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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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rissen, während der Heilung der Wunde, welche die Placenta-
stelle des Uterus darstellt, kann das Wundsecret eine jauchige
Beschaffenheit annehmen, und dadurch das Puerperalfieber
hervorrufen; nach Fergusson sind demnach alle Fälle von
Puerperalfieber Selbstinfectionsfälle, nach mir entsteht das
Puerperalfieber in der überwiegend grössten Mehrzahl der
Fälle durch Infection von Aussen. Im Jahre 1846 sind an
der Klinik für Aerzte zu Wien 518 Wöchnerinnen gestorben,
im Jahre 1848 starben 45; sind im Jahre 1848 die zersetzten
Stoffe zerstört worden, welche von aussen eingebracht wur-
den? oder die zersetzten Stoffe, welche sich an der Placenta-
stelle bildeten?

Wenn daher Dr. Zipfel Fergusson's und meine Lehre für
identisch hält, so weiss er ebensowenig was Fergusson, noch
was ich lehre.

Prof. Hayne *) spricht seine Verwunderung aus, dass so-
gar über die Priorität ein Streit entstehen kann, indem die
nun für die Genesis des Wochenbettfiebers beim Menschen als
neu aufgestellte Erklärungsweise von ihm bereits im J. 1830
in seinen thierärztlichen Schriften für das dem Wesen nach
gleiche Fieber der Rinder veröffentlicht worden sei.

Prof. Hayne sagt Seite 618 Folgendes: "Da allenthalben
Local-Affectionen nur in Folge mechanisch-chemisch und dy-
namisch verletzend wirkender Einflüsse stattfinden, so wird
dieses auch bei dem Wurffieber der Fall sein, daher kann denn
auch ein schweres lang dauerndes, bei sehr angestrengter
Natur, insbesondere aber roher, voreiliger und umfassender
Kunsthilfe vorsichgehendes Werfen, die dabei vorkommenden
zufälligen oder absichtlichen Verletzungen, die übermässigen
Anhäufungen des Futters in den Mägen und Gedärmen, des
Harns in der Blase, der Genuss reizender verdorbener Nah-

*) Handbuch über die besondere Krankheitserkenntniss und Heilungs-
lehre der sporadischen und seuchenartigen Krankheiten der nutz-
baren Hausthiere von Anton Hayne. Wien, 1844.

rissen, während der Heilung der Wunde, welche die Placenta-
stelle des Uterus darstellt, kann das Wundsecret eine jauchige
Beschaffenheit annehmen, und dadurch das Puerperalfieber
hervorrufen; nach Fergusson sind demnach alle Fälle von
Puerperalfieber Selbstinfectionsfälle, nach mir entsteht das
Puerperalfieber in der überwiegend grössten Mehrzahl der
Fälle durch Infection von Aussen. Im Jahre 1846 sind an
der Klinik für Aerzte zu Wien 518 Wöchnerinnen gestorben,
im Jahre 1848 starben 45; sind im Jahre 1848 die zersetzten
Stoffe zerstört worden, welche von aussen eingebracht wur-
den? oder die zersetzten Stoffe, welche sich an der Placenta-
stelle bildeten?

Wenn daher Dr. Zipfel Fergusson’s und meine Lehre für
identisch hält, so weiss er ebensowenig was Fergusson, noch
was ich lehre.

Prof. Hayne *) spricht seine Verwunderung aus, dass so-
gar über die Priorität ein Streit entstehen kann, indem die
nun für die Genesis des Wochenbettfiebers beim Menschen als
neu aufgestellte Erklärungsweise von ihm bereits im J. 1830
in seinen thierärztlichen Schriften für das dem Wesen nach
gleiche Fieber der Rinder veröffentlicht worden sei.

Prof. Hayne sagt Seite 618 Folgendes: »Da allenthalben
Local-Affectionen nur in Folge mechanisch-chemisch und dy-
namisch verletzend wirkender Einflüsse stattfinden, so wird
dieses auch bei dem Wurffieber der Fall sein, daher kann denn
auch ein schweres lang dauerndes, bei sehr angestrengter
Natur, insbesondere aber roher, voreiliger und umfassender
Kunsthilfe vorsichgehendes Werfen, die dabei vorkommenden
zufälligen oder absichtlichen Verletzungen, die übermässigen
Anhäufungen des Futters in den Mägen und Gedärmen, des
Harns in der Blase, der Genuss reizender verdorbener Nah-

*) Handbuch über die besondere Krankheitserkenntniss und Heilungs-
lehre der sporadischen und seuchenartigen Krankheiten der nutz-
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[441/0453] rissen, während der Heilung der Wunde, welche die Placenta- stelle des Uterus darstellt, kann das Wundsecret eine jauchige Beschaffenheit annehmen, und dadurch das Puerperalfieber hervorrufen; nach Fergusson sind demnach alle Fälle von Puerperalfieber Selbstinfectionsfälle, nach mir entsteht das Puerperalfieber in der überwiegend grössten Mehrzahl der Fälle durch Infection von Aussen. Im Jahre 1846 sind an der Klinik für Aerzte zu Wien 518 Wöchnerinnen gestorben, im Jahre 1848 starben 45; sind im Jahre 1848 die zersetzten Stoffe zerstört worden, welche von aussen eingebracht wur- den? oder die zersetzten Stoffe, welche sich an der Placenta- stelle bildeten? Wenn daher Dr. Zipfel Fergusson’s und meine Lehre für identisch hält, so weiss er ebensowenig was Fergusson, noch was ich lehre. Prof. Hayne *) spricht seine Verwunderung aus, dass so- gar über die Priorität ein Streit entstehen kann, indem die nun für die Genesis des Wochenbettfiebers beim Menschen als neu aufgestellte Erklärungsweise von ihm bereits im J. 1830 in seinen thierärztlichen Schriften für das dem Wesen nach gleiche Fieber der Rinder veröffentlicht worden sei. Prof. Hayne sagt Seite 618 Folgendes: »Da allenthalben Local-Affectionen nur in Folge mechanisch-chemisch und dy- namisch verletzend wirkender Einflüsse stattfinden, so wird dieses auch bei dem Wurffieber der Fall sein, daher kann denn auch ein schweres lang dauerndes, bei sehr angestrengter Natur, insbesondere aber roher, voreiliger und umfassender Kunsthilfe vorsichgehendes Werfen, die dabei vorkommenden zufälligen oder absichtlichen Verletzungen, die übermässigen Anhäufungen des Futters in den Mägen und Gedärmen, des Harns in der Blase, der Genuss reizender verdorbener Nah- *) Handbuch über die besondere Krankheitserkenntniss und Heilungs- lehre der sporadischen und seuchenartigen Krankheiten der nutz- baren Hausthiere von Anton Hayne. Wien, 1844.

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/453>, abgerufen am 12.05.2024.