein wesentlicher Unter- schied auch da nicht besteht, wo die Elasticitätsgrenze überschritten wird, wo der Körper also reisst oder zerdrückt wird. Man kann sich nun die Aufgabe stellen, die Last zu bestimmen, welche ein möglichst günstig be- lasteter Cylinder in der Richtung seiner Achse zu tragen im Stade ist, wenn nur die Kraft, mit der die Massentheilchen aneinander haften, also nur die absolute Festigkeit als wirksam angesehen wird. Es sei AB eine sehr dünne, cylindrische Scheibe aus festem, homoge- nem und elastischem Material, welche ohne Reibung auf einer festen, ebenen Fläche liegt; der Coefficient der absoluten Festigkeit des Materials der Scheibe sei a. Wird ein concentrischer Ring derselben vom inneren Radius x und dem äusseren Radius x + dx gleichmässig belastet, so wird er sich comprimiren und einen der Belastung entsprechenden Seitendruck nach aussen und innen ausüben. Der erstere wird den umgebenden Ring zersprengen, wenn der Druck auf die Durchschnittsfläche des ganzen Rin- ges grösser wird als die absolute Festigkeit der Ringwand. Für das Gleich- gewicht wäre also, da die Höhe des Ringes aus der Rechnung fällt, wenn z den für das Gleichgewicht erforderlichen Druck auf die Flächeneinheit des Ringes bezeichnet, *) Allgemeine Geologie als exacte Wissenschaft von Dr. Friedr. Pfaff S. 302.

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Zitationshilfe: Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/483>, abgerufen am 22.11.2024.