nerinnen bei den Untersuchungen derselben erzeugt werde, ist durchaus irrthümlich, sie ist durchaus willkürlich."
"Denn die Wochenbettfieber-Epidemien sind in der ärzt- lichen Erfahrung viel älter, als die Leichenöffnungen."
Welch crasse Ignoranz spricht in dieser Angelegenheit mit! Die Geschichte des Kindbettfiebers lehrt, dass das Puer- peralfieber erst seit der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahr- hunderts in grösserer Zahl vorkomme.
Seite 268 sagt Er: "Das Absperren von Ländereien, von Bezirken, die Cordone, die Contumazanstalten und ähnliche Einrichtungen, stammen aus Zeiten, in welchen die Aerzte nicht einmal so weit waren, um zur Zeit einer herrschenden Epidemie die epidemischen Erkrankungen von anderen gleich- zeitig vorkommenden zu unterscheiden; sie waren der An- sicht, dass zur Zeit einer Epidemie so ziemlich alle Erkran- kungen der Epidemie angehören. Ja man kann sogar noch zweifeln, ob unter den damaligen Verhältnissen jemals eine Epidemie vorhanden war, so oft eine solche als vorhanden an- gegeben wurde; auch zur Feststellung der Thatsache einer vorhandenen Epidemie sind nicht selten solche Kenntnisse nothwendig, wie sie vor noch nicht gar langer Zeit nicht zu den gewöhnlichen gehörten!"
Gegenwärtige Schrift hat den Zweck zu beweisen, dass es keine Puerperalepidemie gibt, wenn daher die Mehrzahl der Aerzte heute noch von Puerperalepidemien sprechen, so ist damit bewiesen, dass selbst heute noch die Mehrzahl der Aerzte nicht die Kenntnisse haben, welche nothwendig sind, um das Nichtvorhandensein einer Puerperalepidemie zu er- kennen; welchen Werth können daher die Beobachtungen über Puerperalepidemien haben, welche, wie Hamernik meint, gemacht wurden zu Zeiten, die älter sind, als die Sectionen.
"Sie waren von jeher der Schrecken der Mütter, auch zu Zeiten und in Ländern, wo man an Leichenöffnungen noch gar nicht gedacht hat." Es ist wirklich zu bedauern, dass Hamernik, welcher so viel Talent für die Geschichte der Me-
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nerinnen bei den Untersuchungen derselben erzeugt werde, ist durchaus irrthümlich, sie ist durchaus willkürlich.«
»Denn die Wochenbettfieber-Epidemien sind in der ärzt- lichen Erfahrung viel älter, als die Leichenöffnungen.«
Welch crasse Ignoranz spricht in dieser Angelegenheit mit! Die Geschichte des Kindbettfiebers lehrt, dass das Puer- peralfieber erst seit der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahr- hunderts in grösserer Zahl vorkomme.
Seite 268 sagt Er: »Das Absperren von Ländereien, von Bezirken, die Cordone, die Contumazanstalten und ähnliche Einrichtungen, stammen aus Zeiten, in welchen die Aerzte nicht einmal so weit waren, um zur Zeit einer herrschenden Epidemie die epidemischen Erkrankungen von anderen gleich- zeitig vorkommenden zu unterscheiden; sie waren der An- sicht, dass zur Zeit einer Epidemie so ziemlich alle Erkran- kungen der Epidemie angehören. Ja man kann sogar noch zweifeln, ob unter den damaligen Verhältnissen jemals eine Epidemie vorhanden war, so oft eine solche als vorhanden an- gegeben wurde; auch zur Feststellung der Thatsache einer vorhandenen Epidemie sind nicht selten solche Kenntnisse nothwendig, wie sie vor noch nicht gar langer Zeit nicht zu den gewöhnlichen gehörten!«
Gegenwärtige Schrift hat den Zweck zu beweisen, dass es keine Puerperalepidemie gibt, wenn daher die Mehrzahl der Aerzte heute noch von Puerperalepidemien sprechen, so ist damit bewiesen, dass selbst heute noch die Mehrzahl der Aerzte nicht die Kenntnisse haben, welche nothwendig sind, um das Nichtvorhandensein einer Puerperalepidemie zu er- kennen; welchen Werth können daher die Beobachtungen über Puerperalepidemien haben, welche, wie Hamernik meint, gemacht wurden zu Zeiten, die älter sind, als die Sectionen.
»Sie waren von jeher der Schrecken der Mütter, auch zu Zeiten und in Ländern, wo man an Leichenöffnungen noch gar nicht gedacht hat.« Es ist wirklich zu bedauern, dass Hamernik, welcher so viel Talent für die Geschichte der Me-
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nerinnen bei den Untersuchungen derselben erzeugt werde,
ist durchaus irrthümlich, sie ist durchaus willkürlich.«
»Denn die Wochenbettfieber-Epidemien sind in der ärzt-
lichen Erfahrung viel älter, als die Leichenöffnungen.«
Welch crasse Ignoranz spricht in dieser Angelegenheit
mit! Die Geschichte des Kindbettfiebers lehrt, dass das Puer-
peralfieber erst seit der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahr-
hunderts in grösserer Zahl vorkomme.
Seite 268 sagt Er: »Das Absperren von Ländereien, von
Bezirken, die Cordone, die Contumazanstalten und ähnliche
Einrichtungen, stammen aus Zeiten, in welchen die Aerzte
nicht einmal so weit waren, um zur Zeit einer herrschenden
Epidemie die epidemischen Erkrankungen von anderen gleich-
zeitig vorkommenden zu unterscheiden; sie waren der An-
sicht, dass zur Zeit einer Epidemie so ziemlich alle Erkran-
kungen der Epidemie angehören. Ja man kann sogar noch
zweifeln, ob unter den damaligen Verhältnissen jemals eine
Epidemie vorhanden war, so oft eine solche als vorhanden an-
gegeben wurde; auch zur Feststellung der Thatsache einer
vorhandenen Epidemie sind nicht selten solche Kenntnisse
nothwendig, wie sie vor noch nicht gar langer Zeit nicht zu
den gewöhnlichen gehörten!«
Gegenwärtige Schrift hat den Zweck zu beweisen, dass
es keine Puerperalepidemie gibt, wenn daher die Mehrzahl
der Aerzte heute noch von Puerperalepidemien sprechen, so
ist damit bewiesen, dass selbst heute noch die Mehrzahl der
Aerzte nicht die Kenntnisse haben, welche nothwendig sind,
um das Nichtvorhandensein einer Puerperalepidemie zu er-
kennen; welchen Werth können daher die Beobachtungen
über Puerperalepidemien haben, welche, wie Hamernik meint,
gemacht wurden zu Zeiten, die älter sind, als die Sectionen.
»Sie waren von jeher der Schrecken der Mütter, auch zu
Zeiten und in Ländern, wo man an Leichenöffnungen noch
gar nicht gedacht hat.« Es ist wirklich zu bedauern, dass
Hamernik, welcher so viel Talent für die Geschichte der Me-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/431>, abgerufen am 24.11.2024.
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