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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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Als ich den andern Morgen durch das Hölzchen
nach Nauenburg herüber wandelte, begegnete mir ein
Preussisches Bataillon, das nach Erfurt zog. Wenn
man in dem nehmlichen Rocke mit der nehmlichen
Chaussüre über Wien und Rom nach Syrakus und
über Paris zurück geht, mag der Aufzug freylich et¬
was unscheinbar werden. Es ist die nicht löbliche
Gewohnheit unserer deutschen Landsleute mit den
Fremden zuweilen etwas unfein Nekkerey zu treiben.
Die Soldaten waren ordonanzmässig artig genug; aber
einige Offiziere geruhten sich mit meiner Personalität
ein Spässchen zu machen. Ich ging natürlich den
Fusssteg am Busche hin und der Heereszug zog den
Heerweg. Einer der Herren fragte seinen Kameraden
in einem etwas ausgezeichneten pommerischen Dia¬
lekte, den man auf dem Papier nicht so angenehm
nachmachen kann: Was ist das für ein Kerl, der
dort geht? Der andere antwortete zu meiner Bezeich¬
nung: Er wird wohl gehen und das Handwerk be¬
grüssen. Nein, hörte ich eine andere Stimme, ich
weiss nicht was es für ein närrischer Kerl seyn mag;
ich habe ihn gestern bey der Herzogin im Garten si¬
tzen sehen. Uebersetze das erst etwas ins Pommeri¬
sche, wenn Du finden willst, dass es mir ziemlich
schnakisch vorkam. Indessen glaube ich unmassgeb¬
lich, die Herren hätten ihre Untersuchung und Beur¬
theilung über mich etwas höflicher doch wohl einige
Minuten sparen können, bis ich sie nicht mehr hörte.
Aber mit einem Philister macht bekanntlich ein Preu¬
ssischer Offizier nicht viel Umstände. Ob das recht

Als ich den andern Morgen durch das Hölzchen
nach Nauenburg herüber wandelte, begegnete mir ein
Preuſsisches Bataillon, das nach Erfurt zog. Wenn
man in dem nehmlichen Rocke mit der nehmlichen
Chaussüre über Wien und Rom nach Syrakus und
über Paris zurück geht, mag der Aufzug freylich et¬
was unscheinbar werden. Es ist die nicht löbliche
Gewohnheit unserer deutschen Landsleute mit den
Fremden zuweilen etwas unfein Nekkerey zu treiben.
Die Soldaten waren ordonanzmäſsig artig genug; aber
einige Offiziere geruhten sich mit meiner Personalität
ein Späſschen zu machen. Ich ging natürlich den
Fuſssteg am Busche hin und der Heereszug zog den
Heerweg. Einer der Herren fragte seinen Kameraden
in einem etwas ausgezeichneten pommerischen Dia¬
lekte, den man auf dem Papier nicht so angenehm
nachmachen kann: Was ist das für ein Kerl, der
dort geht? Der andere antwortete zu meiner Bezeich¬
nung: Er wird wohl gehen und das Handwerk be¬
grüſsen. Nein, hörte ich eine andere Stimme, ich
weiſs nicht was es für ein närrischer Kerl seyn mag;
ich habe ihn gestern bey der Herzogin im Garten si¬
tzen sehen. Uebersetze das erst etwas ins Pommeri¬
sche, wenn Du finden willst, daſs es mir ziemlich
schnakisch vorkam. Indessen glaube ich unmaſsgeb¬
lich, die Herren hätten ihre Untersuchung und Beur¬
theilung über mich etwas höflicher doch wohl einige
Minuten sparen können, bis ich sie nicht mehr hörte.
Aber mit einem Philister macht bekanntlich ein Preu¬
ſsischer Offizier nicht viel Umstände. Ob das recht

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[489 /0517] Als ich den andern Morgen durch das Hölzchen nach Nauenburg herüber wandelte, begegnete mir ein Preuſsisches Bataillon, das nach Erfurt zog. Wenn man in dem nehmlichen Rocke mit der nehmlichen Chaussüre über Wien und Rom nach Syrakus und über Paris zurück geht, mag der Aufzug freylich et¬ was unscheinbar werden. Es ist die nicht löbliche Gewohnheit unserer deutschen Landsleute mit den Fremden zuweilen etwas unfein Nekkerey zu treiben. Die Soldaten waren ordonanzmäſsig artig genug; aber einige Offiziere geruhten sich mit meiner Personalität ein Späſschen zu machen. Ich ging natürlich den Fuſssteg am Busche hin und der Heereszug zog den Heerweg. Einer der Herren fragte seinen Kameraden in einem etwas ausgezeichneten pommerischen Dia¬ lekte, den man auf dem Papier nicht so angenehm nachmachen kann: Was ist das für ein Kerl, der dort geht? Der andere antwortete zu meiner Bezeich¬ nung: Er wird wohl gehen und das Handwerk be¬ grüſsen. Nein, hörte ich eine andere Stimme, ich weiſs nicht was es für ein närrischer Kerl seyn mag; ich habe ihn gestern bey der Herzogin im Garten si¬ tzen sehen. Uebersetze das erst etwas ins Pommeri¬ sche, wenn Du finden willst, daſs es mir ziemlich schnakisch vorkam. Indessen glaube ich unmaſsgeb¬ lich, die Herren hätten ihre Untersuchung und Beur¬ theilung über mich etwas höflicher doch wohl einige Minuten sparen können, bis ich sie nicht mehr hörte. Aber mit einem Philister macht bekanntlich ein Preu¬ ſsischer Offizier nicht viel Umstände. Ob das recht

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 489 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/517>, abgerufen am 28.03.2024.