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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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die Einflüsse Rechenschaft abzulegen, welche auf den Gesund-
heitszustand eines Gebärhauses während mehrerer Decennien
eingewirkt haben mögen; so habe ich diesen Ausspruch Carl
Braun's dadurch gründlich widerlegt, dass ich in dieser Schrift
oft Gelegenheit hatte anzugeben, welches die Einflüsse waren,
von welchen der Gesundheitszustand des Wiener Gebärhauses
während der 74 Jahre seines Bestehens abhängig war.

C. Braun möge sich nur erinnern, wie viel er in der Ver-
gangenheit sich umgesehen, als er sein Lehrbuch der Ge-
burtshilfe zusammengetragen. Denn gewiss, ich bin der Ueber-
zeugung, wenn man aus diesem Lehrbuche alles das streichen
würde, was Vergangenheit ist, nichts übrig bleiben würde, als
der Einband, als Product der Gegenwart. Denn selbst die
durch C. Braun im erweiterten Umfange eingeführte, das ge-
burtshilfliche Studium und das geburtshilfliche Verständniss
so sehr erleichternde griechische Terminologie wurzelt in der
Vergangenheit.

Meine Sätze: Die Sterblichkeit der Wöchnerinnen ist in
der Wiener Schule, in welcher Aerzte, die sich mit patholo-
gisch-anatomischen Untersuchungen beschäftigen, unterrichtet
werden, in dem durch Tabelle Nr. I. repräsentirten Zeitraume
constant viel grösser als in der Hebammenschule gewesen.

Der Chlorkalk zerstört den zersetzten Stoff, und ist dess-
halb ein Schutzmittel gegen Puerperalprocesse, sind durch
die Angriffe C. Braun's nicht erschüttert worden.

c) Das Einbringen von Jauche oder Exsudaten aus weib-
lichen oder männlichen Cadavern, die von den verschiedenar-
tigsten Kranken herrührten, mittelst Injection oder Bepinseln
der Innenfläche des Uterus erzeugt bei Kaninchen nach dem
Wurfe oftmals den Tod durch Pyaemie; manchmal wirkt aber
ein wochenlanges Bepinseln der puerperalen Uterusfläche bei
Kaninchen nicht schädlich ein, die Thiere bleiben gesund, em-
pfangen bald nach dem Aufhören des Experimentes und wer-
fen wieder lebende Junge.

die Einflüsse Rechenschaft abzulegen, welche auf den Gesund-
heitszustand eines Gebärhauses während mehrerer Decennien
eingewirkt haben mögen; so habe ich diesen Ausspruch Carl
Braun’s dadurch gründlich widerlegt, dass ich in dieser Schrift
oft Gelegenheit hatte anzugeben, welches die Einflüsse waren,
von welchen der Gesundheitszustand des Wiener Gebärhauses
während der 74 Jahre seines Bestehens abhängig war.

C. Braun möge sich nur erinnern, wie viel er in der Ver-
gangenheit sich umgesehen, als er sein Lehrbuch der Ge-
burtshilfe zusammengetragen. Denn gewiss, ich bin der Ueber-
zeugung, wenn man aus diesem Lehrbuche alles das streichen
würde, was Vergangenheit ist, nichts übrig bleiben würde, als
der Einband, als Product der Gegenwart. Denn selbst die
durch C. Braun im erweiterten Umfange eingeführte, das ge-
burtshilfliche Studium und das geburtshilfliche Verständniss
so sehr erleichternde griechische Terminologie wurzelt in der
Vergangenheit.

Meine Sätze: Die Sterblichkeit der Wöchnerinnen ist in
der Wiener Schule, in welcher Aerzte, die sich mit patholo-
gisch-anatomischen Untersuchungen beschäftigen, unterrichtet
werden, in dem durch Tabelle Nr. I. repräsentirten Zeitraume
constant viel grösser als in der Hebammenschule gewesen.

Der Chlorkalk zerstört den zersetzten Stoff, und ist dess-
halb ein Schutzmittel gegen Puerperalprocesse, sind durch
die Angriffe C. Braun’s nicht erschüttert worden.

c) Das Einbringen von Jauche oder Exsudaten aus weib-
lichen oder männlichen Cadavern, die von den verschiedenar-
tigsten Kranken herrührten, mittelst Injection oder Bepinseln
der Innenfläche des Uterus erzeugt bei Kaninchen nach dem
Wurfe oftmals den Tod durch Pyaemie; manchmal wirkt aber
ein wochenlanges Bepinseln der puerperalen Uterusfläche bei
Kaninchen nicht schädlich ein, die Thiere bleiben gesund, em-
pfangen bald nach dem Aufhören des Experimentes und wer-
fen wieder lebende Junge.

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[498/0510] die Einflüsse Rechenschaft abzulegen, welche auf den Gesund- heitszustand eines Gebärhauses während mehrerer Decennien eingewirkt haben mögen; so habe ich diesen Ausspruch Carl Braun’s dadurch gründlich widerlegt, dass ich in dieser Schrift oft Gelegenheit hatte anzugeben, welches die Einflüsse waren, von welchen der Gesundheitszustand des Wiener Gebärhauses während der 74 Jahre seines Bestehens abhängig war. C. Braun möge sich nur erinnern, wie viel er in der Ver- gangenheit sich umgesehen, als er sein Lehrbuch der Ge- burtshilfe zusammengetragen. Denn gewiss, ich bin der Ueber- zeugung, wenn man aus diesem Lehrbuche alles das streichen würde, was Vergangenheit ist, nichts übrig bleiben würde, als der Einband, als Product der Gegenwart. Denn selbst die durch C. Braun im erweiterten Umfange eingeführte, das ge- burtshilfliche Studium und das geburtshilfliche Verständniss so sehr erleichternde griechische Terminologie wurzelt in der Vergangenheit. Meine Sätze: Die Sterblichkeit der Wöchnerinnen ist in der Wiener Schule, in welcher Aerzte, die sich mit patholo- gisch-anatomischen Untersuchungen beschäftigen, unterrichtet werden, in dem durch Tabelle Nr. I. repräsentirten Zeitraume constant viel grösser als in der Hebammenschule gewesen. Der Chlorkalk zerstört den zersetzten Stoff, und ist dess- halb ein Schutzmittel gegen Puerperalprocesse, sind durch die Angriffe C. Braun’s nicht erschüttert worden. c) Das Einbringen von Jauche oder Exsudaten aus weib- lichen oder männlichen Cadavern, die von den verschiedenar- tigsten Kranken herrührten, mittelst Injection oder Bepinseln der Innenfläche des Uterus erzeugt bei Kaninchen nach dem Wurfe oftmals den Tod durch Pyaemie; manchmal wirkt aber ein wochenlanges Bepinseln der puerperalen Uterusfläche bei Kaninchen nicht schädlich ein, die Thiere bleiben gesund, em- pfangen bald nach dem Aufhören des Experimentes und wer- fen wieder lebende Junge.

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/510>, abgerufen am 13.05.2024.