mir alle ihre Wunder mit viel Salbung; und ich hatte die Ehre dreye zu bezahlen. Sodann ging ich das Monument des Livius aufzusuchen, von welchem alle meine drey Führer nichts wussten. Er muss in seiner Vaterstadt jetzt so ausserordentlich berühmt nicht seyn: denn drey stattlich gekleidete Männer, die ich nach der Reihe anredete, konnten mir weder vom Livius noch von seinem Monumente erzählen; und doch sprachen zwey davon geläufig genug französisch. End¬ lich wies mich ein alter Graukopf nach dem Stadt¬ hause, wo es sich befinde. Ich wandelte in dem un¬ geheuren Saale des Stadthauses neugierig herum, und redete einen Mann mit einem ziemlich literärischen Antlitz lateinisch an. Er antwortete mir italiänisch, er habe zwar ehemals etwas Latein gelernt, aber es nun wieder ziemlich vergessen; und das meinige sey ihm zu alt, das könne er gar nicht verstehen. Er wies mich hierauf an einen Andern, der mit einem Buch in einer Ecke sass. Dieser stand auf und zeigte mir mit vieler Humanität den alten Stein über dem Eingange einer Expedition. Du kennst ihn unstreitig mit seiner Inschrift, welche weiter nichts sagt, als dass die Paduaner ihrem Mitbürger Livius hier dieses An¬ denken errichtet haben. Das neue prächtige Monu¬ ment, das der ehemalige venetianische Senat und das Paduanische Volk ihm gesetzt haben, sah ich nicht, weil es zu entfernt war und ich diesen Abend noch nach Battaglia patrollieren wollte. Als ich ging, sagte mir der Paduaner sehr artig: Gratias tibi habemus pro tua in nostrum popularem observantia. Eris nobis cum multis aliis testimonio, quantopere noster Livius apud
mir alle ihre Wunder mit viel Salbung; und ich hatte die Ehre dreye zu bezahlen. Sodann ging ich das Monument des Livius aufzusuchen, von welchem alle meine drey Führer nichts wuſsten. Er muſs in seiner Vaterstadt jetzt so auſserordentlich berühmt nicht seyn: denn drey stattlich gekleidete Männer, die ich nach der Reihe anredete, konnten mir weder vom Livius noch von seinem Monumente erzählen; und doch sprachen zwey davon geläufig genug französisch. End¬ lich wies mich ein alter Graukopf nach dem Stadt¬ hause, wo es sich befinde. Ich wandelte in dem un¬ geheuren Saale des Stadthauses neugierig herum, und redete einen Mann mit einem ziemlich literärischen Antlitz lateinisch an. Er antwortete mir italiänisch, er habe zwar ehemals etwas Latein gelernt, aber es nun wieder ziemlich vergessen; und das meinige sey ihm zu alt, das könne er gar nicht verstehen. Er wies mich hierauf an einen Andern, der mit einem Buch in einer Ecke saſs. Dieser stand auf und zeigte mir mit vieler Humanität den alten Stein über dem Eingange einer Expedition. Du kennst ihn unstreitig mit seiner Inschrift, welche weiter nichts sagt, als daſs die Paduaner ihrem Mitbürger Livius hier dieses An¬ denken errichtet haben. Das neue prächtige Monu¬ ment, das der ehemalige venetianische Senat und das Paduanische Volk ihm gesetzt haben, sah ich nicht, weil es zu entfernt war und ich diesen Abend noch nach Battaglia patrollieren wollte. Als ich ging, sagte mir der Paduaner sehr artig: Gratias tibi habemus pro tua in nostrum popularem observantia. Eris nobis cum multis aliis testimonio, quantopere noster Livius apud
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0132"n="106"/>
mir alle ihre Wunder mit viel Salbung; und ich hatte<lb/>
die Ehre dreye zu bezahlen. Sodann ging ich das<lb/>
Monument des Livius aufzusuchen, von welchem alle<lb/>
meine drey Führer nichts wuſsten. Er muſs in seiner<lb/>
Vaterstadt jetzt so auſserordentlich berühmt nicht seyn:<lb/>
denn drey stattlich gekleidete Männer, die ich nach<lb/>
der Reihe anredete, konnten mir weder vom Livius<lb/>
noch von seinem Monumente erzählen; und doch<lb/>
sprachen zwey davon geläufig genug französisch. End¬<lb/>
lich wies mich ein alter Graukopf nach dem Stadt¬<lb/>
hause, wo es sich befinde. Ich wandelte in dem un¬<lb/>
geheuren Saale des Stadthauses neugierig herum, und<lb/>
redete einen Mann mit einem ziemlich literärischen<lb/>
Antlitz lateinisch an. Er antwortete mir italiänisch,<lb/>
er habe zwar ehemals etwas Latein gelernt, aber es<lb/>
nun wieder ziemlich vergessen; und das meinige sey<lb/>
ihm zu alt, das könne er gar nicht verstehen. Er<lb/>
wies mich hierauf an einen Andern, der mit einem<lb/>
Buch in einer Ecke saſs. Dieser stand auf und zeigte<lb/>
mir mit vieler Humanität den alten Stein über dem<lb/>
Eingange einer Expedition. Du kennst ihn unstreitig<lb/>
mit seiner Inschrift, welche weiter nichts sagt, als daſs<lb/>
die Paduaner ihrem Mitbürger Livius hier dieses An¬<lb/>
denken errichtet haben. Das neue prächtige Monu¬<lb/>
ment, das der ehemalige venetianische Senat und das<lb/>
Paduanische Volk ihm gesetzt haben, sah ich nicht,<lb/>
weil es zu entfernt war und ich diesen Abend noch<lb/>
nach Battaglia patrollieren wollte. Als ich ging, sagte<lb/>
mir der Paduaner sehr artig: <hirendition="#i">Gratias tibi habemus pro<lb/>
tua in nostrum popularem observantia. Eris nobis cum<lb/>
multis aliis testimonio, quantopere noster Livius apud<lb/></hi></p></div></body></text></TEI>
[106/0132]
mir alle ihre Wunder mit viel Salbung; und ich hatte
die Ehre dreye zu bezahlen. Sodann ging ich das
Monument des Livius aufzusuchen, von welchem alle
meine drey Führer nichts wuſsten. Er muſs in seiner
Vaterstadt jetzt so auſserordentlich berühmt nicht seyn:
denn drey stattlich gekleidete Männer, die ich nach
der Reihe anredete, konnten mir weder vom Livius
noch von seinem Monumente erzählen; und doch
sprachen zwey davon geläufig genug französisch. End¬
lich wies mich ein alter Graukopf nach dem Stadt¬
hause, wo es sich befinde. Ich wandelte in dem un¬
geheuren Saale des Stadthauses neugierig herum, und
redete einen Mann mit einem ziemlich literärischen
Antlitz lateinisch an. Er antwortete mir italiänisch,
er habe zwar ehemals etwas Latein gelernt, aber es
nun wieder ziemlich vergessen; und das meinige sey
ihm zu alt, das könne er gar nicht verstehen. Er
wies mich hierauf an einen Andern, der mit einem
Buch in einer Ecke saſs. Dieser stand auf und zeigte
mir mit vieler Humanität den alten Stein über dem
Eingange einer Expedition. Du kennst ihn unstreitig
mit seiner Inschrift, welche weiter nichts sagt, als daſs
die Paduaner ihrem Mitbürger Livius hier dieses An¬
denken errichtet haben. Das neue prächtige Monu¬
ment, das der ehemalige venetianische Senat und das
Paduanische Volk ihm gesetzt haben, sah ich nicht,
weil es zu entfernt war und ich diesen Abend noch
nach Battaglia patrollieren wollte. Als ich ging, sagte
mir der Paduaner sehr artig: Gratias tibi habemus pro
tua in nostrum popularem observantia. Eris nobis cum
multis aliis testimonio, quantopere noster Livius apud
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/132>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.