Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

zuging, und wie irgend ein Spruch von ihm und der
Enthusiasmus für ihn so viel wirkten, dass die Ungläu¬
bigen abziehen mussten. Und nach der alten Rechts¬
regel, quod quis per alium -- kommt ihm dann die
Ehre billig zu. Das wissen die Spitzköpfe unter den
Herren gar trefflich zu amalgamieren: die Plattköpfe
haben es gar nicht nöthig, die nehmen es starkgläubig
geradezu. Im Hintergrund der Krypte stehen noch
ein Paar weibliche Heiligkeiten, deren Namen ich ver¬
gessen habe, deren Blut aber noch beständig floss. Ich
hörte es selbst rauschen und kann es also bezeugen;
ich wagte gläubig keine Erklärung des Gaukelspiels.
Unter den vielen Narren war auch ein Vernünftiger,
der mir vorzüglich die Säulen aus Pästum alle und
von allen Seiten in den schönsten Beleuchtungen
zeigte: er drückte mir stillschweigend die Hand als
ich fort ging. Nun brachte man mich noch mit Ge¬
walt in eine andere Kirche, wo eine schöne Kreuzi¬
gung weder gemalt noch gehauen noch gegossen, son¬
dern ins Holz gewachsen war. Mit Hülfe einiger
Phantasie konnte man wohl so etwas heraus oder viel¬
mehr hineinbringen; und die Wunder überlasse ich
den Gläubigen. Einige wunderten sich, dass ich doch
gar nichts aufschriebe, wie andere Reisende; und einer
der jungen Herren, die mich begleiteten, sagte zu
meinem Lobe, ich wäre von allem hinlänglich unter¬
richtet und überzeugt. Da sagte er denn in beydem
eine grosse Lüge. Als ich weg ging, bat sich mein
Hauptführer, der sich, glaube ich, einen Kastellan des
Erzbischofs nannte, etwas für die Armen aus; das gab
ich: sodann etwas zu einer Seelenmesse für mich; das

zuging, und wie irgend ein Spruch von ihm und der
Enthusiasmus für ihn so viel wirkten, daſs die Ungläu¬
bigen abziehen muſsten. Und nach der alten Rechts¬
regel, quod quis per alium — kommt ihm dann die
Ehre billig zu. Das wissen die Spitzköpfe unter den
Herren gar trefflich zu amalgamieren: die Plattköpfe
haben es gar nicht nöthig, die nehmen es starkgläubig
geradezu. Im Hintergrund der Krypte stehen noch
ein Paar weibliche Heiligkeiten, deren Namen ich ver¬
gessen habe, deren Blut aber noch beständig floſs. Ich
hörte es selbst rauschen und kann es also bezeugen;
ich wagte gläubig keine Erklärung des Gaukelspiels.
Unter den vielen Narren war auch ein Vernünftiger,
der mir vorzüglich die Säulen aus Pästum alle und
von allen Seiten in den schönsten Beleuchtungen
zeigte: er drückte mir stillschweigend die Hand als
ich fort ging. Nun brachte man mich noch mit Ge¬
walt in eine andere Kirche, wo eine schöne Kreuzi¬
gung weder gemalt noch gehauen noch gegossen, son¬
dern ins Holz gewachsen war. Mit Hülfe einiger
Phantasie konnte man wohl so etwas heraus oder viel¬
mehr hineinbringen; und die Wunder überlasse ich
den Gläubigen. Einige wunderten sich, daſs ich doch
gar nichts aufschriebe, wie andere Reisende; und einer
der jungen Herren, die mich begleiteten, sagte zu
meinem Lobe, ich wäre von allem hinlänglich unter¬
richtet und überzeugt. Da sagte er denn in beydem
eine groſse Lüge. Als ich weg ging, bat sich mein
Hauptführer, der sich, glaube ich, einen Kastellan des
Erzbischofs nannte, etwas für die Armen aus; das gab
ich: sodann etwas zu einer Seelenmesse für mich; das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0367" n="341"/>
zuging, und wie irgend ein Spruch von ihm und der<lb/>
Enthusiasmus für ihn so viel wirkten, da&#x017F;s die Ungläu¬<lb/>
bigen abziehen mu&#x017F;sten. Und nach der alten Rechts¬<lb/>
regel, <hi rendition="#i">quod quis per alium</hi> &#x2014; kommt ihm dann die<lb/>
Ehre billig zu. Das wissen die Spitzköpfe unter den<lb/>
Herren gar trefflich zu amalgamieren: die Plattköpfe<lb/>
haben es gar nicht nöthig, die nehmen es starkgläubig<lb/>
geradezu. Im Hintergrund der Krypte stehen noch<lb/>
ein Paar weibliche Heiligkeiten, deren Namen ich ver¬<lb/>
gessen habe, deren Blut aber noch beständig flo&#x017F;s. Ich<lb/>
hörte es selbst rauschen und kann es also bezeugen;<lb/>
ich wagte gläubig keine Erklärung des Gaukelspiels.<lb/>
Unter den vielen Narren war auch ein Vernünftiger,<lb/>
der mir vorzüglich die Säulen aus Pästum alle und<lb/>
von allen Seiten in den schönsten Beleuchtungen<lb/>
zeigte: er drückte mir stillschweigend die Hand als<lb/>
ich fort ging. Nun brachte man mich noch mit Ge¬<lb/>
walt in eine andere Kirche, wo eine schöne Kreuzi¬<lb/>
gung weder gemalt noch gehauen noch gegossen, son¬<lb/>
dern ins Holz gewachsen war. Mit Hülfe einiger<lb/>
Phantasie konnte man wohl so etwas heraus oder viel¬<lb/>
mehr hineinbringen; und die Wunder überlasse ich<lb/>
den Gläubigen. Einige wunderten sich, da&#x017F;s ich doch<lb/>
gar nichts aufschriebe, wie andere Reisende; und einer<lb/>
der jungen Herren, die mich begleiteten, sagte zu<lb/>
meinem Lobe, ich wäre von allem hinlänglich unter¬<lb/>
richtet und überzeugt. Da sagte er denn in beydem<lb/>
eine gro&#x017F;se Lüge. Als ich weg ging, bat sich mein<lb/>
Hauptführer, der sich, glaube ich, einen Kastellan des<lb/>
Erzbischofs nannte, etwas für die Armen aus; das gab<lb/>
ich: sodann etwas zu einer Seelenmesse für mich; das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0367] zuging, und wie irgend ein Spruch von ihm und der Enthusiasmus für ihn so viel wirkten, daſs die Ungläu¬ bigen abziehen muſsten. Und nach der alten Rechts¬ regel, quod quis per alium — kommt ihm dann die Ehre billig zu. Das wissen die Spitzköpfe unter den Herren gar trefflich zu amalgamieren: die Plattköpfe haben es gar nicht nöthig, die nehmen es starkgläubig geradezu. Im Hintergrund der Krypte stehen noch ein Paar weibliche Heiligkeiten, deren Namen ich ver¬ gessen habe, deren Blut aber noch beständig floſs. Ich hörte es selbst rauschen und kann es also bezeugen; ich wagte gläubig keine Erklärung des Gaukelspiels. Unter den vielen Narren war auch ein Vernünftiger, der mir vorzüglich die Säulen aus Pästum alle und von allen Seiten in den schönsten Beleuchtungen zeigte: er drückte mir stillschweigend die Hand als ich fort ging. Nun brachte man mich noch mit Ge¬ walt in eine andere Kirche, wo eine schöne Kreuzi¬ gung weder gemalt noch gehauen noch gegossen, son¬ dern ins Holz gewachsen war. Mit Hülfe einiger Phantasie konnte man wohl so etwas heraus oder viel¬ mehr hineinbringen; und die Wunder überlasse ich den Gläubigen. Einige wunderten sich, daſs ich doch gar nichts aufschriebe, wie andere Reisende; und einer der jungen Herren, die mich begleiteten, sagte zu meinem Lobe, ich wäre von allem hinlänglich unter¬ richtet und überzeugt. Da sagte er denn in beydem eine groſse Lüge. Als ich weg ging, bat sich mein Hauptführer, der sich, glaube ich, einen Kastellan des Erzbischofs nannte, etwas für die Armen aus; das gab ich: sodann etwas zu einer Seelenmesse für mich; das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/367
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/367>, abgerufen am 22.11.2024.