tempels, und die ungeheuern Blöcke von dem Tempel des Herkules, wie nehmlich die Antiquare glauben; denn ich wage nicht etwas zu bestimmen. Die Trüm¬ mern waren mit Oehlbäumen und ungeheuern Karu¬ ben durchwachsen, die ich selten anderswo so schön und gross gesehen habe. Sodann gingen wir weiter hinauf zu dem fast ganzen Tempel der Konkordia. Das Wetter war frisch und sehr windig. Ich stieg durch die Celle hinauf, wo mir mein weiser Führer folgte, und lief dann oben auf dem steinernen Gebälke durch den Wind mit einer, nordischen Festigkeit hin und her, dass der Agrigentiner, der doch ein Maule¬ seltreiber war, vor Angst blass ward, an der Celle blieb und sich niedersetzte. Ich that das nehmliche mitten auf dem Gesimms, bot den Winden Trotz, nahm Brot und Braten und Orangen aus der Tasche und hielt ein Frühstück, das gewiss Scipio auf den Trümmern von Karthago nicht besser gehabt hat. Ich konnte mich doch einer schauerlichen Empfindung nicht er¬ wehren, als ich über die Stelle des alten grossen rei¬ chen Emporiums hinsah, wo einst nur ein einziger Bürger unvorbereitet vierhundert Gäste bewirthete und jedem die üppigste Bequemlichkeit gab. Dort schlän¬ gelt sich der kleine Akragas, der der Stadt den Namen gab, hinunter in die See; und dort oben am Berge, wo jetzt kaum noch eine Trümmer steht, schlugen die Karthager, und das Schicksal der Stadt wurde nur durch den Muth der Bürger und die Deisidämonie des feindlichen Feldherrn noch aufgehalten. Wo jetzt die Stadt steht, war vermuthlich ehemahls ein Theil der Akropolis. Nun ging ich noch etwas weiter hin¬
tempels, und die ungeheuern Blöcke von dem Tempel des Herkules, wie nehmlich die Antiquare glauben; denn ich wage nicht etwas zu bestimmen. Die Trüm¬ mern waren mit Oehlbäumen und ungeheuern Karu¬ ben durchwachsen, die ich selten anderswo so schön und groſs gesehen habe. Sodann gingen wir weiter hinauf zu dem fast ganzen Tempel der Konkordia. Das Wetter war frisch und sehr windig. Ich stieg durch die Celle hinauf, wo mir mein weiser Führer folgte, und lief dann oben auf dem steinernen Gebälke durch den Wind mit einer, nordischen Festigkeit hin und her, daſs der Agrigentiner, der doch ein Maule¬ seltreiber war, vor Angst blaſs ward, an der Celle blieb und sich niedersetzte. Ich that das nehmliche mitten auf dem Gesimms, bot den Winden Trotz, nahm Brot und Braten und Orangen aus der Tasche und hielt ein Frühstück, das gewiſs Scipio auf den Trümmern von Karthago nicht besser gehabt hat. Ich konnte mich doch einer schauerlichen Empfindung nicht er¬ wehren, als ich über die Stelle des alten groſsen rei¬ chen Emporiums hinsah, wo einst nur ein einziger Bürger unvorbereitet vierhundert Gäste bewirthete und jedem die üppigste Bequemlichkeit gab. Dort schlän¬ gelt sich der kleine Akragas, der der Stadt den Namen gab, hinunter in die See; und dort oben am Berge, wo jetzt kaum noch eine Trümmer steht, schlugen die Karthager, und das Schicksal der Stadt wurde nur durch den Muth der Bürger und die Deisidämonie des feindlichen Feldherrn noch aufgehalten. Wo jetzt die Stadt steht, war vermuthlich ehemahls ein Theil der Akropolis. Nun ging ich noch etwas weiter hin¬
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tempels, und die ungeheuern Blöcke von dem Tempel
des Herkules, wie nehmlich die Antiquare glauben;
denn ich wage nicht etwas zu bestimmen. Die Trüm¬
mern waren mit Oehlbäumen und ungeheuern Karu¬
ben durchwachsen, die ich selten anderswo so schön
und groſs gesehen habe. Sodann gingen wir weiter
hinauf zu dem fast ganzen Tempel der Konkordia.
Das Wetter war frisch und sehr windig. Ich stieg
durch die Celle hinauf, wo mir mein weiser Führer
folgte, und lief dann oben auf dem steinernen Gebälke
durch den Wind mit einer, nordischen Festigkeit hin
und her, daſs der Agrigentiner, der doch ein Maule¬
seltreiber war, vor Angst blaſs ward, an der Celle blieb
und sich niedersetzte. Ich that das nehmliche mitten
auf dem Gesimms, bot den Winden Trotz, nahm Brot
und Braten und Orangen aus der Tasche und hielt
ein Frühstück, das gewiſs Scipio auf den Trümmern
von Karthago nicht besser gehabt hat. Ich konnte
mich doch einer schauerlichen Empfindung nicht er¬
wehren, als ich über die Stelle des alten groſsen rei¬
chen Emporiums hinsah, wo einst nur ein einziger
Bürger unvorbereitet vierhundert Gäste bewirthete und
jedem die üppigste Bequemlichkeit gab. Dort schlän¬
gelt sich der kleine Akragas, der der Stadt den Namen
gab, hinunter in die See; und dort oben am Berge,
wo jetzt kaum noch eine Trümmer steht, schlugen die
Karthager, und das Schicksal der Stadt wurde nur
durch den Muth der Bürger und die Deisidämonie
des feindlichen Feldherrn noch aufgehalten. Wo jetzt
die Stadt steht, war vermuthlich ehemahls ein Theil
der Akropolis. Nun ging ich noch etwas weiter hin¬
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/243>, abgerufen am 23.11.2024.
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