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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Rhodeus.
liche Legeröhre, welche sich an dem weiblichen Bitterling bei dem Eintritt der
Laichzeit allmählich entwickelt und, sowie die Eier im Eierstocke ihre Reife er-
langt haben, vor der Afterflosse zweizölliger Bitterlinge als ein bis zu 81/2 Linien
ausgewachsener wurmförmiger Strang frei am Hinterleibe herabhängt (Taf. I.
Fig. 2). Ich habe diese Legeröhre bei grösseren Individuen 11/2 bis 2 Zoll lang
entwickelt gesehen. Dieses Organ ragt bei seiner stärksten Entwicklung mit
seiner Spitze oft über das Ende der Schwanzflosse hinaus, was dem Fischchen
während des Schwimmens ein ganz sonderbares Ansehen verleiht; man möchte
glauben, es hienge dem Thiere ein verschluckter Regenwurm oder der eigene
Darm aus dem After hervor. Dass dieses Organ wirklich eine Legeröhre ist,
davon konnte ich mich bei einem Besuch des Strassburger Fischmarktes über-
zeugen, auf welchem ich am 16ten April 1858 eine ungeheure Menge in den
todten Armen des Rheins gefangener Bitterlinge zum Verkauf ausgeboten fand;
viele Weibchen waren eben im Begriffe ihre gelben Eier abzulegen, wobei die
lange Legeröhre fast einer Perlschnur glich, indem sie von der Wurzel bis zur
Spitze in einfacher Reihe hintereinander von schwefelgelben Eiern angefüllt
und ausgedehnt war. Da die Schalen dieser Eier sehr elastisch sind und die
Legeröhre im Verhältniss zu dem Durchmesser der grossen ovalen Eier des
Bitterling eng ist, so nehmen diese Eier, indem sie durch die Legeröhre hin-
durchgleiten, eine cylindrische Form an, welche augenblicklich wieder ver-
schwindet, sobald die Eier aus der Spitze der Legeröhre hervorgetreten sind.
Sehr interessant erscheint der Umstand, dass diese lange Legeröhre jedesmal,
nachdem sie ihre Function verrichtet hat, sich wieder verkürzt, und so weit
zurückbildet, dass sie zuletzt bis auf eine ganz kurze, 11/2 Linie lange, röth-
liche Papille eingeschrumpft erscheint; in diesem verkürzten und einge-
schrumpften Zustande habe ich die Legeröhre vor der Afterflosse an allen
Bitterlings-Weibchen, welche ich den Winter über in dem Aquarium des
hiesigen physiologischen Instituts lebend aufbewahrt hatte, hervorragen sehen.

Der Rhodeus amarus weicht in noch vielen anderen Organisations-Ver-
hältnissen von unseren übrigen Cyprinoiden ab, dass ich nicht umhin kann, zu
den anatomischen Bemerkungen, welche Heckel und Kner über diesen Fisch
bekannt gemacht haben, noch folgendes hinzuzufügen.

Der sehr lange Darm des Bitterlings, welcher nach Heckel und Kner
(Nr. 13: pag. 102) in 5 Umgängen spiralig gewunden ist, zeigt genauer be-
trachtet zwei Paquete von Windungen: das eine Paquet kömmt bei Eröffnung
der Bauchhöhle zu Tage und bildet die weitesten Schlingen, unter diesem
Paquet liegt das zweite verborgen, welches aus nur engen Schlingen besteht,
und in die hinter dem Darme befindliche Leber eingedrückt ist. In die äussere
Spiralwindung des Darms geht der Magen über und aus der innersten Darm-
windung tritt der Mastdarm hervor. Den ganzen Darm fand ich stets von
gründlichen Algen-Trümmern und Diatomeen angefüllt. Die beiden hinter dem

Gattung: Rhodeus.
liche Legeröhre, welche sich an dem weiblichen Bitterling bei dem Eintritt der
Laichzeit allmählich entwickelt und, sowie die Eier im Eierstocke ihre Reife er-
langt haben, vor der Afterflosse zweizölliger Bitterlinge als ein bis zu 8½ Linien
ausgewachsener wurmförmiger Strang frei am Hinterleibe herabhängt (Taf. I.
Fig. 2). Ich habe diese Legeröhre bei grösseren Individuen 1½ bis 2 Zoll lang
entwickelt gesehen. Dieses Organ ragt bei seiner stärksten Entwicklung mit
seiner Spitze oft über das Ende der Schwanzflosse hinaus, was dem Fischchen
während des Schwimmens ein ganz sonderbares Ansehen verleiht; man möchte
glauben, es hienge dem Thiere ein verschluckter Regenwurm oder der eigene
Darm aus dem After hervor. Dass dieses Organ wirklich eine Legeröhre ist,
davon konnte ich mich bei einem Besuch des Strassburger Fischmarktes über-
zeugen, auf welchem ich am 16ten April 1858 eine ungeheure Menge in den
todten Armen des Rheins gefangener Bitterlinge zum Verkauf ausgeboten fand;
viele Weibchen waren eben im Begriffe ihre gelben Eier abzulegen, wobei die
lange Legeröhre fast einer Perlschnur glich, indem sie von der Wurzel bis zur
Spitze in einfacher Reihe hintereinander von schwefelgelben Eiern angefüllt
und ausgedehnt war. Da die Schalen dieser Eier sehr elastisch sind und die
Legeröhre im Verhältniss zu dem Durchmesser der grossen ovalen Eier des
Bitterling eng ist, so nehmen diese Eier, indem sie durch die Legeröhre hin-
durchgleiten, eine cylindrische Form an, welche augenblicklich wieder ver-
schwindet, sobald die Eier aus der Spitze der Legeröhre hervorgetreten sind.
Sehr interessant erscheint der Umstand, dass diese lange Legeröhre jedesmal,
nachdem sie ihre Function verrichtet hat, sich wieder verkürzt, und so weit
zurückbildet, dass sie zuletzt bis auf eine ganz kurze, 1½ Linie lange, röth-
liche Papille eingeschrumpft erscheint; in diesem verkürzten und einge-
schrumpften Zustande habe ich die Legeröhre vor der Afterflosse an allen
Bitterlings-Weibchen, welche ich den Winter über in dem Aquarium des
hiesigen physiologischen Instituts lebend aufbewahrt hatte, hervorragen sehen.

Der Rhodeus amarus weicht in noch vielen anderen Organisations-Ver-
hältnissen von unseren übrigen Cyprinoiden ab, dass ich nicht umhin kann, zu
den anatomischen Bemerkungen, welche Heckel und Kner über diesen Fisch
bekannt gemacht haben, noch folgendes hinzuzufügen.

Der sehr lange Darm des Bitterlings, welcher nach Heckel und Kner
(Nr. 13: pag. 102) in 5 Umgängen spiralig gewunden ist, zeigt genauer be-
trachtet zwei Paquete von Windungen: das eine Paquet kömmt bei Eröffnung
der Bauchhöhle zu Tage und bildet die weitesten Schlingen, unter diesem
Paquet liegt das zweite verborgen, welches aus nur engen Schlingen besteht,
und in die hinter dem Darme befindliche Leber eingedrückt ist. In die äussere
Spiralwindung des Darms geht der Magen über und aus der innersten Darm-
windung tritt der Mastdarm hervor. Den ganzen Darm fand ich stets von
gründlichen Algen-Trümmern und Diatomeen angefüllt. Die beiden hinter dem

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[119/0132] Gattung: Rhodeus. liche Legeröhre, welche sich an dem weiblichen Bitterling bei dem Eintritt der Laichzeit allmählich entwickelt und, sowie die Eier im Eierstocke ihre Reife er- langt haben, vor der Afterflosse zweizölliger Bitterlinge als ein bis zu 8½ Linien ausgewachsener wurmförmiger Strang frei am Hinterleibe herabhängt (Taf. I. Fig. 2). Ich habe diese Legeröhre bei grösseren Individuen 1½ bis 2 Zoll lang entwickelt gesehen. Dieses Organ ragt bei seiner stärksten Entwicklung mit seiner Spitze oft über das Ende der Schwanzflosse hinaus, was dem Fischchen während des Schwimmens ein ganz sonderbares Ansehen verleiht; man möchte glauben, es hienge dem Thiere ein verschluckter Regenwurm oder der eigene Darm aus dem After hervor. Dass dieses Organ wirklich eine Legeröhre ist, davon konnte ich mich bei einem Besuch des Strassburger Fischmarktes über- zeugen, auf welchem ich am 16ten April 1858 eine ungeheure Menge in den todten Armen des Rheins gefangener Bitterlinge zum Verkauf ausgeboten fand; viele Weibchen waren eben im Begriffe ihre gelben Eier abzulegen, wobei die lange Legeröhre fast einer Perlschnur glich, indem sie von der Wurzel bis zur Spitze in einfacher Reihe hintereinander von schwefelgelben Eiern angefüllt und ausgedehnt war. Da die Schalen dieser Eier sehr elastisch sind und die Legeröhre im Verhältniss zu dem Durchmesser der grossen ovalen Eier des Bitterling eng ist, so nehmen diese Eier, indem sie durch die Legeröhre hin- durchgleiten, eine cylindrische Form an, welche augenblicklich wieder ver- schwindet, sobald die Eier aus der Spitze der Legeröhre hervorgetreten sind. Sehr interessant erscheint der Umstand, dass diese lange Legeröhre jedesmal, nachdem sie ihre Function verrichtet hat, sich wieder verkürzt, und so weit zurückbildet, dass sie zuletzt bis auf eine ganz kurze, 1½ Linie lange, röth- liche Papille eingeschrumpft erscheint; in diesem verkürzten und einge- schrumpften Zustande habe ich die Legeröhre vor der Afterflosse an allen Bitterlings-Weibchen, welche ich den Winter über in dem Aquarium des hiesigen physiologischen Instituts lebend aufbewahrt hatte, hervorragen sehen. Der Rhodeus amarus weicht in noch vielen anderen Organisations-Ver- hältnissen von unseren übrigen Cyprinoiden ab, dass ich nicht umhin kann, zu den anatomischen Bemerkungen, welche Heckel und Kner über diesen Fisch bekannt gemacht haben, noch folgendes hinzuzufügen. Der sehr lange Darm des Bitterlings, welcher nach Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 102) in 5 Umgängen spiralig gewunden ist, zeigt genauer be- trachtet zwei Paquete von Windungen: das eine Paquet kömmt bei Eröffnung der Bauchhöhle zu Tage und bildet die weitesten Schlingen, unter diesem Paquet liegt das zweite verborgen, welches aus nur engen Schlingen besteht, und in die hinter dem Darme befindliche Leber eingedrückt ist. In die äussere Spiralwindung des Darms geht der Magen über und aus der innersten Darm- windung tritt der Mastdarm hervor. Den ganzen Darm fand ich stets von gründlichen Algen-Trümmern und Diatomeen angefüllt. Die beiden hinter dem

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/132>, abgerufen am 24.11.2024.