fieber als eine Krankheit miasmatischen Ursprungs definirt wird; und dass er sich seiner eigenen Lehre nicht klar bewusst war, geht daraus hervor, dass er vergessen hat zu lehren, wie die Entwicklung des Miasmas zu verhindern sei, und wie das schon entwickelte Miasma zu zerstören sei. Kiwisch war sich nicht bewusst, dass eine miasmatische Krankheit eine verhüt- bare Krankheit sei.
Was Kiwisch zu Gunsten der früher giltigen Aetiologie, und zu Ungunsten meiner Aetiologie gesagt hat, das zu wider- legen ist überflüssig, weil wir nur Wiederholungen geben könnten dessen, was wir schon gesagt, und wer diese Schrift aufmerksam gelesen, wird sich selbst zurechtfinden. Nur zwei Punkte sind es, die wir nochmals beleuchten wollen, weil Dr. Silberschmidt sich darauf beruft. Dr. Silberschmidt sagt: "Ebensowenig liessen sich, wie Kiwisch bemerkt, die über ganze Länderstrecken ausgebreiteten Epidemien durch das Einbringen von Leichengift erklären. Der genannte Autor beobachtete selbst viele Puerperalfieberkranke auf dem Lande und in der Stadt, wo die Geburt ganz normal, und nie eine derartige Einwirkung vorangegangen war."
Kiwisch war zweimal blos deshalb in Wien, um sich mit mir in dieser Angelegenheit zu besprechen, und dennoch spricht er immer nur von der Leiche, über ganze Länderstrecken gibt es verbreitet Kranke, deren Krankheiten einen zersetzten Stoff erzeugen, und über ganze Länderstrecken verbreitet gibt es Aerzte und Hebammen, welche sich mit solchen Kranken, und mit Schwangern, Kreissenden und Wöchnerinnen beschäf- tigen, und die über ganze Länderstrecken verbreiteten Aerzte und Hebammen haben in der Schule nicht gelernt, wie das Puerperalfieber entsteht, und wie es verhütet werden kann, und deshalb kommt das Puerperalfieber über ganze Länder- strecken verbreitet vor.
Dr. Silberschmidt beruft sich auf die Behauptung Kiwisch's, welcher sagt: "dass er keine Rücksicht nehme, ob die Studi- renden von der naheliegenden Todtenkammer kommen oder
Semmelweis, Kindbettfieber. 28
fieber als eine Krankheit miasmatischen Ursprungs definirt wird; und dass er sich seiner eigenen Lehre nicht klar bewusst war, geht daraus hervor, dass er vergessen hat zu lehren, wie die Entwicklung des Miasmas zu verhindern sei, und wie das schon entwickelte Miasma zu zerstören sei. Kiwisch war sich nicht bewusst, dass eine miasmatische Krankheit eine verhüt- bare Krankheit sei.
Was Kiwisch zu Gunsten der früher giltigen Aetiologie, und zu Ungunsten meiner Aetiologie gesagt hat, das zu wider- legen ist überflüssig, weil wir nur Wiederholungen geben könnten dessen, was wir schon gesagt, und wer diese Schrift aufmerksam gelesen, wird sich selbst zurechtfinden. Nur zwei Punkte sind es, die wir nochmals beleuchten wollen, weil Dr. Silberschmidt sich darauf beruft. Dr. Silberschmidt sagt: „Ebensowenig liessen sich, wie Kiwisch bemerkt, die über ganze Länderstrecken ausgebreiteten Epidemien durch das Einbringen von Leichengift erklären. Der genannte Autor beobachtete selbst viele Puerperalfieberkranke auf dem Lande und in der Stadt, wo die Geburt ganz normal, und nie eine derartige Einwirkung vorangegangen war.“
Kiwisch war zweimal blos deshalb in Wien, um sich mit mir in dieser Angelegenheit zu besprechen, und dennoch spricht er immer nur von der Leiche, über ganze Länderstrecken gibt es verbreitet Kranke, deren Krankheiten einen zersetzten Stoff erzeugen, und über ganze Länderstrecken verbreitet gibt es Aerzte und Hebammen, welche sich mit solchen Kranken, und mit Schwangern, Kreissenden und Wöchnerinnen beschäf- tigen, und die über ganze Länderstrecken verbreiteten Aerzte und Hebammen haben in der Schule nicht gelernt, wie das Puerperalfieber entsteht, und wie es verhütet werden kann, und deshalb kommt das Puerperalfieber über ganze Länder- strecken verbreitet vor.
Dr. Silberschmidt beruft sich auf die Behauptung Kiwisch’s, welcher sagt: »dass er keine Rücksicht nehme, ob die Studi- renden von der naheliegenden Todtenkammer kommen oder
Semmelweis, Kindbettfieber. 28
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fieber als eine Krankheit miasmatischen Ursprungs definirt
wird; und dass er sich seiner eigenen Lehre nicht klar bewusst
war, geht daraus hervor, dass er vergessen hat zu lehren, wie
die Entwicklung des Miasmas zu verhindern sei, und wie das
schon entwickelte Miasma zu zerstören sei. Kiwisch war sich
nicht bewusst, dass eine miasmatische Krankheit eine verhüt-
bare Krankheit sei.
Was Kiwisch zu Gunsten der früher giltigen Aetiologie,
und zu Ungunsten meiner Aetiologie gesagt hat, das zu wider-
legen ist überflüssig, weil wir nur Wiederholungen geben
könnten dessen, was wir schon gesagt, und wer diese Schrift
aufmerksam gelesen, wird sich selbst zurechtfinden. Nur zwei
Punkte sind es, die wir nochmals beleuchten wollen, weil
Dr. Silberschmidt sich darauf beruft. Dr. Silberschmidt sagt:
„Ebensowenig liessen sich, wie Kiwisch bemerkt, die über
ganze Länderstrecken ausgebreiteten Epidemien durch das
Einbringen von Leichengift erklären. Der genannte Autor
beobachtete selbst viele Puerperalfieberkranke auf dem Lande
und in der Stadt, wo die Geburt ganz normal, und nie eine
derartige Einwirkung vorangegangen war.“
Kiwisch war zweimal blos deshalb in Wien, um sich mit
mir in dieser Angelegenheit zu besprechen, und dennoch spricht
er immer nur von der Leiche, über ganze Länderstrecken gibt
es verbreitet Kranke, deren Krankheiten einen zersetzten
Stoff erzeugen, und über ganze Länderstrecken verbreitet gibt
es Aerzte und Hebammen, welche sich mit solchen Kranken,
und mit Schwangern, Kreissenden und Wöchnerinnen beschäf-
tigen, und die über ganze Länderstrecken verbreiteten Aerzte
und Hebammen haben in der Schule nicht gelernt, wie das
Puerperalfieber entsteht, und wie es verhütet werden kann,
und deshalb kommt das Puerperalfieber über ganze Länder-
strecken verbreitet vor.
Dr. Silberschmidt beruft sich auf die Behauptung Kiwisch’s,
welcher sagt: »dass er keine Rücksicht nehme, ob die Studi-
renden von der naheliegenden Todtenkammer kommen oder
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/445>, abgerufen am 23.11.2024.
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