wie ich weiter unten nachweisen werde, ein specifischer Unterschied zwi- schen den natürlichen Abramis-Arten auch an den Schlundknochen und Schlundzähnen sich sehr bestimmt ausspricht.
[Abbildung]
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Fig. 1.
Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Die Schlundzähne des Karpfen, welcher sich meistens von zersetz- ten Pflanzenstoffen und Schlamm ernährt, schleifen sich, mit Aus- nahme des vordersten Zahnes, der seine sphärische Krone stets be- hält, durch den Gebrauch nach und nach ab, und erhalten mit der Zeit, wie die Backenzähne der Wieder- käuer und vieler Nagethiere, an den Seiten ihrer Krone einen un- organisirten braunschwarzen Ueberzug, wobei auch die Furchen der abge- schliffenen Kauflächen ebenfalls mit dieser braunschwarzen Substanz ausge- füllt werden. Jedenfalls setzt sich diese Kruste nach Art des Weinsteins, von den Futterstoffen ab, da die Zähne der Karpfen bei ihrer Entwicklung ganz rein und ungefärbt aus den Zahnsäcken hervortreten. Die Furchen sind mei- stens doppelt und dreifach auf den Kauflächen der Schlundzähne vorhanden und stellen zackige Linien dar.
Der gemeine Karpf ist höchst wahrscheinlich sowohl in der Donau wie im Rhein und Main ursprünglich einheimisch gewesen, immerhin wird es aber bei der allgemeinen Verbreitung des Karpfen als Culturfisch schwer zu ent- scheiden sein, ob das Vorkommen dieses Fisches in diesem oder jenem Ge- wässer nicht etwa durch Einsetzen oder Uebertreten aus Teichen veranlasst worden ist. Von dem im nordöstlichen Deutschland allgemein verbreiteten Karpfen weiss man es bestimmt, dass er von südlichen Gegenden Europa's künstlich dorthin verpflanzt worden ist.
Während der Laichzeit des gemeinen Karpfen, welche in den Monat Mai und Juni fällt, sich aber auch bis gegen den August verspäten kann, ent- wickeln sich in dem schleimigen Hautüberzug (Epithelium) der männlichen Individuen auf dem Scheitel, auf den Wangen und dem Kiemendeckel-Appa- rate viele kleine, unregelmässig zerstreute weissliche Warzen, auch auf der inneren Seite des ersten bis siebenten Brustflossenstrahls kömmt eine schmale Reihe dieses warzenartigen Hautausschlags zum Vorschein.
Eine ganz eigenthümliche Erscheinung, welche man schon seit lange im Volke gekannt hat, welche aber von den Physiologen gänzlich unbeachtet ge- blieben ist, kann ich hier nicht unerwähnt lassen, nämlich die Sterilität, durch welche sich manche Karpfen auszeichnen. Aus gewissen, bis jetzt un- bekannt gebliebenen Ursachen kommen in sterilen Karpfen weder Hoden
Gattung: Cyprinus.
wie ich weiter unten nachweisen werde, ein specifischer Unterschied zwi- schen den natürlichen Abramis-Arten auch an den Schlundknochen und Schlundzähnen sich sehr bestimmt ausspricht.
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Fig. 1.
Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Die Schlundzähne des Karpfen, welcher sich meistens von zersetz- ten Pflanzenstoffen und Schlamm ernährt, schleifen sich, mit Aus- nahme des vordersten Zahnes, der seine sphärische Krone stets be- hält, durch den Gebrauch nach und nach ab, und erhalten mit der Zeit, wie die Backenzähne der Wieder- käuer und vieler Nagethiere, an den Seiten ihrer Krone einen un- organisirten braunschwarzen Ueberzug, wobei auch die Furchen der abge- schliffenen Kauflächen ebenfalls mit dieser braunschwarzen Substanz ausge- füllt werden. Jedenfalls setzt sich diese Kruste nach Art des Weinsteins, von den Futterstoffen ab, da die Zähne der Karpfen bei ihrer Entwicklung ganz rein und ungefärbt aus den Zahnsäcken hervortreten. Die Furchen sind mei- stens doppelt und dreifach auf den Kauflächen der Schlundzähne vorhanden und stellen zackige Linien dar.
Der gemeine Karpf ist höchst wahrscheinlich sowohl in der Donau wie im Rhein und Main ursprünglich einheimisch gewesen, immerhin wird es aber bei der allgemeinen Verbreitung des Karpfen als Culturfisch schwer zu ent- scheiden sein, ob das Vorkommen dieses Fisches in diesem oder jenem Ge- wässer nicht etwa durch Einsetzen oder Uebertreten aus Teichen veranlasst worden ist. Von dem im nordöstlichen Deutschland allgemein verbreiteten Karpfen weiss man es bestimmt, dass er von südlichen Gegenden Europa’s künstlich dorthin verpflanzt worden ist.
Während der Laichzeit des gemeinen Karpfen, welche in den Monat Mai und Juni fällt, sich aber auch bis gegen den August verspäten kann, ent- wickeln sich in dem schleimigen Hautüberzug (Epithelium) der männlichen Individuen auf dem Scheitel, auf den Wangen und dem Kiemendeckel-Appa- rate viele kleine, unregelmässig zerstreute weissliche Warzen, auch auf der inneren Seite des ersten bis siebenten Brustflossenstrahls kömmt eine schmale Reihe dieses warzenartigen Hautausschlags zum Vorschein.
Eine ganz eigenthümliche Erscheinung, welche man schon seit lange im Volke gekannt hat, welche aber von den Physiologen gänzlich unbeachtet ge- blieben ist, kann ich hier nicht unerwähnt lassen, nämlich die Sterilität, durch welche sich manche Karpfen auszeichnen. Aus gewissen, bis jetzt un- bekannt gebliebenen Ursachen kommen in sterilen Karpfen weder Hoden
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Gattung: Cyprinus.
wie ich weiter unten nachweisen werde, ein specifischer Unterschied zwi-
schen den natürlichen Abramis-Arten auch an den Schlundknochen und
Schlundzähnen sich sehr bestimmt ausspricht.
[Abbildung]
[Abbildung Fig. 1.
Schlundknochen und Schlundzähne
(nach Heckel und Kner). ]
Die Schlundzähne des Karpfen,
welcher sich meistens von zersetz-
ten Pflanzenstoffen und Schlamm
ernährt, schleifen sich, mit Aus-
nahme des vordersten Zahnes, der
seine sphärische Krone stets be-
hält, durch den Gebrauch nach und
nach ab, und erhalten mit der Zeit,
wie die Backenzähne der Wieder-
käuer und vieler Nagethiere, an
den Seiten ihrer Krone einen un-
organisirten braunschwarzen Ueberzug, wobei auch die Furchen der abge-
schliffenen Kauflächen ebenfalls mit dieser braunschwarzen Substanz ausge-
füllt werden. Jedenfalls setzt sich diese Kruste nach Art des Weinsteins, von
den Futterstoffen ab, da die Zähne der Karpfen bei ihrer Entwicklung ganz
rein und ungefärbt aus den Zahnsäcken hervortreten. Die Furchen sind mei-
stens doppelt und dreifach auf den Kauflächen der Schlundzähne vorhanden
und stellen zackige Linien dar.
Der gemeine Karpf ist höchst wahrscheinlich sowohl in der Donau wie im
Rhein und Main ursprünglich einheimisch gewesen, immerhin wird es aber
bei der allgemeinen Verbreitung des Karpfen als Culturfisch schwer zu ent-
scheiden sein, ob das Vorkommen dieses Fisches in diesem oder jenem Ge-
wässer nicht etwa durch Einsetzen oder Uebertreten aus Teichen veranlasst
worden ist. Von dem im nordöstlichen Deutschland allgemein verbreiteten
Karpfen weiss man es bestimmt, dass er von südlichen Gegenden Europa’s
künstlich dorthin verpflanzt worden ist.
Während der Laichzeit des gemeinen Karpfen, welche in den Monat Mai
und Juni fällt, sich aber auch bis gegen den August verspäten kann, ent-
wickeln sich in dem schleimigen Hautüberzug (Epithelium) der männlichen
Individuen auf dem Scheitel, auf den Wangen und dem Kiemendeckel-Appa-
rate viele kleine, unregelmässig zerstreute weissliche Warzen, auch auf der
inneren Seite des ersten bis siebenten Brustflossenstrahls kömmt eine schmale
Reihe dieses warzenartigen Hautausschlags zum Vorschein.
Eine ganz eigenthümliche Erscheinung, welche man schon seit lange im
Volke gekannt hat, welche aber von den Physiologen gänzlich unbeachtet ge-
blieben ist, kann ich hier nicht unerwähnt lassen, nämlich die Sterilität,
durch welche sich manche Karpfen auszeichnen. Aus gewissen, bis jetzt un-
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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/102>, abgerufen am 29.07.2024.
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