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Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.

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sich ziemlich willig dem Joche des Lehnsherren, welcher lediglich an die Stelle des früheren einheimischen Fürsten getreten war. Statt der früheren "baganis" oder "Datto's" hatten sie nun spanische Capitaine sowohl als Anführer im Kriege, wie auch als Herren5, denen sie Gehorsam und Tribut schuldig waren. Sonst aber wurde die sociale Ordnung nicht im Mindesten verändert. Lange Zeit hindurch wurden die im Kriege gemachten Gefangenen auch von diesen christlichen Lehensherren als Sclaven, als "sacopes" behandelt, deren Arbeit und Körper ihnen gänzlich angehörte. Aus dieser Classe der Sclaven bildete sich allmälig die tributzahlende niedrige Bevölkerung aus, während die Classe der Freien als sogenannte "cabeza's de barangay" von jeher gänzlich frei von der Pflicht des Tributzahlens war. Die Dattos aber oder die ursprünglichen Vornehmen erhielten die Ehrenämter des Dorfes, welche wie jene Freien gänzlich von allem Tribute und allen Zwangsarbeiten befreit wurden. Der Lehnsherr hatte die Macht, welche die Eingebornen als erstes Requisit für ihre Datto's verlangten, und die ihm unterworfenen Vornehmen befriedigten leicht ihren Ehrgeiz in der bevorzugten Stellung, welche sie im Dorfe einnahmen, da sie nie gewohnt gewesen waren, über die natürlichen Grenzen desselben hinaus zu greifen. Da die Sclaven oder Tributantes von jeher sich selbst als Eigenthum ihrer Herren zu betrachten pflegten, so liessen sie sich gerne den verhältnissmässig geringen Tribut von etwa 4 fl. jährlich gefallen, den sie in Silber oder in Landesprodukten bezahlen mussten. Manche harte Bedrückung selbst mochte ihnen von Seiten dieser neuen Herren erträglich scheinen. Bald aber gingen die Erpressungen der meisten Lehnsherren so weit, dass sich das Volk gegen sie auflehnte, und zu gleicher Zeit gewannen die zur Ausbreitung der christlichen Religion angekommenen Geistlichen verschiedener Orden einen solchen Einfluss auf Philipp's Regierung, dass ihnen im Streite gegen jene grosse Prärogativen gegeben wurden. Mit der Vermehrung der Dörfer ging die wiederholte Sendung eifriger Missionaire Hand in Hand, so dass die Oberen der Mönchsorden sich bald im Stande sahen, jedem grösseren Dorf einen eignen Seelenhirten zu geben. Indem diese nun im Streite des Tribut zahlenden Volkes sich immer gegen die Lehnsherrn und die aus diesen hervorgegangenen Gouverneure aussprachen, erlangten sie

sich ziemlich willig dem Joche des Lehnsherren, welcher lediglich an die Stelle des früheren einheimischen Fürsten getreten war. Statt der früheren “baganis” oder “Datto’s” hatten sie nun spanische Capitaine sowohl als Anführer im Kriege, wie auch als Herren5, denen sie Gehorsam und Tribut schuldig waren. Sonst aber wurde die sociale Ordnung nicht im Mindesten verändert. Lange Zeit hindurch wurden die im Kriege gemachten Gefangenen auch von diesen christlichen Lehensherren als Sclaven, als “sacopes” behandelt, deren Arbeit und Körper ihnen gänzlich angehörte. Aus dieser Classe der Sclaven bildete sich allmälig die tributzahlende niedrige Bevölkerung aus, während die Classe der Freien als sogenannte “cabeza’s de barangay” von jeher gänzlich frei von der Pflicht des Tributzahlens war. Die Dattos aber oder die ursprünglichen Vornehmen erhielten die Ehrenämter des Dorfes, welche wie jene Freien gänzlich von allem Tribute und allen Zwangsarbeiten befreit wurden. Der Lehnsherr hatte die Macht, welche die Eingebornen als erstes Requisit für ihre Datto’s verlangten, und die ihm unterworfenen Vornehmen befriedigten leicht ihren Ehrgeiz in der bevorzugten Stellung, welche sie im Dorfe einnahmen, da sie nie gewohnt gewesen waren, über die natürlichen Grenzen desselben hinaus zu greifen. Da die Sclaven oder Tributantes von jeher sich selbst als Eigenthum ihrer Herren zu betrachten pflegten, so liessen sie sich gerne den verhältnissmässig geringen Tribut von etwa 4 fl. jährlich gefallen, den sie in Silber oder in Landesprodukten bezahlen mussten. Manche harte Bedrückung selbst mochte ihnen von Seiten dieser neuen Herren erträglich scheinen. Bald aber gingen die Erpressungen der meisten Lehnsherren so weit, dass sich das Volk gegen sie auflehnte, und zu gleicher Zeit gewannen die zur Ausbreitung der christlichen Religion angekommenen Geistlichen verschiedener Orden einen solchen Einfluss auf Philipp’s Regierung, dass ihnen im Streite gegen jene grosse Prärogativen gegeben wurden. Mit der Vermehrung der Dörfer ging die wiederholte Sendung eifriger Missionaire Hand in Hand, so dass die Oberen der Mönchsorden sich bald im Stande sahen, jedem grösseren Dorf einen eignen Seelenhirten zu geben. Indem diese nun im Streite des Tribut zahlenden Volkes sich immer gegen die Lehnsherrn und die aus diesen hervorgegangenen Gouverneure aussprachen, erlangten sie

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[77/0077] sich ziemlich willig dem Joche des Lehnsherren, welcher lediglich an die Stelle des früheren einheimischen Fürsten getreten war. Statt der früheren “baganis” oder “Datto’s” hatten sie nun spanische Capitaine sowohl als Anführer im Kriege, wie auch als Herren ⁵ , denen sie Gehorsam und Tribut schuldig waren. Sonst aber wurde die sociale Ordnung nicht im Mindesten verändert. Lange Zeit hindurch wurden die im Kriege gemachten Gefangenen auch von diesen christlichen Lehensherren als Sclaven, als “sacopes” behandelt, deren Arbeit und Körper ihnen gänzlich angehörte. Aus dieser Classe der Sclaven bildete sich allmälig die tributzahlende niedrige Bevölkerung aus, während die Classe der Freien als sogenannte “cabeza’s de barangay” von jeher gänzlich frei von der Pflicht des Tributzahlens war. Die Dattos aber oder die ursprünglichen Vornehmen erhielten die Ehrenämter des Dorfes, welche wie jene Freien gänzlich von allem Tribute und allen Zwangsarbeiten befreit wurden. Der Lehnsherr hatte die Macht, welche die Eingebornen als erstes Requisit für ihre Datto’s verlangten, und die ihm unterworfenen Vornehmen befriedigten leicht ihren Ehrgeiz in der bevorzugten Stellung, welche sie im Dorfe einnahmen, da sie nie gewohnt gewesen waren, über die natürlichen Grenzen desselben hinaus zu greifen. Da die Sclaven oder Tributantes von jeher sich selbst als Eigenthum ihrer Herren zu betrachten pflegten, so liessen sie sich gerne den verhältnissmässig geringen Tribut von etwa 4 fl. jährlich gefallen, den sie in Silber oder in Landesprodukten bezahlen mussten. Manche harte Bedrückung selbst mochte ihnen von Seiten dieser neuen Herren erträglich scheinen. Bald aber gingen die Erpressungen der meisten Lehnsherren so weit, dass sich das Volk gegen sie auflehnte, und zu gleicher Zeit gewannen die zur Ausbreitung der christlichen Religion angekommenen Geistlichen verschiedener Orden einen solchen Einfluss auf Philipp’s Regierung, dass ihnen im Streite gegen jene grosse Prärogativen gegeben wurden. Mit der Vermehrung der Dörfer ging die wiederholte Sendung eifriger Missionaire Hand in Hand, so dass die Oberen der Mönchsorden sich bald im Stande sahen, jedem grösseren Dorf einen eignen Seelenhirten zu geben. Indem diese nun im Streite des Tribut zahlenden Volkes sich immer gegen die Lehnsherrn und die aus diesen hervorgegangenen Gouverneure aussprachen, erlangten sie

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Zitationshilfe: Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/77>, abgerufen am 24.11.2024.