lich gewesen seyn mögen ist wohl schwerlich zu be¬ stimmen; aber dass beyde in der Folge zu Begräbniss¬ plätzen gedient haben, ist ausgemacht. Von den syra¬ kusischen liesse sich vielleicht aus dem Bau mehr be¬ haupten, dass sie ursprünglich dazu gehauen wurden. Der grosse Unterschied der neapolitanischen und syra¬ kusischen besteht darin, dass in den neapolitanischen die Leichenbehälter von dem Boden aufwärts, und hier in die Tiefe der Wand hinein gearbeitet sind. Dort sind unten die grössern und dann an der Wand her¬ auf die kleinern Behälter; hier sind vorn die grössern und dann weiter hin in die Felsenwand hinein die kleinern: so dass in Neapel das Dreyeck der Lage an der Seite aufwärts, in Syrakus mit der Spitze einwärts niedergelegt zu denken ist. Beschreibung ist schwer und Zeichnung macht noch mehr Umstände; ich weiss nicht ob ich Dir deutlich geworden bin. Ein avtopti¬ scher Anblick giebt es in einem Moment. In Neapel lagen die Kadaver in kleineren Nischen an der Wand hinauf, unten die grösseren und aufwärts immer klei¬ nere; in Syrakus in den Felsen hinein, vorn grössere und hinterwärts immer kleinere. Hier habe ich den einzigen vernünftigen Mönch als Mönch in meinem Leben gesehen. Wo man sonst auch noch zuweilen gute und vernünftige trifft, sind sie es wenigstens nicht als Mönche. Der Eingang in die Gruft ist hier eine alte Kirche des heiligen Johannes, wo nur selten Gottesdienst gehalten wird. Dieser Mönch ist der ein¬ zige Bewohner der Kirche und der Katakomben; Glöckner und Sakristan, und Abt und Kellner und Layenbruder zugleich. Das erste Mal, als wir kamen,
lich gewesen seyn mögen ist wohl schwerlich zu be¬ stimmen; aber daſs beyde in der Folge zu Begräbniſs¬ plätzen gedient haben, ist ausgemacht. Von den syra¬ kusischen lieſse sich vielleicht aus dem Bau mehr be¬ haupten, daſs sie ursprünglich dazu gehauen wurden. Der groſse Unterschied der neapolitanischen und syra¬ kusischen besteht darin, daſs in den neapolitanischen die Leichenbehälter von dem Boden aufwärts, und hier in die Tiefe der Wand hinein gearbeitet sind. Dort sind unten die gröſsern und dann an der Wand her¬ auf die kleinern Behälter; hier sind vorn die gröſsern und dann weiter hin in die Felsenwand hinein die kleinern: so daſs in Neapel das Dreyeck der Lage an der Seite aufwärts, in Syrakus mit der Spitze einwärts niedergelegt zu denken ist. Beschreibung ist schwer und Zeichnung macht noch mehr Umstände; ich weiſs nicht ob ich Dir deutlich geworden bin. Ein avtopti¬ scher Anblick giebt es in einem Moment. In Neapel lagen die Kadaver in kleineren Nischen an der Wand hinauf, unten die gröſseren und aufwärts immer klei¬ nere; in Syrakus in den Felsen hinein, vorn gröſsere und hinterwärts immer kleinere. Hier habe ich den einzigen vernünftigen Mönch als Mönch in meinem Leben gesehen. Wo man sonst auch noch zuweilen gute und vernünftige trifft, sind sie es wenigstens nicht als Mönche. Der Eingang in die Gruft ist hier eine alte Kirche des heiligen Johannes, wo nur selten Gottesdienst gehalten wird. Dieser Mönch ist der ein¬ zige Bewohner der Kirche und der Katakomben; Glöckner und Sakristan, und Abt und Kellner und Layenbruder zugleich. Das erste Mal, als wir kamen,
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0287"n="261"/>
lich gewesen seyn mögen ist wohl schwerlich zu be¬<lb/>
stimmen; aber daſs beyde in der Folge zu Begräbniſs¬<lb/>
plätzen gedient haben, ist ausgemacht. Von den syra¬<lb/>
kusischen lieſse sich vielleicht aus dem Bau mehr be¬<lb/>
haupten, daſs sie ursprünglich dazu gehauen wurden.<lb/>
Der groſse Unterschied der neapolitanischen und syra¬<lb/>
kusischen besteht darin, daſs in den neapolitanischen<lb/>
die Leichenbehälter von dem Boden aufwärts, und hier<lb/>
in die Tiefe der Wand hinein gearbeitet sind. Dort<lb/>
sind unten die gröſsern und dann an der Wand her¬<lb/>
auf die kleinern Behälter; hier sind vorn die gröſsern<lb/>
und dann weiter hin in die Felsenwand hinein die<lb/>
kleinern: so daſs in Neapel das Dreyeck der Lage an<lb/>
der Seite aufwärts, in Syrakus mit der Spitze einwärts<lb/>
niedergelegt zu denken ist. Beschreibung ist schwer<lb/>
und Zeichnung macht noch mehr Umstände; ich weiſs<lb/>
nicht ob ich Dir deutlich geworden bin. Ein avtopti¬<lb/>
scher Anblick giebt es in einem Moment. In Neapel<lb/>
lagen die Kadaver in kleineren Nischen an der Wand<lb/>
hinauf, unten die gröſseren und aufwärts immer klei¬<lb/>
nere; in Syrakus in den Felsen hinein, vorn gröſsere<lb/>
und hinterwärts immer kleinere. Hier habe ich den<lb/>
einzigen vernünftigen Mönch als Mönch in meinem<lb/>
Leben gesehen. Wo man sonst auch noch zuweilen<lb/>
gute und vernünftige trifft, sind sie es wenigstens<lb/>
nicht als Mönche. Der Eingang in die Gruft ist hier<lb/>
eine alte Kirche des heiligen Johannes, wo nur selten<lb/>
Gottesdienst gehalten wird. Dieser Mönch ist der ein¬<lb/>
zige Bewohner der Kirche und der Katakomben;<lb/>
Glöckner und Sakristan, und Abt und Kellner und<lb/>
Layenbruder zugleich. Das erste Mal, als wir kamen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[261/0287]
lich gewesen seyn mögen ist wohl schwerlich zu be¬
stimmen; aber daſs beyde in der Folge zu Begräbniſs¬
plätzen gedient haben, ist ausgemacht. Von den syra¬
kusischen lieſse sich vielleicht aus dem Bau mehr be¬
haupten, daſs sie ursprünglich dazu gehauen wurden.
Der groſse Unterschied der neapolitanischen und syra¬
kusischen besteht darin, daſs in den neapolitanischen
die Leichenbehälter von dem Boden aufwärts, und hier
in die Tiefe der Wand hinein gearbeitet sind. Dort
sind unten die gröſsern und dann an der Wand her¬
auf die kleinern Behälter; hier sind vorn die gröſsern
und dann weiter hin in die Felsenwand hinein die
kleinern: so daſs in Neapel das Dreyeck der Lage an
der Seite aufwärts, in Syrakus mit der Spitze einwärts
niedergelegt zu denken ist. Beschreibung ist schwer
und Zeichnung macht noch mehr Umstände; ich weiſs
nicht ob ich Dir deutlich geworden bin. Ein avtopti¬
scher Anblick giebt es in einem Moment. In Neapel
lagen die Kadaver in kleineren Nischen an der Wand
hinauf, unten die gröſseren und aufwärts immer klei¬
nere; in Syrakus in den Felsen hinein, vorn gröſsere
und hinterwärts immer kleinere. Hier habe ich den
einzigen vernünftigen Mönch als Mönch in meinem
Leben gesehen. Wo man sonst auch noch zuweilen
gute und vernünftige trifft, sind sie es wenigstens
nicht als Mönche. Der Eingang in die Gruft ist hier
eine alte Kirche des heiligen Johannes, wo nur selten
Gottesdienst gehalten wird. Dieser Mönch ist der ein¬
zige Bewohner der Kirche und der Katakomben;
Glöckner und Sakristan, und Abt und Kellner und
Layenbruder zugleich. Das erste Mal, als wir kamen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/287>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.