Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

man sich vorher nur sehr leise sagte, und die so leicht
nicht wieder zu vertilgen seyn werden: aber die halbe
oder falsche Aufklärung dieser Ideen und der Miss¬
brauch derselben geben den etwas gewitzigten Gegnern
die Waffen selbst wieder in die Hände. Die Repub¬
lik Frankreich trägt so wie die römische, und zwar
weit näher als jene, ihre Auflösung in sich, wenn man
keine haltbarere Konstitution bauet, als bis jetzt ge¬
schehen ist. Mir thut das leid; ich habe vorher ganz
ruhig dem Getümmel zugesehen und immer geglaubt
und gehofft, dass aus dem wild gährenden Chaos end¬
lich noch etwas vernünftiges hervortauchen würde.
Seitdem Bonaparte die Freyheit entschieden wieder zu
Grabe zu tragen droht, ist mirs als ob ich Republika¬
ner geworden wäre. Ich bin nicht der Meinung, dass
eine grosse Republik nicht dauern könne. Wir haben
an der römischen das Gegentheil gesehen, die doch,
trotz ihrer gerühmten Weisheit, schlecht genug orga¬
nisiert war. Ich halte dafür, dass in einer wohlgeord¬
neten Republik am meisten Menschenwürde, Men¬
schenwerth, allgemeine Gerechtigkeit und allgemeine
Glückseligkeit möglich ist. Beweis und Vergleichung
weiter zu führen würde wenig frommen und hier nicht
der Ort seyn. Privilegien aller Art sind das Grab der
Freyheit und Gerechtigkeit. Schon das Wort erklärt
sich. Eine Ausnahme vom Gesetz ist eine Ungerech¬
tigkeit, oder das Gesetz ist schlecht. In Deutschland
hat man klüglich die Geistlichen und Gelehrten in et¬
was Theil an manchen Privilegien nehmen lassen, da¬
mit der Begriff nicht so leicht unbefangen aus einan¬
der gesetzt werde, und die Beleuchtung Publicität ge¬

man sich vorher nur sehr leise sagte, und die so leicht
nicht wieder zu vertilgen seyn werden: aber die halbe
oder falsche Aufklärung dieser Ideen und der Miſs¬
brauch derselben geben den etwas gewitzigten Gegnern
die Waffen selbst wieder in die Hände. Die Repub¬
lik Frankreich trägt so wie die römische, und zwar
weit näher als jene, ihre Auflösung in sich, wenn man
keine haltbarere Konstitution bauet, als bis jetzt ge¬
schehen ist. Mir thut das leid; ich habe vorher ganz
ruhig dem Getümmel zugesehen und immer geglaubt
und gehofft, daſs aus dem wild gährenden Chaos end¬
lich noch etwas vernünftiges hervortauchen würde.
Seitdem Bonaparte die Freyheit entschieden wieder zu
Grabe zu tragen droht, ist mirs als ob ich Republika¬
ner geworden wäre. Ich bin nicht der Meinung, daſs
eine groſse Republik nicht dauern könne. Wir haben
an der römischen das Gegentheil gesehen, die doch,
trotz ihrer gerühmten Weisheit, schlecht genug orga¬
nisiert war. Ich halte dafür, daſs in einer wohlgeord¬
neten Republik am meisten Menschenwürde, Men¬
schenwerth, allgemeine Gerechtigkeit und allgemeine
Glückseligkeit möglich ist. Beweis und Vergleichung
weiter zu führen würde wenig frommen und hier nicht
der Ort seyn. Privilegien aller Art sind das Grab der
Freyheit und Gerechtigkeit. Schon das Wort erklärt
sich. Eine Ausnahme vom Gesetz ist eine Ungerech¬
tigkeit, oder das Gesetz ist schlecht. In Deutschland
hat man klüglich die Geistlichen und Gelehrten in et¬
was Theil an manchen Privilegien nehmen lassen, da¬
mit der Begriff nicht so leicht unbefangen aus einan¬
der gesetzt werde, und die Beleuchtung Publicität ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0486" n="458 "/>
man sich vorher nur sehr leise sagte, und die so leicht<lb/>
nicht wieder zu vertilgen seyn werden: aber die halbe<lb/>
oder falsche Aufklärung dieser Ideen und der Mi&#x017F;<lb/>
brauch derselben geben den etwas gewitzigten Gegnern<lb/>
die Waffen selbst wieder in die Hände. Die Repub¬<lb/>
lik Frankreich trägt so wie die römische, und zwar<lb/>
weit näher als jene, ihre Auflösung in sich, wenn man<lb/>
keine haltbarere Konstitution bauet, als bis jetzt ge¬<lb/>
schehen ist. Mir thut das leid; ich habe vorher ganz<lb/>
ruhig dem Getümmel zugesehen und immer geglaubt<lb/>
und gehofft, da&#x017F;s aus dem wild gährenden Chaos end¬<lb/>
lich noch etwas vernünftiges hervortauchen würde.<lb/>
Seitdem Bonaparte die Freyheit entschieden wieder zu<lb/>
Grabe zu tragen droht, ist mirs als ob ich Republika¬<lb/>
ner geworden wäre. Ich bin nicht der Meinung, da&#x017F;s<lb/>
eine gro&#x017F;se Republik nicht dauern könne. Wir haben<lb/>
an der römischen das Gegentheil gesehen, die doch,<lb/>
trotz ihrer gerühmten Weisheit, schlecht genug orga¬<lb/>
nisiert war. Ich halte dafür, da&#x017F;s in einer wohlgeord¬<lb/>
neten Republik am meisten Menschenwürde, Men¬<lb/>
schenwerth, allgemeine Gerechtigkeit und allgemeine<lb/>
Glückseligkeit möglich ist. Beweis und Vergleichung<lb/>
weiter zu führen würde wenig frommen und hier nicht<lb/>
der Ort seyn. Privilegien aller Art sind das Grab der<lb/>
Freyheit und Gerechtigkeit. Schon das Wort erklärt<lb/>
sich. Eine Ausnahme vom Gesetz ist eine Ungerech¬<lb/>
tigkeit, oder das Gesetz ist schlecht. In Deutschland<lb/>
hat man klüglich die Geistlichen und Gelehrten in et¬<lb/>
was Theil an manchen Privilegien nehmen lassen, da¬<lb/>
mit der Begriff nicht so leicht unbefangen aus einan¬<lb/>
der gesetzt werde, und die Beleuchtung Publicität ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458 /0486] man sich vorher nur sehr leise sagte, und die so leicht nicht wieder zu vertilgen seyn werden: aber die halbe oder falsche Aufklärung dieser Ideen und der Miſs¬ brauch derselben geben den etwas gewitzigten Gegnern die Waffen selbst wieder in die Hände. Die Repub¬ lik Frankreich trägt so wie die römische, und zwar weit näher als jene, ihre Auflösung in sich, wenn man keine haltbarere Konstitution bauet, als bis jetzt ge¬ schehen ist. Mir thut das leid; ich habe vorher ganz ruhig dem Getümmel zugesehen und immer geglaubt und gehofft, daſs aus dem wild gährenden Chaos end¬ lich noch etwas vernünftiges hervortauchen würde. Seitdem Bonaparte die Freyheit entschieden wieder zu Grabe zu tragen droht, ist mirs als ob ich Republika¬ ner geworden wäre. Ich bin nicht der Meinung, daſs eine groſse Republik nicht dauern könne. Wir haben an der römischen das Gegentheil gesehen, die doch, trotz ihrer gerühmten Weisheit, schlecht genug orga¬ nisiert war. Ich halte dafür, daſs in einer wohlgeord¬ neten Republik am meisten Menschenwürde, Men¬ schenwerth, allgemeine Gerechtigkeit und allgemeine Glückseligkeit möglich ist. Beweis und Vergleichung weiter zu führen würde wenig frommen und hier nicht der Ort seyn. Privilegien aller Art sind das Grab der Freyheit und Gerechtigkeit. Schon das Wort erklärt sich. Eine Ausnahme vom Gesetz ist eine Ungerech¬ tigkeit, oder das Gesetz ist schlecht. In Deutschland hat man klüglich die Geistlichen und Gelehrten in et¬ was Theil an manchen Privilegien nehmen lassen, da¬ mit der Begriff nicht so leicht unbefangen aus einan¬ der gesetzt werde, und die Beleuchtung Publicität ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/486
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 458 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/486>, abgerufen am 18.04.2024.