wenig einen Vorwurf machen, als mir und allen denjenigen, welche die Gefährlichkeit der Untersuchung mit von Cadaver- theilen riechenden Händen nicht kennend, dadurch so zahl- reiche Todesfälle veranlassten.
Um meine Ansicht einer directen Prüfung zu unterzie- hen, hielt ich Versuche an Thieren nöthig, welche ich mit meinem Freunde Dr. Lautner, Assistenten bei Professor Rokitansky, mit Kaninchen anstellte.
Erster Versuch: Am 22. März d. J. wurde einem Weib- chen 1/4 Stunde nachdem es geworfen hatte, ein mit missfär- bigem Exsudate nach Endometritis befeuchteter Pinsel in die Scheide und Uterushöhle eingeführt.
Das Thier befand sich darauf bis zum 24. April schein- bar ganz wohl. Am 24. April wurde es todt gefunden.
Section: Die gefaltete Schleimhaut der Hörner des Ute- rus mit flüssigem, schmutzig-grauröthlichen Exsudate überzo- gen, in der linken Brusthöhle etwas Flüssigkeit, der untere Lungenlappen mit einer membranös geronnenen, blassgelbli- chen Exsudatsschichte überzogen, sein Parenchym, so wie je- nes der hintern untern Dritttheile des obern Lungenlappens grau hepatisirt, der übrige Antheil dieser Lunge so wie die rechte Lunge lufthältig zinnoberroth. Das Herz in eine blass- gelbliche, zart villöse Exsudatschichte eingehüllt, und von einigen Tropfen flüssigen Exsudates umspült.
Zweiter Versuch: Am 12. April wurde ein Weibchen etwa 12 Stunden nach dem Wurfe von fünf Jungen wie im ersten Versuche behandelt. Weil das Thier des ersten Ver- suches sich noch ganz wohl zu befinden schien, so glaubte man beim zweiten Versuche den Pinsel mehrere Tage nach einan- der einführen zu sollen. Am 14. April äusserte das Thier beim Einführen des Pinsels Schmerz, der Uterus zog sich heftig zusammen und presste gelblichweisses, dickflüssiges Exsudat aus. Am 17. April zeigte sich das Thier bedeutend krank, am 22. trat Diarrhöe ein, und am 23. April fand man das Thier
wenig einen Vorwurf machen, als mir und allen denjenigen, welche die Gefährlichkeit der Untersuchung mit von Cadaver- theilen riechenden Händen nicht kennend, dadurch so zahl- reiche Todesfälle veranlassten.
Um meine Ansicht einer directen Prüfung zu unterzie- hen, hielt ich Versuche an Thieren nöthig, welche ich mit meinem Freunde Dr. Lautner, Assistenten bei Professor Rokitansky, mit Kaninchen anstellte.
Erster Versuch: Am 22. März d. J. wurde einem Weib- chen ¼ Stunde nachdem es geworfen hatte, ein mit missfär- bigem Exsudate nach Endometritis befeuchteter Pinsel in die Scheide und Uterushöhle eingeführt.
Das Thier befand sich darauf bis zum 24. April schein- bar ganz wohl. Am 24. April wurde es todt gefunden.
Section: Die gefaltete Schleimhaut der Hörner des Ute- rus mit flüssigem, schmutzig-grauröthlichen Exsudate überzo- gen, in der linken Brusthöhle etwas Flüssigkeit, der untere Lungenlappen mit einer membranös geronnenen, blassgelbli- chen Exsudatsschichte überzogen, sein Parenchym, so wie je- nes der hintern untern Dritttheile des obern Lungenlappens grau hepatisirt, der übrige Antheil dieser Lunge so wie die rechte Lunge lufthältig zinnoberroth. Das Herz in eine blass- gelbliche, zart villöse Exsudatschichte eingehüllt, und von einigen Tropfen flüssigen Exsudates umspült.
Zweiter Versuch: Am 12. April wurde ein Weibchen etwa 12 Stunden nach dem Wurfe von fünf Jungen wie im ersten Versuche behandelt. Weil das Thier des ersten Ver- suches sich noch ganz wohl zu befinden schien, so glaubte man beim zweiten Versuche den Pinsel mehrere Tage nach einan- der einführen zu sollen. Am 14. April äusserte das Thier beim Einführen des Pinsels Schmerz, der Uterus zog sich heftig zusammen und presste gelblichweisses, dickflüssiges Exsudat aus. Am 17. April zeigte sich das Thier bedeutend krank, am 22. trat Diarrhöe ein, und am 23. April fand man das Thier
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welche die Gefährlichkeit der Untersuchung mit von Cadaver-
theilen riechenden Händen nicht kennend, dadurch so zahl-
reiche Todesfälle veranlassten.
Um meine Ansicht einer directen Prüfung zu unterzie-
hen, hielt ich Versuche an Thieren nöthig, welche ich mit
meinem Freunde Dr. Lautner, Assistenten bei Professor
Rokitansky, mit Kaninchen anstellte.
Erster Versuch: Am 22. März d. J. wurde einem Weib-
chen ¼ Stunde nachdem es geworfen hatte, ein mit missfär-
bigem Exsudate nach Endometritis befeuchteter Pinsel in die
Scheide und Uterushöhle eingeführt.
Das Thier befand sich darauf bis zum 24. April schein-
bar ganz wohl. Am 24. April wurde es todt gefunden.
Section: Die gefaltete Schleimhaut der Hörner des Ute-
rus mit flüssigem, schmutzig-grauröthlichen Exsudate überzo-
gen, in der linken Brusthöhle etwas Flüssigkeit, der untere
Lungenlappen mit einer membranös geronnenen, blassgelbli-
chen Exsudatsschichte überzogen, sein Parenchym, so wie je-
nes der hintern untern Dritttheile des obern Lungenlappens
grau hepatisirt, der übrige Antheil dieser Lunge so wie die
rechte Lunge lufthältig zinnoberroth. Das Herz in eine blass-
gelbliche, zart villöse Exsudatschichte eingehüllt, und von
einigen Tropfen flüssigen Exsudates umspült.
Zweiter Versuch: Am 12. April wurde ein Weibchen
etwa 12 Stunden nach dem Wurfe von fünf Jungen wie im
ersten Versuche behandelt. Weil das Thier des ersten Ver-
suches sich noch ganz wohl zu befinden schien, so glaubte man
beim zweiten Versuche den Pinsel mehrere Tage nach einan-
der einführen zu sollen. Am 14. April äusserte das Thier beim
Einführen des Pinsels Schmerz, der Uterus zog sich heftig
zusammen und presste gelblichweisses, dickflüssiges Exsudat
aus. Am 17. April zeigte sich das Thier bedeutend krank, am
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/88>, abgerufen am 22.11.2024.
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