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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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auf zu dem Tempel der Juno Lucina und den übri¬
gen Resten, unter denen man mehrere Tage sehr
eparnorthotisch hin und her wandeln könnte. Die sy¬
stematischen Reisenden mögen Dir das übrige sagen;
ich habe keine Entdeckungen gemacht. Der jetzige
König hat einige Stücke wieder hinauf auf den Kon¬
kordientempel schaffen lassen und dafür die schöne
alte Front mit der pompösen Inschrift entstellt: Ferdi¬
nandus IV. Rex Restaurauit. Ich hätte den Giebel
herunter werfen mögen, wo die kleinliche Eitelkeit
stand.

Die beyden ziemlich gut erhaltenen Tempel ste¬
hen nicht weit von den alten Mauern, in deren soli¬
dem Felsen eine Menge Aushöhlungen sind, aus denen
man nicht recht weiss was man machen soll. Einige
halten sie für Gräber. Mir kommt es wahrscheinli¬
cher vor, dass es Schlafstellen für die Wache sind,
eine Art von Kasernen; und sie sind vermuthlich nur
aus der neuern Zeit der Saracenen oder Gothen.
Diese Mauern, so niedrig sie auch gegen die hohen
Berge umher liegen, sind doch als Felsen beträchtlich
genug, dass man von der See aus die Stadt das hohe
Akragas nennen konnte; und noch jetzt würden unsere
Vierundzwanzig-Pfünder genug zu arbeiten haben
eine Bresche hinein zu schlagen. Es ist wohl nicht
ohne Grund geschehen, dass man die schönsten Tem¬
pel der Mauer so nahe baute. Sie waren das Heilig¬
thum der Stadt; ihre Nähe beym Angriff musste an¬
feuern, wo, die Bürger wirklich augenscheinlich pro
aris et focis
schlugen. Auch der Tempel des Herku¬
les muss unten nicht weit von der Mauer gestanden

auf zu dem Tempel der Juno Lucina und den übri¬
gen Resten, unter denen man mehrere Tage sehr
eparnorthotisch hin und her wandeln könnte. Die sy¬
stematischen Reisenden mögen Dir das übrige sagen;
ich habe keine Entdeckungen gemacht. Der jetzige
König hat einige Stücke wieder hinauf auf den Kon¬
kordientempel schaffen lassen und dafür die schöne
alte Front mit der pompösen Inschrift entstellt: Ferdi¬
nandus IV. Rex Restaurauit. Ich hätte den Giebel
herunter werfen mögen, wo die kleinliche Eitelkeit
stand.

Die beyden ziemlich gut erhaltenen Tempel ste¬
hen nicht weit von den alten Mauern, in deren soli¬
dem Felsen eine Menge Aushöhlungen sind, aus denen
man nicht recht weiſs was man machen soll. Einige
halten sie für Gräber. Mir kommt es wahrscheinli¬
cher vor, daſs es Schlafstellen für die Wache sind,
eine Art von Kasernen; und sie sind vermuthlich nur
aus der neuern Zeit der Saracenen oder Gothen.
Diese Mauern, so niedrig sie auch gegen die hohen
Berge umher liegen, sind doch als Felsen beträchtlich
genug, daſs man von der See aus die Stadt das hohe
Akragas nennen konnte; und noch jetzt würden unsere
Vierundzwanzig-Pfünder genug zu arbeiten haben
eine Bresche hinein zu schlagen. Es ist wohl nicht
ohne Grund geschehen, daſs man die schönsten Tem¬
pel der Mauer so nahe baute. Sie waren das Heilig¬
thum der Stadt; ihre Nähe beym Angriff muſste an¬
feuern, wo, die Bürger wirklich augenscheinlich pro
aris et focis
schlugen. Auch der Tempel des Herku¬
les muſs unten nicht weit von der Mauer gestanden

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[218/0244] auf zu dem Tempel der Juno Lucina und den übri¬ gen Resten, unter denen man mehrere Tage sehr eparnorthotisch hin und her wandeln könnte. Die sy¬ stematischen Reisenden mögen Dir das übrige sagen; ich habe keine Entdeckungen gemacht. Der jetzige König hat einige Stücke wieder hinauf auf den Kon¬ kordientempel schaffen lassen und dafür die schöne alte Front mit der pompösen Inschrift entstellt: Ferdi¬ nandus IV. Rex Restaurauit. Ich hätte den Giebel herunter werfen mögen, wo die kleinliche Eitelkeit stand. Die beyden ziemlich gut erhaltenen Tempel ste¬ hen nicht weit von den alten Mauern, in deren soli¬ dem Felsen eine Menge Aushöhlungen sind, aus denen man nicht recht weiſs was man machen soll. Einige halten sie für Gräber. Mir kommt es wahrscheinli¬ cher vor, daſs es Schlafstellen für die Wache sind, eine Art von Kasernen; und sie sind vermuthlich nur aus der neuern Zeit der Saracenen oder Gothen. Diese Mauern, so niedrig sie auch gegen die hohen Berge umher liegen, sind doch als Felsen beträchtlich genug, daſs man von der See aus die Stadt das hohe Akragas nennen konnte; und noch jetzt würden unsere Vierundzwanzig-Pfünder genug zu arbeiten haben eine Bresche hinein zu schlagen. Es ist wohl nicht ohne Grund geschehen, daſs man die schönsten Tem¬ pel der Mauer so nahe baute. Sie waren das Heilig¬ thum der Stadt; ihre Nähe beym Angriff muſste an¬ feuern, wo, die Bürger wirklich augenscheinlich pro aris et focis schlugen. Auch der Tempel des Herku¬ les muſs unten nicht weit von der Mauer gestanden

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/244>, abgerufen am 23.11.2024.