liken ist schon viel gesagt. Rom war auch in dieser Rücksicht die Metropolis. Jetzt sind durch die Revo¬ lution fast alle öffentliche Armenfonds wie ausgeplün¬ dert, und die Noth ist vor der Ernte unter der ganz armen Klasse schrecklich. In ganz Marino und Albano ist keine öffentliche Schule, also keine Sorge für Er¬ ziehung; in Rom ist sie schlecht. Der Kirchenstaat ist eine Oede rund um Rom herum, desswegen erlaubt aber kein Güterbesitzer, dass man auf seinem Grunde arbeite. Das Feudalrecht könnte in Gefahr gerathen. Wenn er nicht geradezu hungert, was gehn ihn die Hefen des Romulus an. Die Möncherey kommt wieder in ihren grassesten Flor, und man erzählt sich wieder neue Bubenstücke der Kuttenträger, die der Schande der finstersten Zeiten gleich kommen. Man sagt wohl, Italien sey ein Paradies von Teufeln bewohnt: das heisst der menschlichen Natur Hohn gesprochen. Der Italiäner ist ein edler herrlicher Mensch; aber seine Regenten sind Mönche oder Mönchsknechte; die mei¬ sten sind Väter ohne Kinder: das ist Erklärung genug. Ueberdiess ist es der Sitz der Vergebung der Sünde.
Ich will nur machen, dass ich hinauskomme, sonst denkst Du, dass ich beissig und bösartig gewor¬ den bin. Die Parthien rund herum sind ohne mich bekannt genug: ich habe die meisten, allein und in Gesellschaft, in der schönsten Jahrszeit genossen. Man kann hier seyn und sich wohl befinden, nur muss man die Humanität zu Hause lassen. Mit Uhden habe ich die Parthien von Marino, Grottaferrata, Fraskati und den Albaner See gesehen. Eins der ältesten Mo¬ numente ist am See der Felsenkanal, der das Wasser
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liken ist schon viel gesagt. Rom war auch in dieser Rücksicht die Metropolis. Jetzt sind durch die Revo¬ lution fast alle öffentliche Armenfonds wie ausgeplün¬ dert, und die Noth ist vor der Ernte unter der ganz armen Klasse schrecklich. In ganz Marino und Albano ist keine öffentliche Schule, also keine Sorge für Er¬ ziehung; in Rom ist sie schlecht. Der Kirchenstaat ist eine Oede rund um Rom herum, deſswegen erlaubt aber kein Güterbesitzer, daſs man auf seinem Grunde arbeite. Das Feudalrecht könnte in Gefahr gerathen. Wenn er nicht geradezu hungert, was gehn ihn die Hefen des Romulus an. Die Möncherey kommt wieder in ihren grassesten Flor, und man erzählt sich wieder neue Bubenstücke der Kuttenträger, die der Schande der finstersten Zeiten gleich kommen. Man sagt wohl, Italien sey ein Paradies von Teufeln bewohnt: das heiſst der menschlichen Natur Hohn gesprochen. Der Italiäner ist ein edler herrlicher Mensch; aber seine Regenten sind Mönche oder Mönchsknechte; die mei¬ sten sind Väter ohne Kinder: das ist Erklärung genug. Ueberdieſs ist es der Sitz der Vergebung der Sünde.
Ich will nur machen, daſs ich hinauskomme, sonst denkst Du, daſs ich beiſsig und bösartig gewor¬ den bin. Die Parthien rund herum sind ohne mich bekannt genug: ich habe die meisten, allein und in Gesellschaft, in der schönsten Jahrszeit genossen. Man kann hier seyn und sich wohl befinden, nur muſs man die Humanität zu Hause lassen. Mit Uhden habe ich die Parthien von Marino, Grottaferrata, Fraskati und den Albaner See gesehen. Eins der ältesten Mo¬ numente ist am See der Felsenkanal, der das Wasser
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liken ist schon viel gesagt. Rom war auch in dieser
Rücksicht die Metropolis. Jetzt sind durch die Revo¬
lution fast alle öffentliche Armenfonds wie ausgeplün¬
dert, und die Noth ist vor der Ernte unter der ganz
armen Klasse schrecklich. In ganz Marino und Albano
ist keine öffentliche Schule, also keine Sorge für Er¬
ziehung; in Rom ist sie schlecht. Der Kirchenstaat ist
eine Oede rund um Rom herum, deſswegen erlaubt
aber kein Güterbesitzer, daſs man auf seinem Grunde
arbeite. Das Feudalrecht könnte in Gefahr gerathen.
Wenn er nicht geradezu hungert, was gehn ihn die
Hefen des Romulus an. Die Möncherey kommt wieder
in ihren grassesten Flor, und man erzählt sich wieder
neue Bubenstücke der Kuttenträger, die der Schande
der finstersten Zeiten gleich kommen. Man sagt wohl,
Italien sey ein Paradies von Teufeln bewohnt: das
heiſst der menschlichen Natur Hohn gesprochen. Der
Italiäner ist ein edler herrlicher Mensch; aber seine
Regenten sind Mönche oder Mönchsknechte; die mei¬
sten sind Väter ohne Kinder: das ist Erklärung genug.
Ueberdieſs ist es der Sitz der Vergebung der Sünde.
Ich will nur machen, daſs ich hinauskomme,
sonst denkst Du, daſs ich beiſsig und bösartig gewor¬
den bin. Die Parthien rund herum sind ohne mich
bekannt genug: ich habe die meisten, allein und in
Gesellschaft, in der schönsten Jahrszeit genossen. Man
kann hier seyn und sich wohl befinden, nur muſs
man die Humanität zu Hause lassen. Mit Uhden habe
ich die Parthien von Marino, Grottaferrata, Fraskati
und den Albaner See gesehen. Eins der ältesten Mo¬
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 367 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/395>, abgerufen am 22.11.2024.
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