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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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fälle, mithin 1,5 %, vor, ungeachtet vom klinischen Vorstande
Professor Klein der Unterricht ununterbrochen ertheilt und
die Operationsübungen an Cadavern mit den Studirenden vom
Assistenten fleissig vorgenommen wurden.

Im Wintersemester 1849/50 trat wie gewöhnlich im
Herbste das Puerperalfieber mit Heftigkeit auf, so dass auf
1888 Geburtsfälle 77 Sterbefälle, somit 2,0 % kamen.

Diese Erscheinungen mussten den Glauben auf die Schutz-
kraft des Chlorkalkes wesentlich erschüttern.

Da nach Semmelweis' Vorschlag eine Chlorkalklösung in
ein offenes Gefäss (Lavoir) gebracht wurde, in welches alle an-
wesenden Studirenden ihre Hände einzutauchen und mit einer
Nagelbürste zu reinigen hatten, ein sehr schwacher Chlorge
ruch an diesem Desinfectionswasser, aber desto mehr Gyps im
Bodensatze desselben angetroffen wurden, so liess man eine mit
einem Pipette versehene und auch oben verschliessbare Kanne
aus Glas im Geburtszimmer anbringen, in welche vor der Vi-
site eine frische Chlorkalklösung eingebracht wurde, damit
jeder Studirende vor oder nach jeder Untersuchung mit rei-
nem, nach Chlor riechendem Wasser die Hände sich reinige.
Bei der gewissenhaftesten allseitigen Desinfection aller explo-
rirenden Hände steigerte sich die Epidemie vom Jänner bis
März von 3,9 bis 5,0 %.

Mit einbrechendem Sommersemester 1850 hörten die
Puerperalprocesse auf, so dass auf 1725 Geburtsfälle 10 Sterbe-
fälle, d. i. 0,5 %, kamen. Da die Zersetzung der Cadaver im
Sommer viel rascher vor sich geht als im Winter, und an den
Händen nach Operationsübungen der Leichengeruch länger
haftet, so wurde beobachtet, dass derselbe nach oftmaligem Tou-
chiren und Reinigen der Hände mit Chlorwasser, im Sommer
an den Händen (nach Ablegung des Rockes, der bekanntlich
viele Stunden deutliche Spuren des Leichengeruches nach-
weist) nicht zerstört wurde. Es durfte daher der Desinfections-
kraft des Chlorkalkes in der eingeführten Anwendungsweise
nicht mehr blindlings vertraut werden, und es musste jedem

fälle, mithin 1,5 %, vor, ungeachtet vom klinischen Vorstande
Professor Klein der Unterricht ununterbrochen ertheilt und
die Operationsübungen an Cadavern mit den Studirenden vom
Assistenten fleissig vorgenommen wurden.

Im Wintersemester 1849/50 trat wie gewöhnlich im
Herbste das Puerperalfieber mit Heftigkeit auf, so dass auf
1888 Geburtsfälle 77 Sterbefälle, somit 2,0 % kamen.

Diese Erscheinungen mussten den Glauben auf die Schutz-
kraft des Chlorkalkes wesentlich erschüttern.

Da nach Semmelweis’ Vorschlag eine Chlorkalklösung in
ein offenes Gefäss (Lavoir) gebracht wurde, in welches alle an-
wesenden Studirenden ihre Hände einzutauchen und mit einer
Nagelbürste zu reinigen hatten, ein sehr schwacher Chlorge
ruch an diesem Desinfectionswasser, aber desto mehr Gyps im
Bodensatze desselben angetroffen wurden, so liess man eine mit
einem Pipette versehene und auch oben verschliessbare Kanne
aus Glas im Geburtszimmer anbringen, in welche vor der Vi-
site eine frische Chlorkalklösung eingebracht wurde, damit
jeder Studirende vor oder nach jeder Untersuchung mit rei-
nem, nach Chlor riechendem Wasser die Hände sich reinige.
Bei der gewissenhaftesten allseitigen Desinfection aller explo-
rirenden Hände steigerte sich die Epidemie vom Jänner bis
März von 3,9 bis 5,0 %.

Mit einbrechendem Sommersemester 1850 hörten die
Puerperalprocesse auf, so dass auf 1725 Geburtsfälle 10 Sterbe-
fälle, d. i. 0,5 %, kamen. Da die Zersetzung der Cadaver im
Sommer viel rascher vor sich geht als im Winter, und an den
Händen nach Operationsübungen der Leichengeruch länger
haftet, so wurde beobachtet, dass derselbe nach oftmaligem Tou-
chiren und Reinigen der Hände mit Chlorwasser, im Sommer
an den Händen (nach Ablegung des Rockes, der bekanntlich
viele Stunden deutliche Spuren des Leichengeruches nach-
weist) nicht zerstört wurde. Es durfte daher der Desinfections-
kraft des Chlorkalkes in der eingeführten Anwendungsweise
nicht mehr blindlings vertraut werden, und es musste jedem

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[490/0502] fälle, mithin 1,5 %, vor, ungeachtet vom klinischen Vorstande Professor Klein der Unterricht ununterbrochen ertheilt und die Operationsübungen an Cadavern mit den Studirenden vom Assistenten fleissig vorgenommen wurden. Im Wintersemester 1849/50 trat wie gewöhnlich im Herbste das Puerperalfieber mit Heftigkeit auf, so dass auf 1888 Geburtsfälle 77 Sterbefälle, somit 2,0 % kamen. Diese Erscheinungen mussten den Glauben auf die Schutz- kraft des Chlorkalkes wesentlich erschüttern. Da nach Semmelweis’ Vorschlag eine Chlorkalklösung in ein offenes Gefäss (Lavoir) gebracht wurde, in welches alle an- wesenden Studirenden ihre Hände einzutauchen und mit einer Nagelbürste zu reinigen hatten, ein sehr schwacher Chlorge ruch an diesem Desinfectionswasser, aber desto mehr Gyps im Bodensatze desselben angetroffen wurden, so liess man eine mit einem Pipette versehene und auch oben verschliessbare Kanne aus Glas im Geburtszimmer anbringen, in welche vor der Vi- site eine frische Chlorkalklösung eingebracht wurde, damit jeder Studirende vor oder nach jeder Untersuchung mit rei- nem, nach Chlor riechendem Wasser die Hände sich reinige. Bei der gewissenhaftesten allseitigen Desinfection aller explo- rirenden Hände steigerte sich die Epidemie vom Jänner bis März von 3,9 bis 5,0 %. Mit einbrechendem Sommersemester 1850 hörten die Puerperalprocesse auf, so dass auf 1725 Geburtsfälle 10 Sterbe- fälle, d. i. 0,5 %, kamen. Da die Zersetzung der Cadaver im Sommer viel rascher vor sich geht als im Winter, und an den Händen nach Operationsübungen der Leichengeruch länger haftet, so wurde beobachtet, dass derselbe nach oftmaligem Tou- chiren und Reinigen der Hände mit Chlorwasser, im Sommer an den Händen (nach Ablegung des Rockes, der bekanntlich viele Stunden deutliche Spuren des Leichengeruches nach- weist) nicht zerstört wurde. Es durfte daher der Desinfections- kraft des Chlorkalkes in der eingeführten Anwendungsweise nicht mehr blindlings vertraut werden, und es musste jedem

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/502>, abgerufen am 23.11.2024.