sor Hayne sagt nur, das Kindbettfieber komme bei Thieren seltener vor als beim Menschen, und findet den Grund des sel- teneren Vorkommens darin, dass die Thiere nicht so oft unter- sucht werden als die Individuen in den Gebärhäusern, wo durch Uebertragung des Contagiums die Krankheit verviel- fältiget werde. Hayne constatirt also ein selteneres Vorkom- men dieser Krankheit bei Thieren, Hayne lässt angeblich bei Thieren diese Krankheit so entstehen, wie ich beim Menschen; und Carl Braun beruft sich auf denselben Professor Hayne, um zu beweisen, dass Puerperalprocesse auch beim Thiere epidemisch vorkommen. Difficile est satyram non scribere.
Auch das Argument, welches wir von den Experimenten an Thieren hergenommen haben, hat Carl Braun nicht er- schüttert.
d) Puerperalfieber-Epidemien kommen nur in Gebärhäu- sern und nicht ausserhalb derselben vor.
Ad d) erwiedert Carl Braun Folgendes: "Zu deutlich spricht sich die Geschichte des Puerperalfiebers auch über die Ausbreitung der Puerperalfieber-Epidemien über verschiedene Länder, Städte, Oerter des flachen Landes und hoher Gebirge aus, so wie die Erfahrung der Gegenwart jedes beschäftigte- ren Geburtshelfer diese gefürchtete Krankheit in den ver- schiedensten Kreisen der Gesellschaft erblicken lässt, als dass darüber ein Zweifel bestehen könnte."
Die statistischen Quellen sind aber über die lethalen Puer- peralprocesse bei Privaten schwerer zu erschliessen, weil die Todesfälle durch Puerperalprocesse aus verschiedenen Grün- den unter andern Namen, wie: Nervenfieber, Typhus, Lungen- lähmung u. s. w., in den durch Zeitungen veröffentlichten Sterbelisten von den Aerzten ausgewiesen werden, und weil in manchen Ländern, wie auch in Oesterreich durch eine hu- mane Gesetzgebung es verboten ist, die durch das Wochenbett und andere Frauenkrankheiten, wie Carcinom etc., erfolgten Sterbefälle mit den Namen ihrer Krankheiten öffentlich zu bezeichnen."
sor Hayne sagt nur, das Kindbettfieber komme bei Thieren seltener vor als beim Menschen, und findet den Grund des sel- teneren Vorkommens darin, dass die Thiere nicht so oft unter- sucht werden als die Individuen in den Gebärhäusern, wo durch Uebertragung des Contagiums die Krankheit verviel- fältiget werde. Hayne constatirt also ein selteneres Vorkom- men dieser Krankheit bei Thieren, Hayne lässt angeblich bei Thieren diese Krankheit so entstehen, wie ich beim Menschen; und Carl Braun beruft sich auf denselben Professor Hayne, um zu beweisen, dass Puerperalprocesse auch beim Thiere epidemisch vorkommen. Difficile est satyram non scribere.
Auch das Argument, welches wir von den Experimenten an Thieren hergenommen haben, hat Carl Braun nicht er- schüttert.
d) Puerperalfieber-Epidemien kommen nur in Gebärhäu- sern und nicht ausserhalb derselben vor.
Ad d) erwiedert Carl Braun Folgendes: »Zu deutlich spricht sich die Geschichte des Puerperalfiebers auch über die Ausbreitung der Puerperalfieber-Epidemien über verschiedene Länder, Städte, Oerter des flachen Landes und hoher Gebirge aus, so wie die Erfahrung der Gegenwart jedes beschäftigte- ren Geburtshelfer diese gefürchtete Krankheit in den ver- schiedensten Kreisen der Gesellschaft erblicken lässt, als dass darüber ein Zweifel bestehen könnte.«
Die statistischen Quellen sind aber über die lethalen Puer- peralprocesse bei Privaten schwerer zu erschliessen, weil die Todesfälle durch Puerperalprocesse aus verschiedenen Grün- den unter andern Namen, wie: Nervenfieber, Typhus, Lungen- lähmung u. s. w., in den durch Zeitungen veröffentlichten Sterbelisten von den Aerzten ausgewiesen werden, und weil in manchen Ländern, wie auch in Oesterreich durch eine hu- mane Gesetzgebung es verboten ist, die durch das Wochenbett und andere Frauenkrankheiten, wie Carcinom etc., erfolgten Sterbefälle mit den Namen ihrer Krankheiten öffentlich zu bezeichnen.«
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sor Hayne sagt nur, das Kindbettfieber komme bei Thieren
seltener vor als beim Menschen, und findet den Grund des sel-
teneren Vorkommens darin, dass die Thiere nicht so oft unter-
sucht werden als die Individuen in den Gebärhäusern, wo
durch Uebertragung des Contagiums die Krankheit verviel-
fältiget werde. Hayne constatirt also ein selteneres Vorkom-
men dieser Krankheit bei Thieren, Hayne lässt angeblich bei
Thieren diese Krankheit so entstehen, wie ich beim Menschen;
und Carl Braun beruft sich auf denselben Professor Hayne,
um zu beweisen, dass Puerperalprocesse auch beim Thiere
epidemisch vorkommen. Difficile est satyram non scribere.
Auch das Argument, welches wir von den Experimenten
an Thieren hergenommen haben, hat Carl Braun nicht er-
schüttert.
d) Puerperalfieber-Epidemien kommen nur in Gebärhäu-
sern und nicht ausserhalb derselben vor.
Ad d) erwiedert Carl Braun Folgendes: »Zu deutlich
spricht sich die Geschichte des Puerperalfiebers auch über die
Ausbreitung der Puerperalfieber-Epidemien über verschiedene
Länder, Städte, Oerter des flachen Landes und hoher Gebirge
aus, so wie die Erfahrung der Gegenwart jedes beschäftigte-
ren Geburtshelfer diese gefürchtete Krankheit in den ver-
schiedensten Kreisen der Gesellschaft erblicken lässt, als dass
darüber ein Zweifel bestehen könnte.«
Die statistischen Quellen sind aber über die lethalen Puer-
peralprocesse bei Privaten schwerer zu erschliessen, weil die
Todesfälle durch Puerperalprocesse aus verschiedenen Grün-
den unter andern Namen, wie: Nervenfieber, Typhus, Lungen-
lähmung u. s. w., in den durch Zeitungen veröffentlichten
Sterbelisten von den Aerzten ausgewiesen werden, und weil
in manchen Ländern, wie auch in Oesterreich durch eine hu-
mane Gesetzgebung es verboten ist, die durch das Wochenbett
und andere Frauenkrankheiten, wie Carcinom etc., erfolgten
Sterbefälle mit den Namen ihrer Krankheiten öffentlich zu
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/512>, abgerufen am 22.11.2024.
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