und einige Sarkasmen, die ich ganz trocken hinwarf. In Mestre wollte mich die Dame aus Artigkeit mit in ihr Hotel nehmen und meinte, ich könnte morgen mit der Gräfin zusammen die Ueberfahrt nach dem schönen Venedig machen: aber ich fand eine Gesell¬ schaft von Venetianern, die noch diesen Abend über¬ setzen wollte und schloss mich an. Wir ruderten den Kanal hinunter. Die Andern waren alle Einheimische und hatten weiter nichts nöthig als dieses zu sagen; aber ich Fremdling musste einige Zeit auf der Wache warten, bis der Offiziant meinen Pass gehörig regi¬ striert hatte. Er behielt ihn, und gab mir einen Pas¬ sierzettel, nach östreichischer Sitte, mit der Weisung, mich damit in Venedig auf der Polizey zu melden. Das foderte etwas Zeit, da der Herr etwas Myops und kein Tachygraph war; und meine Gesellschafter waren über den Aufenthalt etwas übellaunig. Doch das gab sich bald. Man fragte mich, als ich zurück kam, mit vieler Artigkeit und Theilnahme, wer ich sey? wohin ich wolle? und dergleichen; und wunderte sich höch¬ lich als man hörte, dass ich zu Fusse allein einen Spaziergang von Leipzig nach Syrakus machen wollte. Der Abend war schön, und ehe wir es uns versahen, kamen wir am Rialto an, wovon ich aber jetzt natür¬ lich weiter nichts als die magische Erscheinung sah. Ein junger Mann von Conegliano, mit dem ich wäh¬ rend der ganzen Ueberfahrt viel geplaudert hatte, be¬ gleitete mich durch eine grosse Menge enge Gässchen in den Gasthof The Queen of England; und da hier alles besetzt war zum goldnen Stern, nicht weit vom
und einige Sarkasmen, die ich ganz trocken hinwarf. In Mestre wollte mich die Dame aus Artigkeit mit in ihr Hotel nehmen und meinte, ich könnte morgen mit der Gräfin zusammen die Ueberfahrt nach dem schönen Venedig machen: aber ich fand eine Gesell¬ schaft von Venetianern, die noch diesen Abend über¬ setzen wollte und schloſs mich an. Wir ruderten den Kanal hinunter. Die Andern waren alle Einheimische und hatten weiter nichts nöthig als dieses zu sagen; aber ich Fremdling muſste einige Zeit auf der Wache warten, bis der Offiziant meinen Paſs gehörig regi¬ striert hatte. Er behielt ihn, und gab mir einen Pas¬ sierzettel, nach östreichischer Sitte, mit der Weisung, mich damit in Venedig auf der Polizey zu melden. Das foderte etwas Zeit, da der Herr etwas Myops und kein Tachygraph war; und meine Gesellschafter waren über den Aufenthalt etwas übellaunig. Doch das gab sich bald. Man fragte mich, als ich zurück kam, mit vieler Artigkeit und Theilnahme, wer ich sey? wohin ich wolle? und dergleichen; und wunderte sich höch¬ lich als man hörte, daſs ich zu Fuſse allein einen Spaziergang von Leipzig nach Syrakus machen wollte. Der Abend war schön, und ehe wir es uns versahen, kamen wir am Rialto an, wovon ich aber jetzt natür¬ lich weiter nichts als die magische Erscheinung sah. Ein junger Mann von Conegliano, mit dem ich wäh¬ rend der ganzen Ueberfahrt viel geplaudert hatte, be¬ gleitete mich durch eine groſse Menge enge Gäſschen in den Gasthof The Queen of England; und da hier alles besetzt war zum goldnen Stern, nicht weit vom
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[94/0120]
und einige Sarkasmen, die ich ganz trocken hinwarf.
In Mestre wollte mich die Dame aus Artigkeit mit in
ihr Hotel nehmen und meinte, ich könnte morgen
mit der Gräfin zusammen die Ueberfahrt nach dem
schönen Venedig machen: aber ich fand eine Gesell¬
schaft von Venetianern, die noch diesen Abend über¬
setzen wollte und schloſs mich an. Wir ruderten den
Kanal hinunter. Die Andern waren alle Einheimische
und hatten weiter nichts nöthig als dieses zu sagen;
aber ich Fremdling muſste einige Zeit auf der Wache
warten, bis der Offiziant meinen Paſs gehörig regi¬
striert hatte. Er behielt ihn, und gab mir einen Pas¬
sierzettel, nach östreichischer Sitte, mit der Weisung,
mich damit in Venedig auf der Polizey zu melden.
Das foderte etwas Zeit, da der Herr etwas Myops und
kein Tachygraph war; und meine Gesellschafter waren
über den Aufenthalt etwas übellaunig. Doch das gab
sich bald. Man fragte mich, als ich zurück kam, mit
vieler Artigkeit und Theilnahme, wer ich sey? wohin
ich wolle? und dergleichen; und wunderte sich höch¬
lich als man hörte, daſs ich zu Fuſse allein einen
Spaziergang von Leipzig nach Syrakus machen wollte.
Der Abend war schön, und ehe wir es uns versahen,
kamen wir am Rialto an, wovon ich aber jetzt natür¬
lich weiter nichts als die magische Erscheinung sah.
Ein junger Mann von Conegliano, mit dem ich wäh¬
rend der ganzen Ueberfahrt viel geplaudert hatte, be¬
gleitete mich durch eine groſse Menge enge Gäſschen
in den Gasthof The Queen of England; und da hier
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/120>, abgerufen am 26.11.2024.
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