Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.Als mit meiner Mutter Du kamst Hyacinthen zu sammeln
Auf dem Hügel, und ich die blumigen Pfade Dich führte. Seitdem schau ich immer Dich an, und kann es bis jetzt nun, Kann es nicht lassen; doch kümmert es, beym Himmel, Dich gar nichts. Ach ich weiss wohl, liebliches Mädchen, warum Du mich fliehest: Weil sich über die ganze Stirne mir zottig die Braue, Von dem Ohre zum Ohre gespannt, die einzige lang zieht, Nur ein Auge mir leuchtet und breit mir die Nase zum Mund hängt. Aber doch so wie ich bin hab' ich tausend weidende Schafe, Und ich trinke von ihnen die süsseste Milch, die ich melke: Auch geht mir der Käse nicht aus im Sommer, im Herbst nicht, Nicht im spätesten Winter; die Körbe über den Rand voll. Auch kann ich pfeifen, so schön wie keiner der andern Cy¬ klopen, Wenn, Goldäpfelchen, Dich und mich, den Getreuen, ich singe Oft in der Tiefe der Nacht. Ich füttre elf Hirsche mit Jungen, Alle für Dich, und für Dich vier junge zierliche Bären. Komm, ach komm nur zu mir; Du findest der Schätze viel mehr noch. Lass Du die bläulichen Wogen nur rauschen am Felsenge¬ stade; Süsser schläfst Du bey mir gewiss die Nacht in der Grotte. Lorber hab' ich daselbst und schlanke leichte Cypressen, Als mit meiner Mutter Du kamst Hyacinthen zu sammeln
Auf dem Hügel, und ich die blumigen Pfade Dich führte. Seitdem schau ich immer Dich an, und kann es bis jetzt nun, Kann es nicht lassen; doch kümmert es, beym Himmel, Dich gar nichts. Ach ich weiſs wohl, liebliches Mädchen, warum Du mich fliehest: Weil sich über die ganze Stirne mir zottig die Braue, Von dem Ohre zum Ohre gespannt, die einzige lang zieht, Nur ein Auge mir leuchtet und breit mir die Nase zum Mund hängt. Aber doch so wie ich bin hab' ich tausend weidende Schafe, Und ich trinke von ihnen die süſseste Milch, die ich melke: Auch geht mir der Käse nicht aus im Sommer, im Herbst nicht, Nicht im spätesten Winter; die Körbe über den Rand voll. Auch kann ich pfeifen, so schön wie keiner der andern Cy¬ klopen, Wenn, Goldäpfelchen, Dich und mich, den Getreuen, ich singe Oft in der Tiefe der Nacht. Ich füttre elf Hirsche mit Jungen, Alle für Dich, und für Dich vier junge zierliche Bären. Komm, ach komm nur zu mir; Du findest der Schätze viel mehr noch. Laſs Du die bläulichen Wogen nur rauschen am Felsenge¬ stade; Süſser schläfst Du bey mir gewiſs die Nacht in der Grotte. Lorber hab' ich daselbst und schlanke leichte Cypressen, <TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <pb facs="#f0230" n="204"/> <lg n="3"> <l>Als mit meiner Mutter Du kamst Hyacinthen zu sammeln</l><lb/> <l>Auf dem Hügel, und ich die blumigen Pfade Dich führte.</l><lb/> <l>Seitdem schau ich immer Dich an, und kann es bis jetzt nun,</l><lb/> <l>Kann es nicht lassen; doch kümmert es, beym Himmel, Dich</l><lb/> <l>gar nichts.</l><lb/> <l>Ach ich weiſs wohl, liebliches Mädchen, warum Du mich</l><lb/> <l>fliehest:</l><lb/> <l>Weil sich über die ganze Stirne mir zottig die Braue,</l><lb/> <l>Von dem Ohre zum Ohre gespannt, die einzige lang zieht,</l><lb/> <l>Nur ein Auge mir leuchtet und breit mir die Nase zum</l><lb/> <l>Mund hängt.</l><lb/> <l>Aber doch so wie ich bin hab' ich tausend weidende Schafe,</l><lb/> <l>Und ich trinke von ihnen die süſseste Milch, die ich melke:</l><lb/> <l>Auch geht mir der Käse nicht aus im Sommer, im Herbst</l><lb/> <l>nicht,</l><lb/> <l>Nicht im spätesten Winter; die Körbe über den Rand voll.</l><lb/> <l>Auch kann ich pfeifen, so schön wie keiner der andern Cy¬</l><lb/> <l>klopen,</l><lb/> <l>Wenn, Goldäpfelchen, Dich und mich, den Getreuen, ich</l><lb/> <l>singe</l><lb/> <l>Oft in der Tiefe der Nacht. Ich füttre elf Hirsche mit</l><lb/> <l>Jungen,</l><lb/> <l>Alle für Dich, und für Dich vier junge zierliche Bären.</l><lb/> <l>Komm, ach komm nur zu mir; Du findest der Schätze viel</l><lb/> <l>mehr noch.</l><lb/> <l>Laſs Du die bläulichen Wogen nur rauschen am Felsenge¬</l><lb/> <l>stade;</l><lb/> <l>Süſser schläfst Du bey mir gewiſs die Nacht in der Grotte.</l><lb/> <l>Lorber hab' ich daselbst und schlanke leichte Cypressen,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [204/0230]
Als mit meiner Mutter Du kamst Hyacinthen zu sammeln
Auf dem Hügel, und ich die blumigen Pfade Dich führte.
Seitdem schau ich immer Dich an, und kann es bis jetzt nun,
Kann es nicht lassen; doch kümmert es, beym Himmel, Dich
gar nichts.
Ach ich weiſs wohl, liebliches Mädchen, warum Du mich
fliehest:
Weil sich über die ganze Stirne mir zottig die Braue,
Von dem Ohre zum Ohre gespannt, die einzige lang zieht,
Nur ein Auge mir leuchtet und breit mir die Nase zum
Mund hängt.
Aber doch so wie ich bin hab' ich tausend weidende Schafe,
Und ich trinke von ihnen die süſseste Milch, die ich melke:
Auch geht mir der Käse nicht aus im Sommer, im Herbst
nicht,
Nicht im spätesten Winter; die Körbe über den Rand voll.
Auch kann ich pfeifen, so schön wie keiner der andern Cy¬
klopen,
Wenn, Goldäpfelchen, Dich und mich, den Getreuen, ich
singe
Oft in der Tiefe der Nacht. Ich füttre elf Hirsche mit
Jungen,
Alle für Dich, und für Dich vier junge zierliche Bären.
Komm, ach komm nur zu mir; Du findest der Schätze viel
mehr noch.
Laſs Du die bläulichen Wogen nur rauschen am Felsenge¬
stade;
Süſser schläfst Du bey mir gewiſs die Nacht in der Grotte.
Lorber hab' ich daselbst und schlanke leichte Cypressen,
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