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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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nur hinter uns über dem Simäthus hingen einige klei¬
ne lichte Wolken. Die Sonne stand schon ziemlich
hoch an der Küste Kalabriens; die See war glänzend.
Da zeigten sich zuerst hier und da einige kleine Fleck¬
chen auf dem Meere links vor Taormina, die fast wie
Inselchen aussahen. Unsere Führer sagten uns sogleich
was folgen würde. Die Flecken wurden zusehens grö¬
sser, bildeten flockige Nebelwolken und breiteten sich
aus und flossen zusammen. Keine morganische Fee
kann eine solche Farbenglut und solchen Wechsel ha¬
ben, als die Nebel von Moment zu Moment annah¬
men. Es schoss in die Höhe und glich einem Walde
mit den dichtesten Bäumen von den sonderbarsten Ge¬
stalten, war hier gedrängter und dunkler, dort dünner
und heller, und die Sonne schien in einem noch
ziemlich kleinen Winkel auf das Gewebe hinab, das
schnell die ganze nördliche Küste deckte und das wir
tief unter uns sahen. Der Gluthstrom fing an die
Schluchten der Berge zu füllen, und hinter uns lag
das Thal Enna mit seiner ganzen Schönheit in einem
unnennbaren Halblichte, so dass wir nur noch den
See von Lentini als ein helles Fleckchen sahen. Die¬
ses alles und die Bildung des himmlischen Gemäldes
an der Nordostseite, war das Werk einer kleinen Vier¬
telstunde. Ich werde eine so geschmückte Scene wahr¬
scheinlich in meinem Leben nicht wieder sehen. Sie
ist nur hier zu treffen und auch hier sehr selten; die
Führer priesen uns und sogar sich selbst desswegen
glücklich. Wir brachen auf, um, wo möglich, unten
dem Regen zu entgehen: in einigen Minuten sahen
wir nichts mehr von dem Gipfel des Berges; alles war

nur hinter uns über dem Simäthus hingen einige klei¬
ne lichte Wolken. Die Sonne stand schon ziemlich
hoch an der Küste Kalabriens; die See war glänzend.
Da zeigten sich zuerst hier und da einige kleine Fleck¬
chen auf dem Meere links vor Taormina, die fast wie
Inselchen aussahen. Unsere Führer sagten uns sogleich
was folgen würde. Die Flecken wurden zusehens grö¬
ſser, bildeten flockige Nebelwolken und breiteten sich
aus und flossen zusammen. Keine morganische Fee
kann eine solche Farbenglut und solchen Wechsel ha¬
ben, als die Nebel von Moment zu Moment annah¬
men. Es schoſs in die Höhe und glich einem Walde
mit den dichtesten Bäumen von den sonderbarsten Ge¬
stalten, war hier gedrängter und dunkler, dort dünner
und heller, und die Sonne schien in einem noch
ziemlich kleinen Winkel auf das Gewebe hinab, das
schnell die ganze nördliche Küste deckte und das wir
tief unter uns sahen. Der Gluthstrom fing an die
Schluchten der Berge zu füllen, und hinter uns lag
das Thal Enna mit seiner ganzen Schönheit in einem
unnennbaren Halblichte, so daſs wir nur noch den
See von Lentini als ein helles Fleckchen sahen. Die¬
ses alles und die Bildung des himmlischen Gemäldes
an der Nordostseite, war das Werk einer kleinen Vier¬
telstunde. Ich werde eine so geschmückte Scene wahr¬
scheinlich in meinem Leben nicht wieder sehen. Sie
ist nur hier zu treffen und auch hier sehr selten; die
Führer priesen uns und sogar sich selbst deſswegen
glücklich. Wir brachen auf, um, wo möglich, unten
dem Regen zu entgehen: in einigen Minuten sahen
wir nichts mehr von dem Gipfel des Berges; alles war

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[292/0318] nur hinter uns über dem Simäthus hingen einige klei¬ ne lichte Wolken. Die Sonne stand schon ziemlich hoch an der Küste Kalabriens; die See war glänzend. Da zeigten sich zuerst hier und da einige kleine Fleck¬ chen auf dem Meere links vor Taormina, die fast wie Inselchen aussahen. Unsere Führer sagten uns sogleich was folgen würde. Die Flecken wurden zusehens grö¬ ſser, bildeten flockige Nebelwolken und breiteten sich aus und flossen zusammen. Keine morganische Fee kann eine solche Farbenglut und solchen Wechsel ha¬ ben, als die Nebel von Moment zu Moment annah¬ men. Es schoſs in die Höhe und glich einem Walde mit den dichtesten Bäumen von den sonderbarsten Ge¬ stalten, war hier gedrängter und dunkler, dort dünner und heller, und die Sonne schien in einem noch ziemlich kleinen Winkel auf das Gewebe hinab, das schnell die ganze nördliche Küste deckte und das wir tief unter uns sahen. Der Gluthstrom fing an die Schluchten der Berge zu füllen, und hinter uns lag das Thal Enna mit seiner ganzen Schönheit in einem unnennbaren Halblichte, so daſs wir nur noch den See von Lentini als ein helles Fleckchen sahen. Die¬ ses alles und die Bildung des himmlischen Gemäldes an der Nordostseite, war das Werk einer kleinen Vier¬ telstunde. Ich werde eine so geschmückte Scene wahr¬ scheinlich in meinem Leben nicht wieder sehen. Sie ist nur hier zu treffen und auch hier sehr selten; die Führer priesen uns und sogar sich selbst deſswegen glücklich. Wir brachen auf, um, wo möglich, unten dem Regen zu entgehen: in einigen Minuten sahen wir nichts mehr von dem Gipfel des Berges; alles war

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/318>, abgerufen am 23.11.2024.