Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.Von denen verharreten Geburten. Just. Ich glaube es gantz gewiß/ daß dieses Kind bey die- ser Frauen/ da das Wasser noch nicht gebrochen gewesen/ eben so gestanden hat/ wie das Kupffer No. II. anweiset/ nur daß der Ellbogen dem Kopffe vorgelegen/ wie hier die Hand/ weil ich den Arm mit dem Ellbogen so scharff eingedrungen fand/ (wie das erste Kupffer von der letzten Wendung weiset/) daß ich vor dem Arm unmöglich durchkommen konte/ den Fuß oder das Bein des Kindes zu erlangen/ wie ich ihn denn auch habe ablö- sen müßen/ solte die Frau gerettet werden. So war auch der Kopff gantz zurück gepreßet/ wie in demselben Kupffer zusehen. Solche Kinder stehen mehrentheils/ wie schon gemeldet/ bey noch stehendem Wasser/ ehe es bricht/ erstens recht zur Geburt. Ich heiße es recht/ ob es gleich was scheff ist/ weil ihm noch leichte zu helffen/ bey angehender Geburt/ ehe das Wasser bricht. Hal- te demnach dafür/ wenn ich dergleichen Geburten bekomme/ daß ich die Mutter retten sol und muß/ da die Hand des Kindes o- der der Arm in die Geburt eingedrungen/ daß dieselben Kinder bey angehender Geburt alle recht gestanden haben/ und nur aus Verzug der Frauen/ oder durch die unwissende Wehe-Mutter versehen und versäumet werden. Zwar eine Wehe-Mutter kan freylich nicht dafür/ wenn sie zu langsam geruffen wird/ und das Wasser schon gesprungen ist/ wenn sie kommet/ es ist mir sel- ber wiederfahren. Aber so bald sie kommet/ ist es gleichwol ih- re Schuldigkeit/ daß sie die Frau angreiffet/ damit nicht größe- re Gefahr folgen darff/ wenn was unrechts vorhanden wäre. Ist es denn recht und gut/ so ist es desto besser vor die Wehe- Mutter und die Frau. Christ. Wenn es denn die Wehe-Mutter auch nicht verstünde/ und die Frau gleichfalls sich nicht wolte angreif- fen lassen/ was dann zu thun? Just. Es ist schlimm genug/ wenn es die Wehe-Mutter nicht verstehet/ und darum solt du es lernen verstehen. Aber die N
Von denen verharreten Geburten. Juſt. Ich glaube es gantz gewiß/ daß dieſes Kind bey die- ſer Frauen/ da das Waſſer noch nicht gebrochen geweſen/ eben ſo geſtanden hat/ wie das Kupffer No. II. anweiſet/ nur daß der Ellbogen dem Kopffe vorgelegen/ wie hier die Hand/ weil ich den Arm mit dem Ellbogen ſo ſcharff eingedrungen fand/ (wie das erſte Kupffer von der letzten Wendung weiſet/) daß ich vor dem Arm unmoͤglich durchkommen konte/ den Fuß oder das Bein des Kindes zu erlangen/ wie ich ihn denn auch habe abloͤ- ſen muͤßen/ ſolte die Frau gerettet werden. So war auch der Kopff gantz zuruͤck gepreßet/ wie in demſelben Kupffer zuſehen. Solche Kinder ſtehen mehrentheils/ wie ſchon gemeldet/ bey noch ſtehendem Waſſer/ ehe es bricht/ erſtens recht zur Geburt. Ich heiße es recht/ ob es gleich was ſcheff iſt/ weil ihm noch leichte zu helffen/ bey angehender Geburt/ ehe das Waſſer bricht. Hal- te demnach dafuͤr/ wenn ich dergleichen Geburten bekomme/ daß ich die Mutter retten ſol und muß/ da die Hand des Kindes o- der der Arm in die Geburt eingedrungen/ daß dieſelben Kinder bey angehender Geburt alle recht geſtanden haben/ und nur aus Verzug der Frauen/ oder durch die unwiſſende Wehe-Mutter verſehen und verſaͤumet werden. Zwar eine Wehe-Mutter kan freylich nicht dafuͤr/ wenn ſie zu langſam geruffen wird/ und das Waſſer ſchon geſprungen iſt/ wenn ſie kommet/ es iſt mir ſel- ber wiederfahren. Aber ſo bald ſie kommet/ iſt es gleichwol ih- re Schuldigkeit/ daß ſie die Frau angreiffet/ damit nicht groͤße- re Gefahr folgen darff/ wenn was unrechts vorhanden waͤre. Iſt es denn recht und gut/ ſo iſt es deſto beſſer vor die Wehe- Mutter und die Frau. Chriſt. Wenn es denn die Wehe-Mutter auch nicht verſtuͤnde/ und die Frau gleichfalls ſich nicht wolte angreif- fen laſſen/ was dann zu thun? Juſt. Es iſt ſchlimm genug/ wenn es die Wehe-Mutter nicht verſtehet/ und darum ſolt du es lernen verſtehen. Aber die N
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0224" n="97"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Von denen verharreten Geburten.</hi> </fw><lb/> <sp who="#just"> <speaker> <hi rendition="#aq">Juſt.</hi> </speaker> <p>Ich glaube es gantz gewiß/ daß dieſes Kind bey die-<lb/> ſer Frauen/ da das Waſſer noch nicht gebrochen geweſen/ eben<lb/> ſo geſtanden hat/ wie das Kupffer <hi rendition="#aq">No. II.</hi> anweiſet/ nur daß der<lb/> Ellbogen dem Kopffe vorgelegen/ wie hier die Hand/ weil ich<lb/> den Arm mit dem Ellbogen ſo ſcharff eingedrungen fand/ (wie<lb/> das erſte Kupffer von der letzten Wendung weiſet/) daß ich<lb/> vor dem Arm unmoͤglich durchkommen konte/ den Fuß oder das<lb/> Bein des Kindes zu erlangen/ wie ich ihn denn auch habe abloͤ-<lb/> ſen muͤßen/ ſolte die Frau gerettet werden. So war auch der<lb/> Kopff gantz zuruͤck gepreßet/ wie in demſelben Kupffer zuſehen.<lb/> Solche Kinder ſtehen mehrentheils/ wie ſchon gemeldet/ bey noch<lb/> ſtehendem Waſſer/ ehe es bricht/ erſtens recht zur Geburt. Ich<lb/> heiße es recht/ ob es gleich was ſcheff iſt/ weil ihm noch leichte zu<lb/> helffen/ bey angehender Geburt/ ehe das Waſſer bricht. Hal-<lb/> te demnach dafuͤr/ wenn ich dergleichen Geburten bekomme/ daß<lb/> ich die Mutter retten ſol und muß/ da die Hand des Kindes o-<lb/> der der Arm in die Geburt eingedrungen/ daß dieſelben Kinder<lb/> bey angehender Geburt alle recht geſtanden haben/ und nur aus<lb/> Verzug der Frauen/ oder durch die unwiſſende Wehe-Mutter<lb/> verſehen und verſaͤumet werden. Zwar eine Wehe-Mutter kan<lb/> freylich nicht dafuͤr/ wenn ſie zu langſam geruffen wird/ und das<lb/> Waſſer ſchon geſprungen iſt/ wenn ſie kommet/ es iſt mir ſel-<lb/> ber wiederfahren. Aber ſo bald ſie kommet/ iſt es gleichwol ih-<lb/> re Schuldigkeit/ daß ſie die Frau angreiffet/ damit nicht groͤße-<lb/> re Gefahr folgen darff/ wenn was unrechts vorhanden waͤre.<lb/> Iſt es denn recht und gut/ ſo iſt es deſto beſſer vor die Wehe-<lb/> Mutter und die Frau.</p> </sp><lb/> <sp who="#christ"> <speaker> <hi rendition="#aq">Chriſt.</hi> </speaker> <p> <hi rendition="#fr">Wenn es denn die Wehe-Mutter auch nicht<lb/> verſtuͤnde/ und die Frau gleichfalls ſich nicht wolte angreif-<lb/> fen laſſen/ was dann zu thun?</hi> </p> </sp><lb/> <sp who="#just"> <speaker> <hi rendition="#aq">Juſt.</hi> </speaker> <p>Es iſt ſchlimm genug/ wenn es die Wehe-Mutter<lb/> nicht verſtehet/ und darum ſolt du es lernen verſtehen. Aber<lb/> <fw place="bottom" type="sig">N</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0224]
Von denen verharreten Geburten.
Juſt. Ich glaube es gantz gewiß/ daß dieſes Kind bey die-
ſer Frauen/ da das Waſſer noch nicht gebrochen geweſen/ eben
ſo geſtanden hat/ wie das Kupffer No. II. anweiſet/ nur daß der
Ellbogen dem Kopffe vorgelegen/ wie hier die Hand/ weil ich
den Arm mit dem Ellbogen ſo ſcharff eingedrungen fand/ (wie
das erſte Kupffer von der letzten Wendung weiſet/) daß ich
vor dem Arm unmoͤglich durchkommen konte/ den Fuß oder das
Bein des Kindes zu erlangen/ wie ich ihn denn auch habe abloͤ-
ſen muͤßen/ ſolte die Frau gerettet werden. So war auch der
Kopff gantz zuruͤck gepreßet/ wie in demſelben Kupffer zuſehen.
Solche Kinder ſtehen mehrentheils/ wie ſchon gemeldet/ bey noch
ſtehendem Waſſer/ ehe es bricht/ erſtens recht zur Geburt. Ich
heiße es recht/ ob es gleich was ſcheff iſt/ weil ihm noch leichte zu
helffen/ bey angehender Geburt/ ehe das Waſſer bricht. Hal-
te demnach dafuͤr/ wenn ich dergleichen Geburten bekomme/ daß
ich die Mutter retten ſol und muß/ da die Hand des Kindes o-
der der Arm in die Geburt eingedrungen/ daß dieſelben Kinder
bey angehender Geburt alle recht geſtanden haben/ und nur aus
Verzug der Frauen/ oder durch die unwiſſende Wehe-Mutter
verſehen und verſaͤumet werden. Zwar eine Wehe-Mutter kan
freylich nicht dafuͤr/ wenn ſie zu langſam geruffen wird/ und das
Waſſer ſchon geſprungen iſt/ wenn ſie kommet/ es iſt mir ſel-
ber wiederfahren. Aber ſo bald ſie kommet/ iſt es gleichwol ih-
re Schuldigkeit/ daß ſie die Frau angreiffet/ damit nicht groͤße-
re Gefahr folgen darff/ wenn was unrechts vorhanden waͤre.
Iſt es denn recht und gut/ ſo iſt es deſto beſſer vor die Wehe-
Mutter und die Frau.
Chriſt. Wenn es denn die Wehe-Mutter auch nicht
verſtuͤnde/ und die Frau gleichfalls ſich nicht wolte angreif-
fen laſſen/ was dann zu thun?
Juſt. Es iſt ſchlimm genug/ wenn es die Wehe-Mutter
nicht verſtehet/ und darum ſolt du es lernen verſtehen. Aber
die
N
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |