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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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Ich hatte mich bisher im Aufsteigen immer mit
Schnee gelabt; aber hier am Rande auf der Spitze
war er bitter salzig und konnte nicht genossen werden.
Nicht weit vom Rande lag ein Auswurf von verschie¬
denen Farben, den ich für todten Schwefel hielt. Er
war heiss und wir konnten unsere Füsse darin wärmen.
Wir setzten uns an eine Felsenwand, und sahen auf
die zauberische Gegend unter uns, vorzüglich nach
Katanien und Paterno hinab. Die Monti rossi bey Ni¬
kolosi glichen fast Maulwurfshügeln, und die ganze
grosse ausgestorbene Familie des alten lebendigen Va¬
ters, lag rund umher. Nur er selbst wirkte mit ewi¬
gem Feuer in furchtbarer Jugendkraft. Welche unge¬
heuere Werkstatt muss er haben! Der letzte grosse
Ausbruch war fast drey deutsche Meilen vom Gipfel
hinab bey Nikolosi. Wenn er wieder durchbrechen
sollte, fürchte ich für die Seite von Taormina, wo
nun die Erdschicht am dünsten zu seyn scheint. Die
Luft war trotz dem Feuer des Vulkans und der Sonne
doch sehr kalt, und wir stiegen wieder herab. Unser
Herabsteigen war vielleicht noch belohnender als der
Aufenthalt auf dem obersten Gipfel. Bis zum Philoso¬
phenthurm war viel Behutsamkeit nöthig. Hier war
nun der Proviantträger angekommen, und wir hielten
unser Frühstück. Die Engländer griffen zur Rumfla¬
sche und ich hielt mich zum gebratenen Huhn und
dann zum Schnee. Brot und Braten waren ziem¬
lich hart gefroren, aber der heisse Hunger thaute es
bald auf. Indem wir assen, genossen wir das schönste
Schauspiel, das vielleicht das Auge eines Menschen
geniessen kann. Der Himmel war fast ganz hell, und

Ich hatte mich bisher im Aufsteigen immer mit
Schnee gelabt; aber hier am Rande auf der Spitze
war er bitter salzig und konnte nicht genossen werden.
Nicht weit vom Rande lag ein Auswurf von verschie¬
denen Farben, den ich für todten Schwefel hielt. Er
war heiſs und wir konnten unsere Füſse darin wärmen.
Wir setzten uns an eine Felsenwand, und sahen auf
die zauberische Gegend unter uns, vorzüglich nach
Katanien und Paterno hinab. Die Monti rossi bey Ni¬
kolosi glichen fast Maulwurfshügeln, und die ganze
groſse ausgestorbene Familie des alten lebendigen Va¬
ters, lag rund umher. Nur er selbst wirkte mit ewi¬
gem Feuer in furchtbarer Jugendkraft. Welche unge¬
heuere Werkstatt muſs er haben! Der letzte groſse
Ausbruch war fast drey deutsche Meilen vom Gipfel
hinab bey Nikolosi. Wenn er wieder durchbrechen
sollte, fürchte ich für die Seite von Taormina, wo
nun die Erdschicht am dünsten zu seyn scheint. Die
Luft war trotz dem Feuer des Vulkans und der Sonne
doch sehr kalt, und wir stiegen wieder herab. Unser
Herabsteigen war vielleicht noch belohnender als der
Aufenthalt auf dem obersten Gipfel. Bis zum Philoso¬
phenthurm war viel Behutsamkeit nöthig. Hier war
nun der Proviantträger angekommen, und wir hielten
unser Frühstück. Die Engländer griffen zur Rumfla¬
sche und ich hielt mich zum gebratenen Huhn und
dann zum Schnee. Brot und Braten waren ziem¬
lich hart gefroren, aber der heiſse Hunger thaute es
bald auf. Indem wir aſsen, genossen wir das schönste
Schauspiel, das vielleicht das Auge eines Menschen
genieſsen kann. Der Himmel war fast ganz hell, und

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[291/0317] Ich hatte mich bisher im Aufsteigen immer mit Schnee gelabt; aber hier am Rande auf der Spitze war er bitter salzig und konnte nicht genossen werden. Nicht weit vom Rande lag ein Auswurf von verschie¬ denen Farben, den ich für todten Schwefel hielt. Er war heiſs und wir konnten unsere Füſse darin wärmen. Wir setzten uns an eine Felsenwand, und sahen auf die zauberische Gegend unter uns, vorzüglich nach Katanien und Paterno hinab. Die Monti rossi bey Ni¬ kolosi glichen fast Maulwurfshügeln, und die ganze groſse ausgestorbene Familie des alten lebendigen Va¬ ters, lag rund umher. Nur er selbst wirkte mit ewi¬ gem Feuer in furchtbarer Jugendkraft. Welche unge¬ heuere Werkstatt muſs er haben! Der letzte groſse Ausbruch war fast drey deutsche Meilen vom Gipfel hinab bey Nikolosi. Wenn er wieder durchbrechen sollte, fürchte ich für die Seite von Taormina, wo nun die Erdschicht am dünsten zu seyn scheint. Die Luft war trotz dem Feuer des Vulkans und der Sonne doch sehr kalt, und wir stiegen wieder herab. Unser Herabsteigen war vielleicht noch belohnender als der Aufenthalt auf dem obersten Gipfel. Bis zum Philoso¬ phenthurm war viel Behutsamkeit nöthig. Hier war nun der Proviantträger angekommen, und wir hielten unser Frühstück. Die Engländer griffen zur Rumfla¬ sche und ich hielt mich zum gebratenen Huhn und dann zum Schnee. Brot und Braten waren ziem¬ lich hart gefroren, aber der heiſse Hunger thaute es bald auf. Indem wir aſsen, genossen wir das schönste Schauspiel, das vielleicht das Auge eines Menschen genieſsen kann. Der Himmel war fast ganz hell, und

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/317>, abgerufen am 22.11.2024.