Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Mitternacht Ruhe erwarten. Ich höre ich bin Ihnen
verdächtig; führen Sie mich vor die Behörde, wohin
Sie wollen: aber machen Sie die Sache mit Ernst und
Ruhe und als ordentliche brave Leute ab." Es ward
stiller; die Wirthin und Einige von ihnen baten mich
oben zu bleiben, welches ich natürlich sehr gern that;
und nach und nach schlichen sie alle fort. Spasshaft
ist es nicht ganz; denn dort geht man selten ohne
Flinte und Messer, und jeder ist zur Exekution fertig.

Den andern Morgen wandelte ich also allein zwi¬
schen den Oehlbergen nach Mola di Gaeta hinüber. Die
Amme ist durch dieses Etablissement ihres Namens
fast berühmter geworden, als ihr frommer Milchsohn.
Warum war ich nun nicht gestern noch bis hierher
gegangen? Hier fand ich ein grosses, schönes, ziem¬
lich billiges Gasthaus, wo ich bey frischen Eyern und
frischen Fischen, die nicht weit von mir aus dem
Meere gezogen wurden, und frischen herrlichen Früch¬
ten ein vortreffliches Frühstück hielt. Unter mir
stand ein Zitronengarten in der schönsten Gluth der
Früchte; und links und rechts übersah ich die Bucht
von der Spitze des Vorgebirges rund herum bis hinü¬
ber nach Ischia und Procida. Es ist das köstlichste
Dessert in der Entfernung von einigen hundert Meilen,
wenn wir uns durch die Erinnerung irgend eines klei¬
nen Vorfalles mit unsern Freunden wieder in nähere
Berührung setzen können. Hier auf der nehmlichen
Stelle hatte vor mehreren Jahren Friedrich Schulz
gesessen und Fische und Früchte gegessen, und mich
aufgefodert, seiner zu gedenken, wenn ich von Mola
auf das klassische Land umher schauen würde. Jetzt

Mitternacht Ruhe erwarten. Ich höre ich bin Ihnen
verdächtig; führen Sie mich vor die Behörde, wohin
Sie wollen: aber machen Sie die Sache mit Ernst und
Ruhe und als ordentliche brave Leute ab.“ Es ward
stiller; die Wirthin und Einige von ihnen baten mich
oben zu bleiben, welches ich natürlich sehr gern that;
und nach und nach schlichen sie alle fort. Spaſshaft
ist es nicht ganz; denn dort geht man selten ohne
Flinte und Messer, und jeder ist zur Exekution fertig.

Den andern Morgen wandelte ich also allein zwi¬
schen den Oehlbergen nach Mola di Gaeta hinüber. Die
Amme ist durch dieses Etablissement ihres Namens
fast berühmter geworden, als ihr frommer Milchsohn.
Warum war ich nun nicht gestern noch bis hierher
gegangen? Hier fand ich ein groſses, schönes, ziem¬
lich billiges Gasthaus, wo ich bey frischen Eyern und
frischen Fischen, die nicht weit von mir aus dem
Meere gezogen wurden, und frischen herrlichen Früch¬
ten ein vortreffliches Frühstück hielt. Unter mir
stand ein Zitronengarten in der schönsten Gluth der
Früchte; und links und rechts übersah ich die Bucht
von der Spitze des Vorgebirges rund herum bis hinü¬
ber nach Ischia und Procida. Es ist das köstlichste
Dessert in der Entfernung von einigen hundert Meilen,
wenn wir uns durch die Erinnerung irgend eines klei¬
nen Vorfalles mit unsern Freunden wieder in nähere
Berührung setzen können. Hier auf der nehmlichen
Stelle hatte vor mehreren Jahren Friedrich Schulz
gesessen und Fische und Früchte gegessen, und mich
aufgefodert, seiner zu gedenken, wenn ich von Mola
auf das klassische Land umher schauen würde. Jetzt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0202" n="176"/>
Mitternacht Ruhe erwarten. Ich höre ich bin Ihnen<lb/>
verdächtig; führen Sie mich vor die Behörde, wohin<lb/>
Sie wollen: aber machen Sie die Sache mit Ernst und<lb/>
Ruhe und als ordentliche brave Leute ab.&#x201C; Es ward<lb/>
stiller; die Wirthin und Einige von ihnen baten mich<lb/>
oben zu bleiben, welches ich natürlich sehr gern that;<lb/>
und nach und nach schlichen sie alle fort. Spa&#x017F;shaft<lb/>
ist es nicht ganz; denn dort geht man selten ohne<lb/>
Flinte und Messer, und jeder ist zur Exekution fertig.</p><lb/>
        <p>Den andern Morgen wandelte ich also allein zwi¬<lb/>
schen den Oehlbergen nach Mola di Gaeta hinüber. Die<lb/>
Amme ist durch dieses Etablissement ihres Namens<lb/>
fast berühmter geworden, als ihr frommer Milchsohn.<lb/>
Warum war ich nun nicht gestern noch bis hierher<lb/>
gegangen? Hier fand ich ein gro&#x017F;ses, schönes, ziem¬<lb/>
lich billiges Gasthaus, wo ich bey frischen Eyern und<lb/>
frischen Fischen, die nicht weit von mir aus dem<lb/>
Meere gezogen wurden, und frischen herrlichen Früch¬<lb/>
ten ein vortreffliches Frühstück hielt. Unter mir<lb/>
stand ein Zitronengarten in der schönsten Gluth der<lb/>
Früchte; und links und rechts übersah ich die Bucht<lb/>
von der Spitze des Vorgebirges rund herum bis hinü¬<lb/>
ber nach Ischia und Procida. Es ist das köstlichste<lb/>
Dessert in der Entfernung von einigen hundert Meilen,<lb/>
wenn wir uns durch die Erinnerung irgend eines klei¬<lb/>
nen Vorfalles mit unsern Freunden wieder in nähere<lb/>
Berührung setzen können. Hier auf der nehmlichen<lb/>
Stelle hatte vor mehreren Jahren <hi rendition="#g">Friedrich Schulz</hi><lb/>
gesessen und Fische und Früchte gegessen, und mich<lb/>
aufgefodert, seiner zu gedenken, wenn ich von Mola<lb/>
auf das klassische Land umher schauen würde. Jetzt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0202] Mitternacht Ruhe erwarten. Ich höre ich bin Ihnen verdächtig; führen Sie mich vor die Behörde, wohin Sie wollen: aber machen Sie die Sache mit Ernst und Ruhe und als ordentliche brave Leute ab.“ Es ward stiller; die Wirthin und Einige von ihnen baten mich oben zu bleiben, welches ich natürlich sehr gern that; und nach und nach schlichen sie alle fort. Spaſshaft ist es nicht ganz; denn dort geht man selten ohne Flinte und Messer, und jeder ist zur Exekution fertig. Den andern Morgen wandelte ich also allein zwi¬ schen den Oehlbergen nach Mola di Gaeta hinüber. Die Amme ist durch dieses Etablissement ihres Namens fast berühmter geworden, als ihr frommer Milchsohn. Warum war ich nun nicht gestern noch bis hierher gegangen? Hier fand ich ein groſses, schönes, ziem¬ lich billiges Gasthaus, wo ich bey frischen Eyern und frischen Fischen, die nicht weit von mir aus dem Meere gezogen wurden, und frischen herrlichen Früch¬ ten ein vortreffliches Frühstück hielt. Unter mir stand ein Zitronengarten in der schönsten Gluth der Früchte; und links und rechts übersah ich die Bucht von der Spitze des Vorgebirges rund herum bis hinü¬ ber nach Ischia und Procida. Es ist das köstlichste Dessert in der Entfernung von einigen hundert Meilen, wenn wir uns durch die Erinnerung irgend eines klei¬ nen Vorfalles mit unsern Freunden wieder in nähere Berührung setzen können. Hier auf der nehmlichen Stelle hatte vor mehreren Jahren Friedrich Schulz gesessen und Fische und Früchte gegessen, und mich aufgefodert, seiner zu gedenken, wenn ich von Mola auf das klassische Land umher schauen würde. Jetzt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/202
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/202>, abgerufen am 28.12.2024.