gleich an dem Ufer der Mürz, steht ein schönes Land¬ haus; auf der einen Seite desselben siehst Du auf der Gartenmauer Pomona mit ihrem ganzen Gefolge in sehr grotesken Statüen abgebildet, und auf der andern die Musik mit den meisten Instrumenten nach der Reihe noch grotesker und fast an Karikatur gränzend. Das Ganze ist schnakisch genug, und thut eine possier¬ lich angenehme Wirkung. Der Trägerin des Füllhorns fehlte der Kopf, und da die ganze Gesellschaft ziem¬ lich beschneyt war, konnte man nicht entdecken, ob er abgeschlagen war oder ob man sie absichtlich ohne Kopf hingestellt hatte. Die Oerter in der Gegend ha¬ ben alle das Ansehen der Wohlhabenheit.
Bey Röthelstein beschwerte sich ein Landmann, mit dem ich eine Meile ging, über den Schaden, den die Wölfe und Luchse anrichteten, die aus den Ber¬ gen herab kämen. Der Schnee ward hoch und die Kälte schneidend, und ich eilte nach Pegau, bloss weil der Ort für mich einen vaterländischen Namen hatte. Aber das Quartier war so traurig als ich es kaum auf der ganzen Reise angetroffen hatte. Man sperrte mich mit einem Kandidaten der Rechte zusammen, der aus der Provinz nach Gräz zum Examen ging und der mich durch seine drolligen Schilderungen der öffentli¬ chen Verhältnisse in Steyermark, für das schlechte Wirthshaus entschädigte. Er hatte viel Vorliebe für die Tyroler, ob er gleich ein Steyermärker war, und lobte Klagenfurt nach allen Prädikamenten. Mit ihm ging ich vollends hierher.
Gräz ist eine der schönsten grossen Gegenden, die ich bis jetzt gesehen habe; die Berge rund umher ge¬
gleich an dem Ufer der Mürz, steht ein schönes Land¬ haus; auf der einen Seite desselben siehst Du auf der Gartenmauer Pomona mit ihrem ganzen Gefolge in sehr grotesken Statüen abgebildet, und auf der andern die Musik mit den meisten Instrumenten nach der Reihe noch grotesker und fast an Karikatur gränzend. Das Ganze ist schnakisch genug, und thut eine possier¬ lich angenehme Wirkung. Der Trägerin des Füllhorns fehlte der Kopf, und da die ganze Gesellschaft ziem¬ lich beschneyt war, konnte man nicht entdecken, ob er abgeschlagen war oder ob man sie absichtlich ohne Kopf hingestellt hatte. Die Oerter in der Gegend ha¬ ben alle das Ansehen der Wohlhabenheit.
Bey Röthelstein beschwerte sich ein Landmann, mit dem ich eine Meile ging, über den Schaden, den die Wölfe und Luchse anrichteten, die aus den Ber¬ gen herab kämen. Der Schnee ward hoch und die Kälte schneidend, und ich eilte nach Pegau, bloſs weil der Ort für mich einen vaterländischen Namen hatte. Aber das Quartier war so traurig als ich es kaum auf der ganzen Reise angetroffen hatte. Man sperrte mich mit einem Kandidaten der Rechte zusammen, der aus der Provinz nach Gräz zum Examen ging und der mich durch seine drolligen Schilderungen der öffentli¬ chen Verhältnisse in Steyermark, für das schlechte Wirthshaus entschädigte. Er hatte viel Vorliebe für die Tyroler, ob er gleich ein Steyermärker war, und lobte Klagenfurt nach allen Prädikamenten. Mit ihm ging ich vollends hierher.
Gräz ist eine der schönsten groſsen Gegenden, die ich bis jetzt gesehen habe; die Berge rund umher ge¬
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0082"n="56"/>
gleich an dem Ufer der Mürz, steht ein schönes Land¬<lb/>
haus; auf der einen Seite desselben siehst Du auf der<lb/>
Gartenmauer Pomona mit ihrem ganzen Gefolge in<lb/>
sehr grotesken Statüen abgebildet, und auf der andern<lb/>
die Musik mit den meisten Instrumenten nach der<lb/>
Reihe noch grotesker und fast an Karikatur gränzend.<lb/>
Das Ganze ist schnakisch genug, und thut eine possier¬<lb/>
lich angenehme Wirkung. Der Trägerin des Füllhorns<lb/>
fehlte der Kopf, und da die ganze Gesellschaft ziem¬<lb/>
lich beschneyt war, konnte man nicht entdecken, ob<lb/>
er abgeschlagen war oder ob man sie absichtlich ohne<lb/>
Kopf hingestellt hatte. Die Oerter in der Gegend ha¬<lb/>
ben alle das Ansehen der Wohlhabenheit.</p><lb/><p>Bey Röthelstein beschwerte sich ein Landmann,<lb/>
mit dem ich eine Meile ging, über den Schaden, den<lb/>
die Wölfe und Luchse anrichteten, die aus den Ber¬<lb/>
gen herab kämen. Der Schnee ward hoch und die<lb/>
Kälte schneidend, und ich eilte nach Pegau, bloſs weil<lb/>
der Ort für mich einen vaterländischen Namen hatte.<lb/>
Aber das Quartier war so traurig als ich es kaum auf<lb/>
der ganzen Reise angetroffen hatte. Man sperrte mich<lb/>
mit einem Kandidaten der Rechte zusammen, der aus<lb/>
der Provinz nach Gräz zum Examen ging und der<lb/>
mich durch seine drolligen Schilderungen der öffentli¬<lb/>
chen Verhältnisse in Steyermark, für das schlechte<lb/>
Wirthshaus entschädigte. Er hatte viel Vorliebe für<lb/>
die Tyroler, ob er gleich ein Steyermärker war, und<lb/>
lobte Klagenfurt nach allen Prädikamenten. Mit ihm<lb/>
ging ich vollends hierher.</p><lb/><p>Gräz ist eine der schönsten groſsen Gegenden, die<lb/>
ich bis jetzt gesehen habe; die Berge rund umher ge¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[56/0082]
gleich an dem Ufer der Mürz, steht ein schönes Land¬
haus; auf der einen Seite desselben siehst Du auf der
Gartenmauer Pomona mit ihrem ganzen Gefolge in
sehr grotesken Statüen abgebildet, und auf der andern
die Musik mit den meisten Instrumenten nach der
Reihe noch grotesker und fast an Karikatur gränzend.
Das Ganze ist schnakisch genug, und thut eine possier¬
lich angenehme Wirkung. Der Trägerin des Füllhorns
fehlte der Kopf, und da die ganze Gesellschaft ziem¬
lich beschneyt war, konnte man nicht entdecken, ob
er abgeschlagen war oder ob man sie absichtlich ohne
Kopf hingestellt hatte. Die Oerter in der Gegend ha¬
ben alle das Ansehen der Wohlhabenheit.
Bey Röthelstein beschwerte sich ein Landmann,
mit dem ich eine Meile ging, über den Schaden, den
die Wölfe und Luchse anrichteten, die aus den Ber¬
gen herab kämen. Der Schnee ward hoch und die
Kälte schneidend, und ich eilte nach Pegau, bloſs weil
der Ort für mich einen vaterländischen Namen hatte.
Aber das Quartier war so traurig als ich es kaum auf
der ganzen Reise angetroffen hatte. Man sperrte mich
mit einem Kandidaten der Rechte zusammen, der aus
der Provinz nach Gräz zum Examen ging und der
mich durch seine drolligen Schilderungen der öffentli¬
chen Verhältnisse in Steyermark, für das schlechte
Wirthshaus entschädigte. Er hatte viel Vorliebe für
die Tyroler, ob er gleich ein Steyermärker war, und
lobte Klagenfurt nach allen Prädikamenten. Mit ihm
ging ich vollends hierher.
Gräz ist eine der schönsten groſsen Gegenden, die
ich bis jetzt gesehen habe; die Berge rund umher ge¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/82>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.