Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Academie publicirte Entdeckung von Semmelweis keinen Bei-
fall," ohne die Quelle zu nennen.

Carl Braun sagt: "Die Academie der Medicin in Paris*)
sprach unter Orfila's Vorsitz im Jahre 1851 sich mit grösster
Entschiedenheit gegen die Theorie der cadaverösen Infection
aus. und machte darauf aufmerksam, dass in der Maternite
und in der Klinik der Facultät bei den Wöchnerinnen in Paris
genau dieselben Verhältnisse sich finden wie in den beiden
Geburtskliniken in Wien, dass in beiden sehr heftige Puer-
peralfieber-Epidemien vorkommen, und dass dem Chlorkalk
alle Eigenschaften abzusprechen seien, die cadaverösen Mole-
cüle zu zerstören."

Ob sich dieses Urtheil der Academie auf Arneth's Vor-
trag bezieht, oder ob auch ohne Arneth's Anregung meine An-
sicht beurtheilt wurde, weiss ich nicht, da es mir selbst im
Wege des Buchhandels nicht gelang, mir die betreffende Quelle
zu verschaffen; nur das weiss ich gewiss, dass Arneth mir nicht
Orfila als Präsidenten der Prüfungscommission nannte.

Der Leser erinnert sich, dass wir Seite 128 etc. bewiesen,
dass das Unterrichtssystem für die Hebammen der Maternite
zu Paris so beschaffen sei, dass sich dort die Hebammen die
Hände so häufig mit zersetzten Stoffen verunreinigen, wie an-
derswo nur die Aerzte, und dass dem entsprechend die Sterb-
lichkeit der Maternite eben so gross sei, wie in Dubois' Klinik,
wo Aerzte gebildet werden. In Wien haben die Hebammen-
schülerinnen nicht nur mit Leichen nichts zu thun, sie kom-
men nicht einmal mit den kranken Wöchnerinnen in Berüh-
rung, denn der Visitte im Krankenzimmer der Hebammenab-
theilung zu Wien dürfen die Schülerinnen nicht beiwohnen,
der Visite des Professors bei den Kranken wohnt nur der As-
sistent und die Institutsmadame bei, und diesem Umstande ist
der bessere Gesundheitszustand der Wöchnerinnen der Hebam-
menabtheilung im Vergleich zu den schlechtern Gesundheits-

*) Gazette des Hopitaux, Nr. 3, 9 Janvier 1851 (Seances des Acade-
mies).

Academie publicirte Entdeckung von Semmelweis keinen Bei-
fall,« ohne die Quelle zu nennen.

Carl Braun sagt: »Die Academie der Medicin in Paris*)
sprach unter Orfila’s Vorsitz im Jahre 1851 sich mit grösster
Entschiedenheit gegen die Theorie der cadaverösen Infection
aus. und machte darauf aufmerksam, dass in der Maternité
und in der Klinik der Facultät bei den Wöchnerinnen in Paris
genau dieselben Verhältnisse sich finden wie in den beiden
Geburtskliniken in Wien, dass in beiden sehr heftige Puer-
peralfieber-Epidemien vorkommen, und dass dem Chlorkalk
alle Eigenschaften abzusprechen seien, die cadaverösen Mole-
cüle zu zerstören.«

Ob sich dieses Urtheil der Academie auf Arneth’s Vor-
trag bezieht, oder ob auch ohne Arneth’s Anregung meine An-
sicht beurtheilt wurde, weiss ich nicht, da es mir selbst im
Wege des Buchhandels nicht gelang, mir die betreffende Quelle
zu verschaffen; nur das weiss ich gewiss, dass Arneth mir nicht
Orfila als Präsidenten der Prüfungscommission nannte.

Der Leser erinnert sich, dass wir Seite 128 etc. bewiesen,
dass das Unterrichtssystem für die Hebammen der Maternité
zu Paris so beschaffen sei, dass sich dort die Hebammen die
Hände so häufig mit zersetzten Stoffen verunreinigen, wie an-
derswo nur die Aerzte, und dass dem entsprechend die Sterb-
lichkeit der Maternité eben so gross sei, wie in Dubois’ Klinik,
wo Aerzte gebildet werden. In Wien haben die Hebammen-
schülerinnen nicht nur mit Leichen nichts zu thun, sie kom-
men nicht einmal mit den kranken Wöchnerinnen in Berüh-
rung, denn der Visitte im Krankenzimmer der Hebammenab-
theilung zu Wien dürfen die Schülerinnen nicht beiwohnen,
der Visite des Professors bei den Kranken wohnt nur der As-
sistent und die Institutsmadame bei, und diesem Umstande ist
der bessere Gesundheitszustand der Wöchnerinnen der Hebam-
menabtheilung im Vergleich zu den schlechtern Gesundheits-

*) Gazette des Hôpitaux, Nr. 3, 9 Janvier 1851 (Séances des Acadé-
mies).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0468" n="456"/>
Academie publicirte Entdeckung von Semmelweis keinen Bei-<lb/>
fall,« ohne die Quelle zu nennen.</p><lb/>
        <p>Carl Braun sagt: »Die Academie der Medicin in Paris<note place="foot" n="*)">Gazette des Hôpitaux, Nr. 3, 9 Janvier 1851 (Séances des Acadé-<lb/>
mies).</note><lb/>
sprach unter Orfila&#x2019;s Vorsitz im Jahre 1851 sich mit grösster<lb/>
Entschiedenheit gegen die Theorie der cadaverösen Infection<lb/>
aus. und machte darauf aufmerksam, dass in der Maternité<lb/>
und in der Klinik der Facultät bei den Wöchnerinnen in Paris<lb/>
genau dieselben Verhältnisse sich finden wie in den beiden<lb/>
Geburtskliniken in Wien, dass in beiden sehr heftige Puer-<lb/>
peralfieber-Epidemien vorkommen, und dass dem Chlorkalk<lb/>
alle Eigenschaften abzusprechen seien, die cadaverösen Mole-<lb/>
cüle zu zerstören.«</p><lb/>
        <p>Ob sich dieses Urtheil der Academie auf Arneth&#x2019;s Vor-<lb/>
trag bezieht, oder ob auch ohne Arneth&#x2019;s Anregung meine An-<lb/>
sicht beurtheilt wurde, weiss ich nicht, da es mir selbst im<lb/>
Wege des Buchhandels nicht gelang, mir die betreffende Quelle<lb/>
zu verschaffen; nur das weiss ich gewiss, dass Arneth mir nicht<lb/>
Orfila als Präsidenten der Prüfungscommission nannte.</p><lb/>
        <p>Der Leser erinnert sich, dass wir Seite 128 etc. bewiesen,<lb/>
dass das Unterrichtssystem für die Hebammen der Maternité<lb/>
zu Paris so beschaffen sei, dass sich dort die Hebammen die<lb/>
Hände so häufig mit zersetzten Stoffen verunreinigen, wie an-<lb/>
derswo nur die Aerzte, und dass dem entsprechend die Sterb-<lb/>
lichkeit der Maternité eben so gross sei, wie in Dubois&#x2019; Klinik,<lb/>
wo Aerzte gebildet werden. In Wien haben die Hebammen-<lb/>
schülerinnen nicht nur mit Leichen nichts zu thun, sie kom-<lb/>
men nicht einmal mit den kranken Wöchnerinnen in Berüh-<lb/>
rung, denn der Visitte im Krankenzimmer der Hebammenab-<lb/>
theilung zu Wien dürfen die Schülerinnen nicht beiwohnen,<lb/>
der Visite des Professors bei den Kranken wohnt nur der As-<lb/>
sistent und die Institutsmadame bei, und diesem Umstande ist<lb/>
der bessere Gesundheitszustand der Wöchnerinnen der Hebam-<lb/>
menabtheilung im Vergleich zu den schlechtern Gesundheits-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[456/0468] Academie publicirte Entdeckung von Semmelweis keinen Bei- fall,« ohne die Quelle zu nennen. Carl Braun sagt: »Die Academie der Medicin in Paris *) sprach unter Orfila’s Vorsitz im Jahre 1851 sich mit grösster Entschiedenheit gegen die Theorie der cadaverösen Infection aus. und machte darauf aufmerksam, dass in der Maternité und in der Klinik der Facultät bei den Wöchnerinnen in Paris genau dieselben Verhältnisse sich finden wie in den beiden Geburtskliniken in Wien, dass in beiden sehr heftige Puer- peralfieber-Epidemien vorkommen, und dass dem Chlorkalk alle Eigenschaften abzusprechen seien, die cadaverösen Mole- cüle zu zerstören.« Ob sich dieses Urtheil der Academie auf Arneth’s Vor- trag bezieht, oder ob auch ohne Arneth’s Anregung meine An- sicht beurtheilt wurde, weiss ich nicht, da es mir selbst im Wege des Buchhandels nicht gelang, mir die betreffende Quelle zu verschaffen; nur das weiss ich gewiss, dass Arneth mir nicht Orfila als Präsidenten der Prüfungscommission nannte. Der Leser erinnert sich, dass wir Seite 128 etc. bewiesen, dass das Unterrichtssystem für die Hebammen der Maternité zu Paris so beschaffen sei, dass sich dort die Hebammen die Hände so häufig mit zersetzten Stoffen verunreinigen, wie an- derswo nur die Aerzte, und dass dem entsprechend die Sterb- lichkeit der Maternité eben so gross sei, wie in Dubois’ Klinik, wo Aerzte gebildet werden. In Wien haben die Hebammen- schülerinnen nicht nur mit Leichen nichts zu thun, sie kom- men nicht einmal mit den kranken Wöchnerinnen in Berüh- rung, denn der Visitte im Krankenzimmer der Hebammenab- theilung zu Wien dürfen die Schülerinnen nicht beiwohnen, der Visite des Professors bei den Kranken wohnt nur der As- sistent und die Institutsmadame bei, und diesem Umstande ist der bessere Gesundheitszustand der Wöchnerinnen der Hebam- menabtheilung im Vergleich zu den schlechtern Gesundheits- *) Gazette des Hôpitaux, Nr. 3, 9 Janvier 1851 (Séances des Acadé- mies).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/468
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/468>, abgerufen am 12.05.2024.