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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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Wöchnerinnen zu beobachten war, darüber wolle der Leser
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Auch das Argument, welches wir zur Begründung unse-
rer Ansicht von den Jahreszeiten genommen, hat Carl Braun
nicht erschüttert.

f) Bei sogenannten Gassengeburten kommt das Puerpe-
ralfieber seltener vor.

Ad f) "Die in Wien sogenannten Gassengeburten er-
kranken nicht häufiger an Puerperalfieber als diejenigen,
welche Monate lang vor der Entbindung im Gebärhause zu-
bringen. Zur Aufklärung darüber dürfte es aber dienen, dass
zu dieser Kategorie Personen gezählt werden, die entweder
wirklich auf der Strasse von Wehen überrascht werden, und
meistens Frühgeburten erleiden, worauf ohnedies auch bei
den im Gebärhaus Verpflegten viel seltener Puerperalprocesse
zu folgen pflegen, oder solche, die unter besseren Vermögens-
umständen sich befinden, in den geheimen Cabineten bei Heb-
ammen ausserhalb des Gebärhauses gebären, hierauf sich
mittelst einer Calesche oder Tragbahre in die Gratisabthei-
lung überbringen lassen, um eine unentgeldliche Aufnahme
und lebenslängliche Verpflegung ihres Kindes im k. k. Fin-
delhause mit Geheimhaltung ihres Zustandes zu veranlassen,
und um der Verwendung zum Unterrichte sich dadurch gleich-
zeitig zu entziehen. Die Zahl der letzteren ist die höhere,
übersteigt monatlich an beiden Kliniken nicht selten die Zahl
von hundert."

Hierauf haben wir Folgendes zu erwiedern: Der Leser
erinnert sich, dass es uns nicht gestattet wurde, nachträglich
die Protocolle zu excerpiren, um durch Zahlen zu beweisen,
dass die Gassengeburten auffallend seltener erkrankten als
diejenigen, welche bei uns geboren. Carl Braun, welcher
nahezu fünf Jahre Assistent war, hatte Gelegenheit gehabt,
diese Zahlen zu erheben, er hat es nicht gethan und begnügt

guter und seltener ein schlechter Gesundheitszustand der
Wöchnerinnen zu beobachten war, darüber wolle der Leser
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Auch das Argument, welches wir zur Begründung unse-
rer Ansicht von den Jahreszeiten genommen, hat Carl Braun
nicht erschüttert.

f) Bei sogenannten Gassengeburten kommt das Puerpe-
ralfieber seltener vor.

Ad f) »Die in Wien sogenannten Gassengeburten er-
kranken nicht häufiger an Puerperalfieber als diejenigen,
welche Monate lang vor der Entbindung im Gebärhause zu-
bringen. Zur Aufklärung darüber dürfte es aber dienen, dass
zu dieser Kategorie Personen gezählt werden, die entweder
wirklich auf der Strasse von Wehen überrascht werden, und
meistens Frühgeburten erleiden, worauf ohnedies auch bei
den im Gebärhaus Verpflegten viel seltener Puerperalprocesse
zu folgen pflegen, oder solche, die unter besseren Vermögens-
umständen sich befinden, in den geheimen Cabineten bei Heb-
ammen ausserhalb des Gebärhauses gebären, hierauf sich
mittelst einer Calesche oder Tragbahre in die Gratisabthei-
lung überbringen lassen, um eine unentgeldliche Aufnahme
und lebenslängliche Verpflegung ihres Kindes im k. k. Fin-
delhause mit Geheimhaltung ihres Zustandes zu veranlassen,
und um der Verwendung zum Unterrichte sich dadurch gleich-
zeitig zu entziehen. Die Zahl der letzteren ist die höhere,
übersteigt monatlich an beiden Kliniken nicht selten die Zahl
von hundert.«

Hierauf haben wir Folgendes zu erwiedern: Der Leser
erinnert sich, dass es uns nicht gestattet wurde, nachträglich
die Protocolle zu excerpiren, um durch Zahlen zu beweisen,
dass die Gassengeburten auffallend seltener erkrankten als
diejenigen, welche bei uns geboren. Carl Braun, welcher
nahezu fünf Jahre Assistent war, hatte Gelegenheit gehabt,
diese Zahlen zu erheben, er hat es nicht gethan und begnügt

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[503/0515] guter und seltener ein schlechter Gesundheitszustand der Wöchnerinnen zu beobachten war, darüber wolle der Leser Seite 121 nachlesen. Auch das Argument, welches wir zur Begründung unse- rer Ansicht von den Jahreszeiten genommen, hat Carl Braun nicht erschüttert. f) Bei sogenannten Gassengeburten kommt das Puerpe- ralfieber seltener vor. Ad f) »Die in Wien sogenannten Gassengeburten er- kranken nicht häufiger an Puerperalfieber als diejenigen, welche Monate lang vor der Entbindung im Gebärhause zu- bringen. Zur Aufklärung darüber dürfte es aber dienen, dass zu dieser Kategorie Personen gezählt werden, die entweder wirklich auf der Strasse von Wehen überrascht werden, und meistens Frühgeburten erleiden, worauf ohnedies auch bei den im Gebärhaus Verpflegten viel seltener Puerperalprocesse zu folgen pflegen, oder solche, die unter besseren Vermögens- umständen sich befinden, in den geheimen Cabineten bei Heb- ammen ausserhalb des Gebärhauses gebären, hierauf sich mittelst einer Calesche oder Tragbahre in die Gratisabthei- lung überbringen lassen, um eine unentgeldliche Aufnahme und lebenslängliche Verpflegung ihres Kindes im k. k. Fin- delhause mit Geheimhaltung ihres Zustandes zu veranlassen, und um der Verwendung zum Unterrichte sich dadurch gleich- zeitig zu entziehen. Die Zahl der letzteren ist die höhere, übersteigt monatlich an beiden Kliniken nicht selten die Zahl von hundert.« Hierauf haben wir Folgendes zu erwiedern: Der Leser erinnert sich, dass es uns nicht gestattet wurde, nachträglich die Protocolle zu excerpiren, um durch Zahlen zu beweisen, dass die Gassengeburten auffallend seltener erkrankten als diejenigen, welche bei uns geboren. Carl Braun, welcher nahezu fünf Jahre Assistent war, hatte Gelegenheit gehabt, diese Zahlen zu erheben, er hat es nicht gethan und begnügt

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/515>, abgerufen am 22.11.2024.