und human ist, wäre freylich etwas näher zu be¬ stimmen.
Meiner alten guten Mutter in Posern bey Wei¬ ssenfels war meine Erscheinung überraschend. Man hatte ihr den Vorfall mit den Banditen schon erzählt, und Du kannst glauben, dass sie meinetwegen etwas besorgt war, da sie als orthodoxe Anhängerin Luthers überhaupt nicht die beste Meinung von dem Papst und seinen Anordnungen hat. Sie erlaubte durchaus nicht, dass ich zu Fusse wei¬ ter ging, sondern liess mich bedächtlich in den Wagen packen und hierher an die Pleissenburg bringen. Du kannst Dir vorstellen, dass ich froh war meine hiesigen Freunde wieder zu sehen. Schnorr war der erste den ich auf¬ suchte, und das enthusiastische Menschenkind warf komisch den Pinsel weg, zog das beste seiner drolligen Gesichter und machte einen prak¬ tischen Kommentar auf Horazens Stelle, dass man bey der Rückkehr eines Freundes von den Cyklopen wohl ein Bisschen närrisch seyn könne.
Morgen gehe ich nach Grimme und Hohen¬ städt, und da will ich ausruhen trotz Epikurs Göttern. Mich däucht, dass ich nun einige Wo¬ chen ehrlich lungern kann. Wer in neun Mo¬ naten meistens zu Fusse eine solche Wanderung macht, schützt sich noch einige Jahre vor dem Podagra. Zum Lobe meines Schuhmachers, des mannhaften alten Heerdegen in Leipzig, muss ich Dir noch sagen, dass ich in den nehmli¬
und human ist, wäre freylich etwas näher zu be¬ stimmen.
Meiner alten guten Mutter in Posern bey Wei¬ ſsenfels war meine Erscheinung überraschend. Man hatte ihr den Vorfall mit den Banditen schon erzählt, und Du kannst glauben, daſs sie meinetwegen etwas besorgt war, da sie als orthodoxe Anhängerin Luthers überhaupt nicht die beste Meinung von dem Papst und seinen Anordnungen hat. Sie erlaubte durchaus nicht, daſs ich zu Fuſse wei¬ ter ging, sondern lieſs mich bedächtlich in den Wagen packen und hierher an die Pleiſsenburg bringen. Du kannst Dir vorstellen, daſs ich froh war meine hiesigen Freunde wieder zu sehen. Schnorr war der erste den ich auf¬ suchte, und das enthusiastische Menschenkind warf komisch den Pinsel weg, zog das beste seiner drolligen Gesichter und machte einen prak¬ tischen Kommentar auf Horazens Stelle, daſs man bey der Rückkehr eines Freundes von den Cyklopen wohl ein Biſschen närrisch seyn könne.
Morgen gehe ich nach Grimme und Hohen¬ städt, und da will ich ausruhen trotz Epikurs Göttern. Mich däucht, daſs ich nun einige Wo¬ chen ehrlich lungern kann. Wer in neun Mo¬ naten meistens zu Fuſse eine solche Wanderung macht, schützt sich noch einige Jahre vor dem Podagra. Zum Lobe meines Schuhmachers, des mannhaften alten Heerdegen in Leipzig, muſs ich Dir noch sagen, daſs ich in den nehmli¬
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und human ist, wäre freylich etwas näher zu be¬
stimmen.
Meiner alten guten Mutter in Posern bey Wei¬
ſsenfels war meine Erscheinung überraschend. Man
hatte ihr den Vorfall mit den Banditen schon erzählt,
und Du kannst glauben, daſs sie meinetwegen etwas
besorgt war, da sie als orthodoxe Anhängerin
Luthers überhaupt nicht die beste Meinung von
dem Papst und seinen Anordnungen hat. Sie
erlaubte durchaus nicht, daſs ich zu Fuſse wei¬
ter ging, sondern lieſs mich bedächtlich in den
Wagen packen und hierher an die Pleiſsenburg
bringen. Du kannst Dir vorstellen, daſs ich
froh war meine hiesigen Freunde wieder zu
sehen. Schnorr war der erste den ich auf¬
suchte, und das enthusiastische Menschenkind
warf komisch den Pinsel weg, zog das beste
seiner drolligen Gesichter und machte einen prak¬
tischen Kommentar auf Horazens Stelle, daſs
man bey der Rückkehr eines Freundes von den
Cyklopen wohl ein Biſschen närrisch seyn könne.
Morgen gehe ich nach Grimme und Hohen¬
städt, und da will ich ausruhen trotz Epikurs
Göttern. Mich däucht, daſs ich nun einige Wo¬
chen ehrlich lungern kann. Wer in neun Mo¬
naten meistens zu Fuſse eine solche Wanderung
macht, schützt sich noch einige Jahre vor dem
Podagra. Zum Lobe meines Schuhmachers, des
mannhaften alten Heerdegen in Leipzig, muſs
ich Dir noch sagen, daſs ich in den nehmli¬
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 490 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/518>, abgerufen am 24.11.2024.
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