sah ich gleich den zweyten Tag, und mehrere andere deutsche Künstler. Gmelin ist ein lebhafter joviali¬ scher Mann, der nicht umsonst die Welt gesehn hat, und der eine eigene Gabe besitzt im Deutschen und Französischen mit der lebendigsten Mimik zu erzählen.
Der Kardinal Borgia, an den ich einen Brief hatte, nahm mich mit vieler Freundlichkeit auf. Ein Anderer würde in seinem Stil Herablassung sagen; nach meinem Begriff lässt sich kein Mensch herab, wenn er mit Menschen spricht: und wenn irgend ein so genannter Grosser in seinem Charakter noch Her¬ ablassung nöthig hat, so steht er noch lange nicht auf dem rechten Punkte. Ich war genöthigt meine An¬ rede französisch zu machen, da ich mir im Italiäni¬ schen nicht Wendung genug zutraute, mit einem sol¬ chen Manne eine zusammenhängende Unterredung zu halten. Er antwortete mir in der nehmlichen Spra¬ che; aber kaum hörte er, dass ich Latein wusste, so fuhr er für einen Kardinal drollig genug lateinisch fort, das Lob dieser Sprache zu machen, durch welche die Nationen so fest zusammen hangen. Haec est illa lingua, setzte er hinzu, quae nobis peperit at¬ que Virgilios. Et Tiberios et Nerones, hätte ich fast unwillkührlich durch die Zähne gemurmelt. Ein Wort gab das andere, ich musste ihm einiges von meiner Kriegswanderung nach Amerika erzählen und von mei¬ nem Wesen in Polen, und der alte Herr fiel mir mit vieler Gutmüthigkeit um den Hals, und fasste mich im Ausbruch der Jovialität nicht allein beym Kopf son¬ dern sogar bey den Ohren. Ein alter militärischer General seiner Heiligkeit stand dabey, und es wurde
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sah ich gleich den zweyten Tag, und mehrere andere deutsche Künstler. Gmelin ist ein lebhafter joviali¬ scher Mann, der nicht umsonst die Welt gesehn hat, und der eine eigene Gabe besitzt im Deutschen und Französischen mit der lebendigsten Mimik zu erzählen.
Der Kardinal Borgia, an den ich einen Brief hatte, nahm mich mit vieler Freundlichkeit auf. Ein Anderer würde in seinem Stil Herablassung sagen; nach meinem Begriff läſst sich kein Mensch herab, wenn er mit Menschen spricht: und wenn irgend ein so genannter Groſser in seinem Charakter noch Her¬ ablassung nöthig hat, so steht er noch lange nicht auf dem rechten Punkte. Ich war genöthigt meine An¬ rede französisch zu machen, da ich mir im Italiäni¬ schen nicht Wendung genug zutraute, mit einem sol¬ chen Manne eine zusammenhängende Unterredung zu halten. Er antwortete mir in der nehmlichen Spra¬ che; aber kaum hörte er, daſs ich Latein wuſste, so fuhr er für einen Kardinal drollig genug lateinisch fort, das Lob dieser Sprache zu machen, durch welche die Nationen so fest zusammen hangen. Haec est illa lingua, setzte er hinzu, quae nobis peperit at¬ que Virgilios. Et Tiberios et Nerones, hätte ich fast unwillkührlich durch die Zähne gemurmelt. Ein Wort gab das andere, ich muſste ihm einiges von meiner Kriegswanderung nach Amerika erzählen und von mei¬ nem Wesen in Polen, und der alte Herr fiel mir mit vieler Gutmüthigkeit um den Hals, und faſste mich im Ausbruch der Jovialität nicht allein beym Kopf son¬ dern sogar bey den Ohren. Ein alter militärischer General seiner Heiligkeit stand dabey, und es wurde
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sah ich gleich den zweyten Tag, und mehrere andere
deutsche Künstler. Gmelin ist ein lebhafter joviali¬
scher Mann, der nicht umsonst die Welt gesehn hat,
und der eine eigene Gabe besitzt im Deutschen und
Französischen mit der lebendigsten Mimik zu erzählen.
Der Kardinal Borgia, an den ich einen Brief
hatte, nahm mich mit vieler Freundlichkeit auf. Ein
Anderer würde in seinem Stil Herablassung sagen;
nach meinem Begriff läſst sich kein Mensch herab,
wenn er mit Menschen spricht: und wenn irgend ein
so genannter Groſser in seinem Charakter noch Her¬
ablassung nöthig hat, so steht er noch lange nicht auf
dem rechten Punkte. Ich war genöthigt meine An¬
rede französisch zu machen, da ich mir im Italiäni¬
schen nicht Wendung genug zutraute, mit einem sol¬
chen Manne eine zusammenhängende Unterredung zu
halten. Er antwortete mir in der nehmlichen Spra¬
che; aber kaum hörte er, daſs ich Latein wuſste, so
fuhr er für einen Kardinal drollig genug lateinisch fort,
das Lob dieser Sprache zu machen, durch welche die
Nationen so fest zusammen hangen. Haec est illa
lingua, setzte er hinzu, quae nobis peperit at¬
que Virgilios. Et Tiberios et Nerones, hätte ich fast
unwillkührlich durch die Zähne gemurmelt. Ein Wort
gab das andere, ich muſste ihm einiges von meiner
Kriegswanderung nach Amerika erzählen und von mei¬
nem Wesen in Polen, und der alte Herr fiel mir mit
vieler Gutmüthigkeit um den Hals, und faſste mich
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/187>, abgerufen am 28.11.2024.
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