mich fragte wo ich wohnen würde? Das weiss ich nicht, sagte ich; ich muss ein Wirthshaus suchen. Er bot mir an mich mit in sein Haus zu nehmen. Er habe zwar kein Wirthshaus, ich solle es aber bey ihm so gut finden, als es Gefälligkeit machen könne. Ich sah dem Manne näher ins Auge und las wenigstens keine Schurkerey darin, dachte, hier oder da ist ei¬ nerley, setzte mich wieder nieder und liess mich mit fort ziehen. Man brachte mich, dem heiligen Fran¬ ziskus mit den Stigmen gegen über, in den Pallast Strozzi, wo mein Wirth eine Art von Haushofmeister zu seyn scheint.
Rom.
So bin ich denn also unwidersprechlich hier an der gelben Tiber, und zwar in keinem der letzten Häuser. Man hat hier im Hause viel Höflichkeit für mich und mehr Aufmerksamkeit als mir lieb ist: denn ich merke, dass ich hier viel theurer leben werde, als in irgend einem Wirthshause; wie mir meine Landsleute, die den römischen Rommel etwas verstehen, auch schon erklärt haben. Ich habe meine Addressen auf¬ gesucht. Uhden und Fernow empfingen mich mit Humanität und freundschaftlicher Wärme. Du kennst die Männer aus ihren Arbeiten, welche gut sind; aber sie selbst sind noch besser, welches nicht immer der Fall bey literärischen Männern ist. Ich bin also schon kein Fremdling mehr am Kapitole. Auch den selbst¬ ständigen, originellen und etwas barocken Reinhart
mich fragte wo ich wohnen würde? Das weiſs ich nicht, sagte ich; ich muſs ein Wirthshaus suchen. Er bot mir an mich mit in sein Haus zu nehmen. Er habe zwar kein Wirthshaus, ich solle es aber bey ihm so gut finden, als es Gefälligkeit machen könne. Ich sah dem Manne näher ins Auge und las wenigstens keine Schurkerey darin, dachte, hier oder da ist ei¬ nerley, setzte mich wieder nieder und lieſs mich mit fort ziehen. Man brachte mich, dem heiligen Fran¬ ziskus mit den Stigmen gegen über, in den Pallast Strozzi, wo mein Wirth eine Art von Haushofmeister zu seyn scheint.
Rom.
So bin ich denn also unwidersprechlich hier an der gelben Tiber, und zwar in keinem der letzten Häuser. Man hat hier im Hause viel Höflichkeit für mich und mehr Aufmerksamkeit als mir lieb ist: denn ich merke, daſs ich hier viel theurer leben werde, als in irgend einem Wirthshause; wie mir meine Landsleute, die den römischen Rommel etwas verstehen, auch schon erklärt haben. Ich habe meine Addressen auf¬ gesucht. Uhden und Fernow empfingen mich mit Humanität und freundschaftlicher Wärme. Du kennst die Männer aus ihren Arbeiten, welche gut sind; aber sie selbst sind noch besser, welches nicht immer der Fall bey literärischen Männern ist. Ich bin also schon kein Fremdling mehr am Kapitole. Auch den selbst¬ ständigen, originellen und etwas barocken Reinhart
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mich fragte wo ich wohnen würde? Das weiſs ich
nicht, sagte ich; ich muſs ein Wirthshaus suchen. Er
bot mir an mich mit in sein Haus zu nehmen. Er
habe zwar kein Wirthshaus, ich solle es aber bey ihm
so gut finden, als es Gefälligkeit machen könne. Ich
sah dem Manne näher ins Auge und las wenigstens
keine Schurkerey darin, dachte, hier oder da ist ei¬
nerley, setzte mich wieder nieder und lieſs mich mit
fort ziehen. Man brachte mich, dem heiligen Fran¬
ziskus mit den Stigmen gegen über, in den Pallast
Strozzi, wo mein Wirth eine Art von Haushofmeister
zu seyn scheint.
Rom.
So bin ich denn also unwidersprechlich hier an der
gelben Tiber, und zwar in keinem der letzten Häuser.
Man hat hier im Hause viel Höflichkeit für mich
und mehr Aufmerksamkeit als mir lieb ist: denn ich
merke, daſs ich hier viel theurer leben werde, als in
irgend einem Wirthshause; wie mir meine Landsleute,
die den römischen Rommel etwas verstehen, auch
schon erklärt haben. Ich habe meine Addressen auf¬
gesucht. Uhden und Fernow empfingen mich mit
Humanität und freundschaftlicher Wärme. Du kennst
die Männer aus ihren Arbeiten, welche gut sind; aber
sie selbst sind noch besser, welches nicht immer der
Fall bey literärischen Männern ist. Ich bin also schon
kein Fremdling mehr am Kapitole. Auch den selbst¬
ständigen, originellen und etwas barocken Reinhart
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/186>, abgerufen am 28.11.2024.
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