wenn ich länger hier bliebe, würde ich mich an die Bequemlichkeit der Kapuziner halten.
Die Leute klagten über Noth und hielten bey hel¬ lem Tage durch die ganze Stadt Faschingsmumme¬ reyen, dass die Franzosen die Polizeywache verdoppeln mussten, damit das Volk einander nur nicht todt trat, so voll waren die Gassen gepfropft. Da gab es denn eben so possierliche Auftritte, wie in Imola. Vorzüg¬ lich schnakisch sah es aus, wenn eine sehr feine Ge¬ sellschaft in dem höchsten Maskeradenputz vorbey zog, ein wirklicher Ochsenbauer mit seinen weitgehörnten Thieren, die Weinfässer fuhren, sich eingeschoben hatte und eine Gruppe zierlicher Abbaten hinter den Fässern hertrollte, nicht vorbey konnte, mit Ungeduld ihre Blicke nach den Damen schickten, endlich durch¬ wischten und mit den soliden Fuhrleuten in ernst¬ hafte Ellbogenkollision kamen. Das gab dann Leben und Lärm unter den dichtgedrängten Zuschauern links und rechts. Die armen Leute, welche über Hunger klagten, warfen doch einander mit Bonbons aller Art; aber vorzüglich gingen freundschaftliche zärtliche Ka¬ nonaden mit einer ungeheuern Menge Maiz, den man in Körben als Ammunition zu dieser Neckerey dort zum Verkauf trug. Mich däucht, man hätte nachher wohl zehen Scheffel sammeln können. Freylich lesen den andern Tag die Armen auf, was nicht im Koth zertreten und zerfahren ist; und damit entschuldigt man das Unwesen. Es ist eine sonderbare, sehr när¬ risch lustige Art Almosen auszutheilen.
Die Kaffeehäuser sind hier sehr gut eingerichtet und man trifft daselbst immer sehr angenehme unter¬
wenn ich länger hier bliebe, würde ich mich an die Bequemlichkeit der Kapuziner halten.
Die Leute klagten über Noth und hielten bey hel¬ lem Tage durch die ganze Stadt Faschingsmumme¬ reyen, daſs die Franzosen die Polizeywache verdoppeln muſsten, damit das Volk einander nur nicht todt trat, so voll waren die Gassen gepfropft. Da gab es denn eben so possierliche Auftritte, wie in Imola. Vorzüg¬ lich schnakisch sah es aus, wenn eine sehr feine Ge¬ sellschaft in dem höchsten Maskeradenputz vorbey zog, ein wirklicher Ochsenbauer mit seinen weitgehörnten Thieren, die Weinfässer fuhren, sich eingeschoben hatte und eine Gruppe zierlicher Abbaten hinter den Fässern hertrollte, nicht vorbey konnte, mit Ungeduld ihre Blicke nach den Damen schickten, endlich durch¬ wischten und mit den soliden Fuhrleuten in ernst¬ hafte Ellbogenkollision kamen. Das gab dann Leben und Lärm unter den dichtgedrängten Zuschauern links und rechts. Die armen Leute, welche über Hunger klagten, warfen doch einander mit Bonbons aller Art; aber vorzüglich gingen freundschaftliche zärtliche Ka¬ nonaden mit einer ungeheuern Menge Maiz, den man in Körben als Ammunition zu dieser Neckerey dort zum Verkauf trug. Mich däucht, man hätte nachher wohl zehen Scheffel sammeln können. Freylich lesen den andern Tag die Armen auf, was nicht im Koth zertreten und zerfahren ist; und damit entschuldigt man das Unwesen. Es ist eine sonderbare, sehr när¬ risch lustige Art Almosen auszutheilen.
Die Kaffeehäuser sind hier sehr gut eingerichtet und man trifft daselbst immer sehr angenehme unter¬
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wenn ich länger hier bliebe, würde ich mich an die
Bequemlichkeit der Kapuziner halten.
Die Leute klagten über Noth und hielten bey hel¬
lem Tage durch die ganze Stadt Faschingsmumme¬
reyen, daſs die Franzosen die Polizeywache verdoppeln
muſsten, damit das Volk einander nur nicht todt trat,
so voll waren die Gassen gepfropft. Da gab es denn
eben so possierliche Auftritte, wie in Imola. Vorzüg¬
lich schnakisch sah es aus, wenn eine sehr feine Ge¬
sellschaft in dem höchsten Maskeradenputz vorbey zog,
ein wirklicher Ochsenbauer mit seinen weitgehörnten
Thieren, die Weinfässer fuhren, sich eingeschoben
hatte und eine Gruppe zierlicher Abbaten hinter den
Fässern hertrollte, nicht vorbey konnte, mit Ungeduld
ihre Blicke nach den Damen schickten, endlich durch¬
wischten und mit den soliden Fuhrleuten in ernst¬
hafte Ellbogenkollision kamen. Das gab dann Leben
und Lärm unter den dichtgedrängten Zuschauern links
und rechts. Die armen Leute, welche über Hunger
klagten, warfen doch einander mit Bonbons aller Art;
aber vorzüglich gingen freundschaftliche zärtliche Ka¬
nonaden mit einer ungeheuern Menge Maiz, den man
in Körben als Ammunition zu dieser Neckerey dort
zum Verkauf trug. Mich däucht, man hätte nachher
wohl zehen Scheffel sammeln können. Freylich lesen
den andern Tag die Armen auf, was nicht im Koth
zertreten und zerfahren ist; und damit entschuldigt
man das Unwesen. Es ist eine sonderbare, sehr när¬
risch lustige Art Almosen auszutheilen.
Die Kaffeehäuser sind hier sehr gut eingerichtet
und man trifft daselbst immer sehr angenehme unter¬
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/159>, abgerufen am 29.11.2024.
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