Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seyfried, Johann Heinrich: Medulla Mirabilium Naturae. Nürnberg, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Natur.
still/ und unbekant bleibt: Also ist er in der Essenz
ein Wesen und Bildnis nach denen ausgehenden
wesentlichen und würcklichen Kräfften/ welchen
nach die Essenz gebildet wird; denn des Willens
Leben wird aus den Essentien erbohren. Jst
also das Leben der Sohn oder die Geburt der Es-
senz:
der Wille aber in deme die Figur des Le-
bens stehet/ ist also zu reden/ der Vatter der Es-
senti
en; weilen ohne den Willen keine Essenz
entstehen kan/ sintemal in dem Willen urständet
das Begehren; aus und in welchem die Essen-
ti
en sich gebären. Alldieweilen dann der erste
Wille ungründlich ist/ und als ein ewiges Nichts
zu achten; so betrachtet man denselben gleich
einen Spigel/ in welchem jemand seine eigene
Bildnis siehet/ die der Lebendigen gleichet/ und
doch kein Leben hat/ sondern nur eine Figur des
Lebens vorstellet. Wir wollen dis verstanden
haben/ daß ausser der Natur eine ewige Stille
und Ruhe sey/ so das Nichts genannt wird; und
dann verstehen wir/ daß in dem ewigen Nichts
ein auch ewiger Wille urstände/ das Nichts in
etwas einzuführen/ daß der Wille sich finde/ fühle/
und schaue/ dann in Nichts wäre der Wille ihme
nicht offenbahr; nun ist aber erkänntlich/ daß
der Wille sich selber suche und auch finde; und
sein Suchen ist eine Begierde/ das Finden aber
ist der Begierde Wesen/ darinnen sich der Wille
findet. Er findet nichts als nur die Eigenschafft
des Hungers/ welche er selber ist/ diese ziehet er in

sich/
B ij

Von der Natur.
ſtill/ und unbekant bleibt: Alſo iſt er in der Eſſenz
ein Weſen und Bildnis nach denen ausgehenden
weſentlichen und würcklichen Kräfften/ welchen
nach die Eſſenz gebildet wird; denn des Willens
Leben wird aus den Eſſentien erbohren. Jſt
alſo das Leben der Sohn oder die Geburt der Eſ-
ſenz:
der Wille aber in deme die Figur des Le-
bens ſtehet/ iſt alſo zu reden/ der Vatter der Eſ-
ſenti
en; weilen ohne den Willen keine Eſſenz
entſtehen kan/ ſintemal in dem Willen urſtändet
das Begehren; aus und in welchem die Eſſen-
ti
en ſich gebären. Alldieweilen dann der erſte
Wille ungründlich iſt/ und als ein ewiges Nichts
zu achten; ſo betrachtet man denſelben gleich
einen Spigel/ in welchem jemand ſeine eigene
Bildnis ſiehet/ die der Lebendigen gleichet/ und
doch kein Leben hat/ ſondern nur eine Figur des
Lebens vorſtellet. Wir wollen dis verſtanden
haben/ daß auſſer der Natur eine ewige Stille
und Ruhe ſey/ ſo das Nichts genannt wird; und
dann verſtehen wir/ daß in dem ewigen Nichts
ein auch ewiger Wille urſtände/ das Nichts in
etwas einzuführen/ daß der Wille ſich finde/ fühle/
und ſchaue/ dann in Nichts wäre der Wille ihme
nicht offenbahr; nun iſt aber erkänntlich/ daß
der Wille ſich ſelber ſuche und auch finde; und
ſein Suchen iſt eine Begierde/ das Finden aber
iſt der Begierde Weſen/ darinnen ſich der Wille
findet. Er findet nichts als nur die Eigenſchafft
des Hungers/ welche er ſelber iſt/ dieſe ziehet er in

ſich/
B ij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0109" n="19"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Natur.</hi></fw><lb/>
&#x017F;till/ und unbekant bleibt: Al&#x017F;o i&#x017F;t er in der <hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;enz</hi><lb/>
ein We&#x017F;en und Bildnis nach denen ausgehenden<lb/>
we&#x017F;entlichen und würcklichen Kräfften/ welchen<lb/>
nach die <hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;enz</hi> gebildet wird; denn des Willens<lb/>
Leben wird aus den <hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;enti</hi>en erbohren. J&#x017F;t<lb/>
al&#x017F;o das Leben der Sohn oder die Geburt der <hi rendition="#aq">E&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enz:</hi> der Wille aber in deme die Figur des Le-<lb/>
bens &#x017F;tehet/ i&#x017F;t al&#x017F;o zu reden/ der Vatter der <hi rendition="#aq">E&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enti</hi>en; weilen ohne den Willen keine <hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;enz</hi><lb/>
ent&#x017F;tehen kan/ &#x017F;intemal in dem Willen ur&#x017F;tändet<lb/>
das Begehren; aus und in welchem die <hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
ti</hi>en &#x017F;ich gebären. Alldieweilen dann der er&#x017F;te<lb/>
Wille ungründlich i&#x017F;t/ und als ein ewiges Nichts<lb/>
zu achten; &#x017F;o betrachtet man den&#x017F;elben gleich<lb/>
einen Spigel/ in welchem jemand &#x017F;eine eigene<lb/>
Bildnis &#x017F;iehet/ die der Lebendigen gleichet/ und<lb/>
doch kein Leben hat/ &#x017F;ondern nur eine Figur des<lb/>
Lebens vor&#x017F;tellet. Wir wollen dis ver&#x017F;tanden<lb/>
haben/ daß au&#x017F;&#x017F;er der Natur eine ewige Stille<lb/>
und Ruhe &#x017F;ey/ &#x017F;o das Nichts genannt wird; und<lb/>
dann ver&#x017F;tehen wir/ daß in dem ewigen Nichts<lb/>
ein auch ewiger Wille ur&#x017F;tände/ das Nichts in<lb/>
etwas einzuführen/ daß der Wille &#x017F;ich finde/ fühle/<lb/>
und &#x017F;chaue/ dann in Nichts wäre der Wille ihme<lb/>
nicht offenbahr; nun i&#x017F;t aber erkänntlich/ daß<lb/>
der Wille &#x017F;ich &#x017F;elber &#x017F;uche und auch finde; und<lb/>
&#x017F;ein Suchen i&#x017F;t eine Begierde/ das Finden aber<lb/>
i&#x017F;t der Begierde We&#x017F;en/ darinnen &#x017F;ich der Wille<lb/>
findet. Er findet nichts als nur die Eigen&#x017F;chafft<lb/>
des Hungers/ welche er &#x017F;elber i&#x017F;t/ die&#x017F;e ziehet er in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B ij</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0109] Von der Natur. ſtill/ und unbekant bleibt: Alſo iſt er in der Eſſenz ein Weſen und Bildnis nach denen ausgehenden weſentlichen und würcklichen Kräfften/ welchen nach die Eſſenz gebildet wird; denn des Willens Leben wird aus den Eſſentien erbohren. Jſt alſo das Leben der Sohn oder die Geburt der Eſ- ſenz: der Wille aber in deme die Figur des Le- bens ſtehet/ iſt alſo zu reden/ der Vatter der Eſ- ſentien; weilen ohne den Willen keine Eſſenz entſtehen kan/ ſintemal in dem Willen urſtändet das Begehren; aus und in welchem die Eſſen- tien ſich gebären. Alldieweilen dann der erſte Wille ungründlich iſt/ und als ein ewiges Nichts zu achten; ſo betrachtet man denſelben gleich einen Spigel/ in welchem jemand ſeine eigene Bildnis ſiehet/ die der Lebendigen gleichet/ und doch kein Leben hat/ ſondern nur eine Figur des Lebens vorſtellet. Wir wollen dis verſtanden haben/ daß auſſer der Natur eine ewige Stille und Ruhe ſey/ ſo das Nichts genannt wird; und dann verſtehen wir/ daß in dem ewigen Nichts ein auch ewiger Wille urſtände/ das Nichts in etwas einzuführen/ daß der Wille ſich finde/ fühle/ und ſchaue/ dann in Nichts wäre der Wille ihme nicht offenbahr; nun iſt aber erkänntlich/ daß der Wille ſich ſelber ſuche und auch finde; und ſein Suchen iſt eine Begierde/ das Finden aber iſt der Begierde Weſen/ darinnen ſich der Wille findet. Er findet nichts als nur die Eigenſchafft des Hungers/ welche er ſelber iſt/ dieſe ziehet er in ſich/ B ij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seyfried_medulla_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seyfried_medulla_1679/109
Zitationshilfe: Seyfried, Johann Heinrich: Medulla Mirabilium Naturae. Nürnberg, 1679, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seyfried_medulla_1679/109>, abgerufen am 27.04.2024.