Die in den Curven B und C dargestellten Versuche sind mit dem Gitter der Mod. II und 3 Zellen angestellt, und zwar war das Gitter bei der Versuchsreihe B in Luft von constanter Tem- peratur, bei Versuchsreihe der Curve C, welche am folgenden Tage ausgeführt wurde, in Petroleum von nahe gleicher Tempe- ratur. Da die elektromotorische Kraft der benutzten Batterie nur 1/4 derjenigen war, mit welcher die Versuchsreihe der Curve A ausgeführt wurde, so müssen die Ordinaten der ersteren mit 4 multiplicirt werden, um mit denen der letzteren vergleichbar zu sein.
Es ergiebt sich aus diesen Curven, dass die Leitungsfähig- keit erst schnell, dann langsamer, fortwährend abnimmt. Nach Aufhören des Stromes nimmt das Selen nach Verlauf einer längeren Zeit seine frühere Leitungsfähigkeit nahe wieder an. Wäre die Erhitzung der Selenmasse durch den Strom die Ur- sache der Verminderung der Leitungsfähigkeit, so müsste eine beträchtliche Verschiedenheit zwischen den Curven B und C vor- handen sein.
Wird die Richtung des Stromes durch das Selen umgekehrt, nachdem seine Leitungsfähigkeit durch den Strom bedeutend ver- mindert ist, so beobachtet man sehr veränderliche und schwer vorherzubestimmende Erscheinungen, die zum Theil von der mehr oder weniger vollständigen Umwandlung des Selens in Mod. I oder II, zum Theil von der Zeit, die seit der Umwandlung ver- flossen ist, abzuhängen scheinen. Manche Gitter sind nur geringen Einflüssen des Stromes unterworfen und zeigen auch nicht die geringste Polarisation, selbst wenn sie mit einer schnellgehenden Wippe darauf geprüft werden. Bei anderen tritt Polarisation auf, wenn die Stromstärke eine gewisse Grenze überschreitet, bei noch anderen endlich tritt sie auch bei ganz schwachen elektro- motorischen Kräften schon auf. Bei diesen, gewöhnlich frisch umgewandelten Gittern sinkt die Leitungsfähigkeit bei andauern- dem Strome nach und nach bis auf einen ganz geringen Betrag. Kehrt man nun die Stromrichtung um, so erhält man keinen Polarisationsausschlag; die erste Ablenkung des Spiegels ist nicht grösser als sie vor der Umkehr war, fängt aber bald darauf an zu steigen und der Strom kann in wenig Minuten den 1000fachen Betrag des anfänglichen erreichen. Nach Ueberschreitung des
Die in den Curven B und C dargestellten Versuche sind mit dem Gitter der Mod. II und 3 Zellen angestellt, und zwar war das Gitter bei der Versuchsreihe B in Luft von constanter Tem- peratur, bei Versuchsreihe der Curve C, welche am folgenden Tage ausgeführt wurde, in Petroleum von nahe gleicher Tempe- ratur. Da die elektromotorische Kraft der benutzten Batterie nur ¼ derjenigen war, mit welcher die Versuchsreihe der Curve A ausgeführt wurde, so müssen die Ordinaten der ersteren mit 4 multiplicirt werden, um mit denen der letzteren vergleichbar zu sein.
Es ergiebt sich aus diesen Curven, dass die Leitungsfähig- keit erst schnell, dann langsamer, fortwährend abnimmt. Nach Aufhören des Stromes nimmt das Selen nach Verlauf einer längeren Zeit seine frühere Leitungsfähigkeit nahe wieder an. Wäre die Erhitzung der Selenmasse durch den Strom die Ur- sache der Verminderung der Leitungsfähigkeit, so müsste eine beträchtliche Verschiedenheit zwischen den Curven B und C vor- handen sein.
Wird die Richtung des Stromes durch das Selen umgekehrt, nachdem seine Leitungsfähigkeit durch den Strom bedeutend ver- mindert ist, so beobachtet man sehr veränderliche und schwer vorherzubestimmende Erscheinungen, die zum Theil von der mehr oder weniger vollständigen Umwandlung des Selens in Mod. I oder II, zum Theil von der Zeit, die seit der Umwandlung ver- flossen ist, abzuhängen scheinen. Manche Gitter sind nur geringen Einflüssen des Stromes unterworfen und zeigen auch nicht die geringste Polarisation, selbst wenn sie mit einer schnellgehenden Wippe darauf geprüft werden. Bei anderen tritt Polarisation auf, wenn die Stromstärke eine gewisse Grenze überschreitet, bei noch anderen endlich tritt sie auch bei ganz schwachen elektro- motorischen Kräften schon auf. Bei diesen, gewöhnlich frisch umgewandelten Gittern sinkt die Leitungsfähigkeit bei andauern- dem Strome nach und nach bis auf einen ganz geringen Betrag. Kehrt man nun die Stromrichtung um, so erhält man keinen Polarisationsausschlag; die erste Ablenkung des Spiegels ist nicht grösser als sie vor der Umkehr war, fängt aber bald darauf an zu steigen und der Strom kann in wenig Minuten den 1000fachen Betrag des anfänglichen erreichen. Nach Ueberschreitung des
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0413"n="391"/><p>Die in den Curven <hirendition="#i">B</hi> und <hirendition="#i">C</hi> dargestellten Versuche sind mit<lb/>
dem Gitter der Mod. II und 3 Zellen angestellt, und zwar war<lb/>
das Gitter bei der Versuchsreihe <hirendition="#i">B</hi> in Luft von constanter Tem-<lb/>
peratur, bei Versuchsreihe der Curve <hirendition="#i">C</hi>, welche am folgenden<lb/>
Tage ausgeführt wurde, in Petroleum von nahe gleicher Tempe-<lb/>
ratur. Da die elektromotorische Kraft der benutzten Batterie nur<lb/>
¼ derjenigen war, mit welcher die Versuchsreihe der Curve <hirendition="#i">A</hi><lb/>
ausgeführt wurde, so müssen die Ordinaten der ersteren mit 4<lb/>
multiplicirt werden, um mit denen der letzteren vergleichbar<lb/>
zu sein.</p><lb/><p>Es ergiebt sich aus diesen Curven, dass die Leitungsfähig-<lb/>
keit erst schnell, dann langsamer, fortwährend abnimmt. Nach<lb/>
Aufhören des Stromes nimmt das Selen nach Verlauf einer<lb/>
längeren Zeit seine frühere Leitungsfähigkeit nahe wieder an.<lb/>
Wäre die Erhitzung der Selenmasse durch den Strom die Ur-<lb/>
sache der Verminderung der Leitungsfähigkeit, so müsste eine<lb/>
beträchtliche Verschiedenheit zwischen den Curven <hirendition="#i">B</hi> und <hirendition="#i">C</hi> vor-<lb/>
handen sein.</p><lb/><p>Wird die Richtung des Stromes durch das Selen umgekehrt,<lb/>
nachdem seine Leitungsfähigkeit durch den Strom bedeutend ver-<lb/>
mindert ist, so beobachtet man sehr veränderliche und schwer<lb/>
vorherzubestimmende Erscheinungen, die zum Theil von der mehr<lb/>
oder weniger vollständigen Umwandlung des Selens in Mod. I<lb/>
oder II, zum Theil von der Zeit, die seit der Umwandlung ver-<lb/>
flossen ist, abzuhängen scheinen. Manche Gitter sind nur geringen<lb/>
Einflüssen des Stromes unterworfen und zeigen auch nicht die<lb/>
geringste Polarisation, selbst wenn sie mit einer schnellgehenden<lb/>
Wippe darauf geprüft werden. Bei anderen tritt Polarisation auf,<lb/>
wenn die Stromstärke eine gewisse Grenze überschreitet, bei<lb/>
noch anderen endlich tritt sie auch bei ganz schwachen elektro-<lb/>
motorischen Kräften schon auf. Bei diesen, gewöhnlich frisch<lb/>
umgewandelten Gittern sinkt die Leitungsfähigkeit bei andauern-<lb/>
dem Strome nach und nach bis auf einen ganz geringen Betrag.<lb/>
Kehrt man nun die Stromrichtung um, so erhält man keinen<lb/>
Polarisationsausschlag; die erste Ablenkung des Spiegels ist nicht<lb/>
grösser als sie vor der Umkehr war, fängt aber bald darauf an<lb/>
zu steigen und der Strom kann in wenig Minuten den 1000fachen<lb/>
Betrag des anfänglichen erreichen. Nach Ueberschreitung des<lb/></p></div></body></text></TEI>
[391/0413]
Die in den Curven B und C dargestellten Versuche sind mit
dem Gitter der Mod. II und 3 Zellen angestellt, und zwar war
das Gitter bei der Versuchsreihe B in Luft von constanter Tem-
peratur, bei Versuchsreihe der Curve C, welche am folgenden
Tage ausgeführt wurde, in Petroleum von nahe gleicher Tempe-
ratur. Da die elektromotorische Kraft der benutzten Batterie nur
¼ derjenigen war, mit welcher die Versuchsreihe der Curve A
ausgeführt wurde, so müssen die Ordinaten der ersteren mit 4
multiplicirt werden, um mit denen der letzteren vergleichbar
zu sein.
Es ergiebt sich aus diesen Curven, dass die Leitungsfähig-
keit erst schnell, dann langsamer, fortwährend abnimmt. Nach
Aufhören des Stromes nimmt das Selen nach Verlauf einer
längeren Zeit seine frühere Leitungsfähigkeit nahe wieder an.
Wäre die Erhitzung der Selenmasse durch den Strom die Ur-
sache der Verminderung der Leitungsfähigkeit, so müsste eine
beträchtliche Verschiedenheit zwischen den Curven B und C vor-
handen sein.
Wird die Richtung des Stromes durch das Selen umgekehrt,
nachdem seine Leitungsfähigkeit durch den Strom bedeutend ver-
mindert ist, so beobachtet man sehr veränderliche und schwer
vorherzubestimmende Erscheinungen, die zum Theil von der mehr
oder weniger vollständigen Umwandlung des Selens in Mod. I
oder II, zum Theil von der Zeit, die seit der Umwandlung ver-
flossen ist, abzuhängen scheinen. Manche Gitter sind nur geringen
Einflüssen des Stromes unterworfen und zeigen auch nicht die
geringste Polarisation, selbst wenn sie mit einer schnellgehenden
Wippe darauf geprüft werden. Bei anderen tritt Polarisation auf,
wenn die Stromstärke eine gewisse Grenze überschreitet, bei
noch anderen endlich tritt sie auch bei ganz schwachen elektro-
motorischen Kräften schon auf. Bei diesen, gewöhnlich frisch
umgewandelten Gittern sinkt die Leitungsfähigkeit bei andauern-
dem Strome nach und nach bis auf einen ganz geringen Betrag.
Kehrt man nun die Stromrichtung um, so erhält man keinen
Polarisationsausschlag; die erste Ablenkung des Spiegels ist nicht
grösser als sie vor der Umkehr war, fängt aber bald darauf an
zu steigen und der Strom kann in wenig Minuten den 1000fachen
Betrag des anfänglichen erreichen. Nach Ueberschreitung des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/413>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.