Studirenden auf das Gewissenhafteste anbefohlen werden, keine Gebärende oder Schwangere zu untersuchen, wenn an demselben Tage ein Cadaver von ihm berührt wurde.
Ungeachtet der grössten Vorsicht raffte das Puerperalfie- ber im Jänner und December 1851 3--5 %, im März aber so- gar 7,2 % dahin.
In den Jahren 1849 bis 1852 wurden, wie gewiss auch in der früheren Zeit, alle damals bekannten Mittel mit der gröss- ten Aufmerksamkeit angewandt, und dennoch machten wir an der Schule für Hebammen, an welcher eine Leicheninfection nicht leicht möglich ist, an welcher die Chlorwaschungen auf das strengste auch überwacht wurden, an welcher derselbe umsichtsvolle Vorstand und derselbe wohlerfahrene Assistent fungirten, und keine eruirbaren Veränderungen in dem Lo- cale vorkamen, die traurige Erfahrung, dass im Jänner und März 1852 von 10 bis 12 % Wöcherinnen an Puerperalfieber verloren gingen. Diese Thatsachen müssen die Hypothesen der cadaverösen Infection, die sich meistens auf die Vergangenheit stützte und daraus sehr kühne Schlüsse zog, vollends erschüt- tern und uns ermahnen, auch andere aetiologische Momente zu erwägen. Ueber die verschiedensten Einflüsse, welche auf den Krankheitszustand eines Gebärhauses in mehreren De- cennien eingewirkt haben können, kann der Geburtshelfer im Augenblicke eben so wenig Rechenschaft geben, als der Chi- rurg über alle Fälle von Pyaemie und Hospitalbrand, die sich während vieler Jahre unter seinen Operirten ereigneten, einen genügenden Aufschluss würde geben können, wenn ihm plötz- lich insinuirt würde, dass diese Leiden stets daher rührten, weil die Operationszöglinge mit Operationsübungen am Cadaver inner- oder ausserhalb des klinischen Hörsaales sich beschäf- tigten!
Hierauf haben wir Folgendes zu erwiedern. Wenn Carl Braun mir den Satz zur Begründung meiner Ansicht unter- schiebt: "Die Sterblichkeit der Wöchnerinnen ist in der Wie- ner Schule, in welcher Aerzte, die sich mit pathologisch-ana-
Studirenden auf das Gewissenhafteste anbefohlen werden, keine Gebärende oder Schwangere zu untersuchen, wenn an demselben Tage ein Cadaver von ihm berührt wurde.
Ungeachtet der grössten Vorsicht raffte das Puerperalfie- ber im Jänner und December 1851 3—5 %, im März aber so- gar 7,2 % dahin.
In den Jahren 1849 bis 1852 wurden, wie gewiss auch in der früheren Zeit, alle damals bekannten Mittel mit der gröss- ten Aufmerksamkeit angewandt, und dennoch machten wir an der Schule für Hebammen, an welcher eine Leicheninfection nicht leicht möglich ist, an welcher die Chlorwaschungen auf das strengste auch überwacht wurden, an welcher derselbe umsichtsvolle Vorstand und derselbe wohlerfahrene Assistent fungirten, und keine eruirbaren Veränderungen in dem Lo- cale vorkamen, die traurige Erfahrung, dass im Jänner und März 1852 von 10 bis 12 % Wöcherinnen an Puerperalfieber verloren gingen. Diese Thatsachen müssen die Hypothesen der cadaverösen Infection, die sich meistens auf die Vergangenheit stützte und daraus sehr kühne Schlüsse zog, vollends erschüt- tern und uns ermahnen, auch andere aetiologische Momente zu erwägen. Ueber die verschiedensten Einflüsse, welche auf den Krankheitszustand eines Gebärhauses in mehreren De- cennien eingewirkt haben können, kann der Geburtshelfer im Augenblicke eben so wenig Rechenschaft geben, als der Chi- rurg über alle Fälle von Pyaemie und Hospitalbrand, die sich während vieler Jahre unter seinen Operirten ereigneten, einen genügenden Aufschluss würde geben können, wenn ihm plötz- lich insinuirt würde, dass diese Leiden stets daher rührten, weil die Operationszöglinge mit Operationsübungen am Cadaver inner- oder ausserhalb des klinischen Hörsaales sich beschäf- tigten!
Hierauf haben wir Folgendes zu erwiedern. Wenn Carl Braun mir den Satz zur Begründung meiner Ansicht unter- schiebt: »Die Sterblichkeit der Wöchnerinnen ist in der Wie- ner Schule, in welcher Aerzte, die sich mit pathologisch-ana-
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Studirenden auf das Gewissenhafteste anbefohlen werden,
keine Gebärende oder Schwangere zu untersuchen, wenn an
demselben Tage ein Cadaver von ihm berührt wurde.
Ungeachtet der grössten Vorsicht raffte das Puerperalfie-
ber im Jänner und December 1851 3—5 %, im März aber so-
gar 7,2 % dahin.
In den Jahren 1849 bis 1852 wurden, wie gewiss auch in
der früheren Zeit, alle damals bekannten Mittel mit der gröss-
ten Aufmerksamkeit angewandt, und dennoch machten wir an
der Schule für Hebammen, an welcher eine Leicheninfection
nicht leicht möglich ist, an welcher die Chlorwaschungen auf
das strengste auch überwacht wurden, an welcher derselbe
umsichtsvolle Vorstand und derselbe wohlerfahrene Assistent
fungirten, und keine eruirbaren Veränderungen in dem Lo-
cale vorkamen, die traurige Erfahrung, dass im Jänner und
März 1852 von 10 bis 12 % Wöcherinnen an Puerperalfieber
verloren gingen. Diese Thatsachen müssen die Hypothesen der
cadaverösen Infection, die sich meistens auf die Vergangenheit
stützte und daraus sehr kühne Schlüsse zog, vollends erschüt-
tern und uns ermahnen, auch andere aetiologische Momente
zu erwägen. Ueber die verschiedensten Einflüsse, welche auf
den Krankheitszustand eines Gebärhauses in mehreren De-
cennien eingewirkt haben können, kann der Geburtshelfer im
Augenblicke eben so wenig Rechenschaft geben, als der Chi-
rurg über alle Fälle von Pyaemie und Hospitalbrand, die sich
während vieler Jahre unter seinen Operirten ereigneten, einen
genügenden Aufschluss würde geben können, wenn ihm plötz-
lich insinuirt würde, dass diese Leiden stets daher rührten, weil
die Operationszöglinge mit Operationsübungen am Cadaver
inner- oder ausserhalb des klinischen Hörsaales sich beschäf-
tigten!
Hierauf haben wir Folgendes zu erwiedern. Wenn Carl
Braun mir den Satz zur Begründung meiner Ansicht unter-
schiebt: »Die Sterblichkeit der Wöchnerinnen ist in der Wie-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/503>, abgerufen am 23.11.2024.
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